OGH 6Ob228/15w

OGH6Ob228/15w14.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. H***** M*****, 2. Mag. C***** S*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dipl.‑Ing. (FH) C***** B*****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung und Leistung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 9. September 2015, GZ 22 R 241/15t‑31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 21. Mai 2015, GZ 26 C 673/13v‑26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00228.15W.0114.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit 492,56 EUR (darin 82,09 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Kläger abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob Bindungswirkung besteht, wenn von einem anderen Gericht in einem früheren Parallelverfahren die Auslegung einer Vereinbarung zu einer gegenteiligen Entscheidung führte und aufgrund dieser Unterlassungsentscheidung sogar Exekution bewilligt wurde.

Die Bewohner dreier Wohnblöcke mit rund 100 Eigentumswohnungen (tw verschiedene EZ) nutzen seit deren Errichtung in den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgrund von in den Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen aus den Jahren 1972 und 1973 enthaltenen Vereinbarungen die zwischen den Wohnblöcken liegende Fläche, um zu ihren Wohnungen zu gehen, zu fahren und um ihre Fahrzeuge dort abzustellen. Im November 2006 erwarb der Beklagte einen Teil dieser Flächen im Ausmaß von 1.187 m² und 311 m² von jener Gesellschaft, die die Wohnblöcke errichtet und die Eigentumswohnungen verkauft hatte, um die Parkplätze nach Vergrößerung der Parkfläche zu vermieten.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. 4. 2008 (3 R 15/08h) wurde zugunsten von zwölf Wohnungseigentümern festgestellt, dass diesen aufgrund der abgeschlossenen Vereinbarungen jeweils die Dienstbarkeit zustehe, die genannten Flächen zu Geh- und Fahrzwecken sowie zum Abstellen von Kraftfahrzeugen zu benützen; das Landesgericht Salzburg hatte ein solches Recht verneint. Daraufhin gab der Beklagte die Flächen mit Ausnahme des (hier gegenständlichen) Grundstücks wieder an die Gesellschaft zurück; dieses Grundstück steht nach wie vor in seinem Eigentum.

Die Vorinstanzen stellten fest, dass den Klägern die Dienstbarkeit zustehe, das Grundstück zu Gehzwecken zu benützen, wiesen jedoch das Begehren auf Feststellung einer Dienstbarkeit, das Grundstück auch zu Fahrzwecken sowie zum Abstellen von Kraftfahrzeugen zu benützen, ab. Sie vertraten die Auffassung, dass der seinerzeitigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz mangels Parteienidentität (andere Wohnungseigentümer als Kläger) keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren zukomme; der Beklagte habe bisher keine Möglichkeit gehabt, sich gegen das hier gestellte Begehren der nunmehr auftretenden Kläger zur Wehr zu setzen.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Kläger meinen in ihrer Revision unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 330/98f (SZ 72/89 = immolex 1999, 265 [Iby]), der Beklagte sei an die Rechtskraft der seinerzeitigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz gebunden. Sie übersehen damit jedoch zum einen, dass der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung zwischenzeitig ausdrücklich ablehnte und sie als „von der herrschenden Auffassung abweichend“ und als vereinzelt geblieben bezeichnete (2 Ob 213/08z).

Zum anderen bestand in den beiden Verfahren keine Parteienidentität; die Kläger waren am damaligen Verfahren nicht beteiligt. Die Rechtsansicht der Kläger würde deshalb im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass es zur Feststellung einer Servitut zugunsten aller Wohnungseigentümer ausreichend wäre, wenn auch nur ein einziger Wohnungseigentümer gegen den Beklagten obsiegt. Servitutsverträge zu verschiedenen Personen können auch unterschiedlich ausgelegt werden.

Soweit die Revision in den unterschiedlichen Ergebnissen der beiden Verfahren einen „die Entscheidungsharmonie beeinträchtigenden groben Subsumtionsfehler“ sieht, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Grenzen der materiellen Rechtskraft aus Gründen der Entscheidungsharmonie allein nicht ausgeweitet werden können (RIS‑Justiz RS0102102). Daran ändert auch nichts, wenn aufgrund des zuerst geführten Verfahrens bereits Exekution geführt wurde.

2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn vom Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936, RS0042776; zu Servitutsverträgen vgl RS0042936 [T15, T18, T53], RS0044358 [T14, T23]). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.

Die Vorinstanzen haben unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB und der Regel des § 484 ABGB, wonach Servituten eingeschränkt auszulegen sind, vor allem berücksichtigt, dass das im Eigentum des Beklagten stehende Grundstück früher Teil eines anderen Grundstücks war, wobei jene Grünfläche, die heute das Grundstück des Beklagten bildet, nie zum Abstellen von Fahrzeugen, sondern nur zum Zugehen zu den Parkplätzen auf dem anderen Grundstück verwendet wurde. Dass das Grundstück des Beklagten in den ursprünglichen Vereinbarungen nicht genannt ist, ändert an der Beurteilung durch die Vorinstanzen nichts. Damals war das Grundstück ja noch Teil eines anderen Grundstücks. Damit konnte damals aber auch noch nicht zwischen Gehrecht einerseits und Fahrrecht sowie Recht zum Abstellen von Fahrzeugen andererseits differenziert werden, sodass insoweit aus dem Wortlaut der Vereinbarungen für die Kläger nichts zu gewinnen ist.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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