OGH 10ObS148/15k

OGH10ObS148/15k19.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Mag. Florian Plöckinger Rechtsanwälte GesbR in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2015, GZ 8 Rs 73/15m‑53, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00148.15K.0119.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger hat den Lehrberuf Flachdrucker erlernt. Von April 1993 bis März 2011 war er in der Hausdruckerei einer Bank als Flachdrucker beschäftigt. Trotz eines aufgrund verschiedener Erkrankungen eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls ist ihm diese Tätigkeit nach wie vor möglich. Bei anderen Flachdrucktätigkeiten außerhalb des geschützten Hausdruckbereichs fallen fallweise schwere körperliche Arbeiten an, die dem Kläger nicht mehr möglich sind.

Mit Bescheid vom 30. 8. 2011 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 16. 5. 2011 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene und auf die Gewährung der abgelehnten Leistung gerichtete Klage ab. Der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht nicht Folge gegeben. Der Kläger könne seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Flachdrucker in Hausdruckereien weiterhin ausüben, weshalb sich die Frage der Verweisung auf andere Tätigkeiten nicht stelle. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig.

Der Kläger macht in seiner außerordentlichen Revision als erhebliche Rechtsfrage geltend, ob ein Versicherter als invalid iSd § 255 ASVG anzusehen sei, wenn er zwar seine zuletzt überwiegend ausgeübte Tätigkeit als Flachdrucker in einer Hausdruckerei gesundheitlich noch ausüben könne, es für diese Tätigkeit aber nicht mehr zumindest 100 Arbeitsplätze in Österreich gebe.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Sowohl Invalidität (§ 255 ASVG) als auch Berufsunfähigkeit (§ 273 ASVG) setzen nach ständiger Rechtsprechung ein Herabsinken der Arbeitsfähigkeit des Klägers im Vergleich zu einem „gesunden“ Versicherten voraus. Verfügt aber ein Versicherter noch über die Arbeitskraft, die ihn befähigt, den bisher ausgeübten Beruf ohne Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands weiterhin auszuüben, so kann seine Arbeitsfähigkeit nicht unter die Hälfte derjenigen eines zum Vergleich heranzuziehenden „gesunden“ Versicherten gesunken sein, weil auch dieser nur über eine solche Arbeitskraft verfügen muss. Erst wenn feststeht, dass der Versicherte seine bisher ausgeübte Berufstätigkeit nicht weiterhin verrichten kann, kommt es darauf an, ob er auf andere Berufstätigkeiten verwiesen werden darf (stRspr seit 10 ObS 112/87, SSV‑NF 1/68).

Kann daher der Versicherte aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls noch in seinem eigenen Beruf weiterarbeiten, ist die Größe des Arbeitsmarkts in diesem Beruf nicht zu prüfen, da keine Verweisung iSd § 255 ASVG vorliegt (vgl RIS‑Justiz RS0110071). Für die Frage der Invalidität ist nämlich nicht entscheidend, ob der erlernte und überwiegend ausgeübte Beruf am Arbeitsmarkt allenfalls nur noch eine geringe Bedeutung hat ( Födermayr in SV‑Komm § 255 ASVG Rz 50 mwN). Der Umstand, dass der Beruf des Klägers als Flachdrucker und seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einer Hausdruckerei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mehr geringe Bedeutung haben, hat mit einem Herabsinken der Arbeitsfähigkeit des Klägers infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands nichts zu tun und ist daher für die Frage, ob er als invalid iSd § 255 Abs 1 ASVG gilt, ohne Bedeutung. Dass auch körperlich und geistig gesunde Versicherte von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen in diesem Tätigkeitsbereich nur mehr wenige Arbeitsplätze finden können und mittlerweile auch der konkrete Arbeitsplatz des Klägers weggefallen ist, ist allein auf eine Änderung des Arbeitsmarkts zurückzuführen. Damit handelt es sich dabei um das Risiko der Arbeitslosigkeit, nicht aber um einen Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach dem ASVG (vgl 10 ObS 175/94, SSV‑NF 8/70; 10 ObS 59/04f, SSV‑NF 18/39 ua; RIS‑Justiz RS0085056).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass schon aus den dargelegten Erwägungen eine Invalidität bzw Berufsunfähigkeit des Klägers nicht vorliege und sich daher die Frage einer allfälligen Verweisbarkeit des Klägers und damit auch die Frage nach der Größe des Arbeitsmarkts für die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Flachdrucker in einer Hausdruckerei nicht mehr stelle, steht im Einklang mit der zitierten ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats. Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte