OGH 1Ob194/15h

OGH1Ob194/15h22.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P***** H*****, vertreten durch Dr. Josef‑M. Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund) vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, wegen 12.950 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Juli 2015, GZ 4 R 80/15v‑19, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 1. April 2015, GZ 17 Cg 105/14d‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00194.15H.1222.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 698,70 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bewarb sich im Sommer 2008 um eine zur Ausschreibung gelangte Professorenstelle für „Europarecht, Völkerrecht und internationale Beziehungen“. Er wurde von der Berufungskommission an dritter Stelle gereicht; der Erstgereihte, gegen den zuvor Plagiatsvorwürfe erhoben worden waren, wurde mit 1. 10. 2012 berufen. In dem am 21. 10. 2009 ausgegebenen Mitteilungsblatt der *****Universität ***** (Studienjahr 2009/2010, 2. Stück, 37.) wurde die mit der Genehmigung des Universitätsrats vom 20. 10. 2009 erlassene Verordnung des Rektorats gemäß § 99 Abs 3 Universitätsgesetz (UG) 2002 verlautbart, mit der diese eine Anzahl von 42 Stellen für Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren, die für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren gewidmet sind und nur für Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten gemäß § 94 Abs 2 Z 2 UG 2002 vorgesehen sind, festlegte.

Der Kläger begehrt mit seiner auf das Amtshaftungsgesetz (AHG) gestützten Klage Verdienstentgang, Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung wegen Mobbings und der Verletzung von Fürsorgepflichten durch Unterlassung der Ausschreibung einer Stelle für einen „Universitätsprofessor für Völkerrecht, Europarecht und vergleichendes öffentliches Recht“ nach § 99 Abs 3 UG 2002. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung brachte er zusammengefasst vor, es sei parallel zur oben genannten Stelle ein Ausschreibungsverfahren nach § 99 Abs 3 UG 2002 initiiert worden. Das Berufungsverfahren dazu habe bereits durch die Einladung und Durchführung des „Hearings“ im Dezember 2009 begonnen gehabt, auch wenn die Stelle formell noch nicht ausgeschrieben worden sei. Er habe am „Hearing“ teilgenommen und sei als Sieger daraus hervorgegangen. Die Ausschreibung sei aus unsachlichen Motiven unterblieben, weil der Kläger nicht davon Abstand genommen habe, das Berufungsverfahren zur eingangs genannten, ausgeschriebenen und besetzten Planstelle für „Europarecht, Völkerrecht und internationale Beziehungen“ anzufechten.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das auf Verdienstentgang gerichtete Begehren über 12.000 EUR sA ohne Beweisaufnahme zur Gänze ab, weil zwar dem Berufungsverfahren hoheitlicher Charakter zukomme, aber kein subjektives Recht auf Beförderung bestehe. Auch wenn § 4 Abs 3 BDG als Schutzgesetz zu Gunsten einzelner Bewerber dahin aufzufassen sei, dass der am besten geeignete Kandidat zu ernennen sei, setze dies die Durchführung eines Besetzungsverfahrens voraus. Ein subjektiv‑rechtlicher Anspruch des Klägers auf Durchführung einer Ausschreibung sei im Gesetz nicht verankert. Die Klagsänderung, mit der der Kläger sein Leistungsbegehren auch auf andere Gründe, insbesondere seine allgemein verringerten Berufschancen aufgrund von Mobbing bzw Diskreditierung am Arbeitsmarkt gestützt habe, sei zwar zulässig, jedoch habe er dazu trotz Erörterung nicht dargelegt, welche konkrete Verdienstmöglichkeiten er gehabt hätte und aus welchen der Beklagten zurechenbaren Gründen er an deren Wahrnehmung gehindert gewesen wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und kam ‑ anders als das Erstgericht ‑ zum Ergebnis, dass ein Berufungsverfahren nach § 99 Abs 3 UG 2002 nicht als hoheitlich zu qualifizieren sei, sondern rein privatrechtlichen Charakter habe. Der Kläger hätte daher seine Ansprüche gegenüber der Universität als juristische Person gemäß § 49 Abs 1 UG 2002 geltend zu machen gehabt. Selbst wenn jedoch der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 121/12b folgend das Auswahlverfahren als hoheitlich zu qualifizieren wäre, stünde dem Kläger kein Schadenersatz zu, weil ein Berufungsverfahren nach § 99 Abs 3 UG 2002 tatsächlich noch nicht stattgefunden habe. Eine Verpflichtung des Rektorats, Stellen nach § 99 Abs 3 UG 2002 auszuschreiben, bestehe nicht. Das vom Kläger angesprochene „Hearing“ habe nur eine Evaluierung dafür dargestellt, inwieweit ausreichend hoch qualifizierte Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten vorhanden gewesen seien, die für eine derartige Stelle überhaupt in Frage gekommen wären. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hinsichtlich der Qualifizierung des Auswahlverfahrens abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Frage eines Anspruchs auf Ausschreibung einer bestimmten Stelle gemäß § 99 Abs 3 UG 2002 nach den Bestimmungen des UG 2002 in der geltenden Fassung zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1. Ob das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Einordnung des universitären Berufungsverfahrens als hoheitlich abgewichen ist, womit es die Zulässigkeit der Revision begründete, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger kein Individualrecht auf Ausschreibung der von ihm geforderten, bestimmten Stelle nach abgekürztem Berufungsverfahren gemäß § 99 Abs 3 UG 2002 (BGBl I 2002/120 idF BGBl I 2009/81) für sich geltend machen kann:

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts besteht in der Regel weder ein Anspruch auf Ernennung zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, noch auf Ernennung in einem solchen (Überstellung, Beförderung). Ebensowenig steht dem Bewerber im Ernennungsverfahren Parteistellung zu. Anderes gilt nur in jenen Fällen, in denen die Auslegung der für die Ernennung maßgebenden Vorschriften zum Ergebnis führt, dass im Ernennungsverfahren subjektive Rechte der Bewerber unmittelbar berührt werden (VfGH B 881/12 mwN). Diese Rechtsprechung ist auf die Aufnahme in ein privatrechtliches Dienstverhältnis zu übertragen (VfGH V 88/96 = VfSlg 14.594; OGH 7 Ob 120/11i). Ein subjektives Recht auf Beförderung besteht nicht (vgl RIS‑Justiz RS0112461; zum Gleichbehandlungsgesetz siehe RIS‑Justiz RS0029686).

Es können aber aus einer unterbliebenen Beförderung dann Amtshaftungsansprüche (§ 1 Abs 1 AHG) abgeleitet werden, wenn sie auf einen Missbrauch der eingeräumten Befugnisse zurückzuführen sind. Der Bewerber hat Anspruch darauf, dass die Behörde den ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum oder Auslegungsspielraum pflichtgemäß nutzt (RIS‑Justiz RS0112461 [T4]; vgl RS0102403). Haftungsbegründend kann nicht nur die Rechtswidrigkeit des Ernennungsergebnisses, sondern auch die des Ernennungsvorgangs sein, weil der vom Gesetz gewährte Rechtsschutz gerade nicht im Anspruch auf Ernennung, sondern im Recht auf Durchführung eines gesetzgemäßen Verfahrens besteht. Maßgebend ist daher, ob der ernannte Bewerber die ausgeschriebene Stelle auch im Fall eines fehlerfreien Ernennungsvorgangs erhalten hätte. (RIS‑Justiz RS0102403 [T3]).

All diese Grundsätze betreffen die Anwendung der Verfahrensvorschriften bei Ablauf des Besetzungsverfahrens und die Auswahl des bestgeeigneten Bewerbers im Rahmen der Überprüfung des gesamten Ernennungsvorgangs, dh des Ernennungsverfahrens und dessen Ergebnisses. Dass im vorliegenden Fall ein Ernennungsverfahren bereits eingeleitet worden wäre, behauptet der Revisionswerber zwar und bezieht sich dabei auf eine bereits durch das „Hearing“ angeblich „ausgelobte“ Stelle. Er gesteht aber selbst die ‑ aus seiner Sicht gerade haftungsbegründende ‑ Unterlassung deren Ausschreibung zu. Auf eine öffentlich bekannt gemachte Zusage einer Belohnung für eine Leistung oder einen Erfolg (§ 860 ABGB) kann er nicht verweisen.

1.3. § 99 UG 2002 (BGBl I 2002/120 idF BGBl I 2009/81) sieht derzeit zwei Arten eines abgekürzten Berufungsverfahrens für Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren vor (die ein weiteres vereinfachtes Berufungsverfahren einführende Novelle BGBl I 2015/131 ist noch nicht in Kraft getreten). Jenes nach Abs 3 leg cit räumt dem Rektorat ein („kann“), durch eine Verordnung, die der Genehmigung des Universitätsrats bedarf, einmalig eine Anzahl von Stellen für Universitätsprofessorinnen oder Universitätsprofessoren festzulegen, die für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren gewidmet sind und nur für Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten gemäß § 94 Abs 2 Z 2 UG 2002 („Altdozenten“) vorgesehen sind. Die Anzahl darf bis zu 20 vH der Stellen gemäß § 122 Abs 2 Z 4 UG 2002 umfassen.

1.4. Die Einleitung des Berufungsverfahrens für eine bestimmte Stelle beginnt mit der Ausschreibung (vgl zum Verfahren nach § 98 UG 2002 Novak, Das Berufungsverfahren nach UnivG 2002, 10). Eine Vorschrift, aus der sich eine Pflicht, eine bestimmte Stelle (hier vom Kläger als „§ 99‑Professur für Völkerrecht, Europarecht und vergleichendes öffentliches Recht“ bezeichnet) überhaupt und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuschreiben, ergeben sollte, kann der Kläger selbst nicht benennen. Weder wurde eine solche mit der Verordnung festgelegt, noch ergibt sie sich aus der in § 99 Abs 3 UG 2002 enthaltenen, die Form der Ausschreibung regelnden Wendung: „Die Stellen sind im Mitteilungsblatt der Universität auszuschreiben“.

Der von Kucsko‑Stadlmayer (in Mayer, UG2.03 § 99 UG III.7.) ausgemachte (und vom Kläger offenbar für den Beginn des Berufungsverfahrens in Anspruch genommene) „große Spielraum“ bezieht sich auf die internationalen kompetitiven Standards, nach denen das Auswahlverfahren zu erfolgen hat. Kucsko‑Stadlmayer (aaO) führt dazu aus, es seien keineQualifikationsvoraussetzungen definiert; auch wenn die Bestimmung über die Berufungskommission im Sinne des § 98 UG 2002 unanwendbar sei, weil es sich um ein abgekürztes Verfahren handle, stehe außer Frage, dass die Stellenvergabe leistungsorientiert zu erfolgen habe.

Der Revisionswerber steht auf dem Standpunkt, es stünden im Rahmen dieses Ermessensspielraums grundsätzlich zwei Verfahren für die Bestenauswahl an einer Fakultät zur Verfügung: Entweder werde das Auswahlverfahren vorgezogen und anschließend die Professorenstellen für die Sieger des Verfahrens ad personam ausgeschrieben, in einem solchen Fall werde die Ausschreibung zu einem reinen Formalakt und habe überhaupt nichts mit einer Ausschreibung im Rahmen eines „§ 98‑Verfahrens“ gemeinsam, oder es werde zuerst eine Ausschreibung für den gesamten Fachbereich vorgenommen und anschließend könnten die anteilsmäßig auf die Fakultät fallenden Professoren an jene Kandidaten vergeben werden, die sich in einer vergleichenden Wertung als die Besten erwiesen hätten. Dies lässt sich aber weder den Ausführungen von Kucsko‑Stadlmayer (aaO), noch dem Gesetz entnehmen. Auch die Verordnung selbst lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass darin ein bestimmtes Kontingent auf die rechtswissenschaftliche Fakultät (als eine der 16 Fakultäten der Universität *****) zu entfallen gehabt hätte. Vielmehr beinhaltet das Verfahren gemäß § 99 Abs 3 UG 2002 nach Kucsko‑Stadlmayer (aaO III.3.) folgende Schritte: Festlegung der Anzahl der zu vergebenden Stellen durch Verordnung des Rektorats mit Genehmigung des Universitätsrats, Ausschreibung dieser Stellen im Mitteilungsblatt der Universität, Übermittlung der Bewerberlisten an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, Durchführung des Auswahlverfahrens, Information des Betriebsrats und des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen, allfällige Rechtsmittelentscheidungen der Schiedskommission, Berufungsverhandlungen durch den Rektor und letztendlich den Abschluss des Arbeitsvertrags durch den Rektor.

1.5. Auch aus der Entscheidung 9 ObA 121/12b, zu welcher der Revisionswerber ausführt, danach sei der maßgebliche Zweck der Regelungen des Berufungsverfahrens (dort zu einer Berufung nach § 98 UG 2002) weiterhin darin zu sehen, im Sinne des gesellschaftlichen Bildungs‑ und Forschungsauftrags die Sicherstellung einer hoch qualifizierten Lehre und Forschung zu gewährleisten, lässt sich kein individueller Anspruch auf Ausschreibung „seiner“ Stelle ableiten. Der anlässlich der Entscheidung zu 1 Ob 278/04w zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar, weil damals nicht das Fehlen einer Ausschreibung überhaupt, sondern eine mehrfache Ausschreibung derselben Stelle zu beurteilen war.

2. Die Anforderung, dass der vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessensspielraum oder Auslegungsspielraum pflichtgemäß genutzt werden muss (vgl RIS‑Justiz RS0112461 [T9]), setzt eine vom Gesetz statuierte Handlungspflicht voraus, die dann innerhalb des gegebenen Rahmens (pflichtgemäß) zu erfüllen ist. Eine Überprüfung des Vorwurfs eines Verhaltens als rechtswidrig (und schuldhaft), setzt daher voraus, dass dieses Verhalten einem pflichtgemäßen Vorgehen in Form und Ergebnis gegenübergestellt und daran gemessen werden kann. Besteht aber auf Basis der geltenden Bestimmungen keine Pflicht zur Ausschreibung der vom Kläger geforderten bestimmten Stelle, bedarf es mangels Pflichtenverstoßes keiner Befassung damit, aus welchen Gründen eine Ausschreibung unterblieben ist.

3. Kam es aber nicht zu einer Ausschreibung einer vom Kläger als „§ 99‑Professur für Völkerrecht, Europarecht und vergleichendes öffentliches Recht“ bezeichneten Stelle und einer Mitteilung darüber im Universitätsblatt, ist damit auch nicht erkennbar, dass ein bestgeeigneter Kandidat gemäß § 4 Abs 3 BDG gegenüber einem (hier eben nicht ernannten) Kandidaten benachteiligt worden wäre.

4. Wenn der Revisionswerber im Rahmen der Revision lediglich ausführt, er sei einer „Mobbingsituation im Rahmen seines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses bei der beklagten Partei“ ausgesetzt gewesen, legt er nicht einmal ansatzweise dar, warum die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen sein Begehren auf Verdienstentgang sei, soweit er sich auf Mobbing‑Vorwürfe gestützt hatte, trotz Erörterung unschlüssig geblieben, fehlerhaft sein sollte.

5. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 und § 50 ZPO.

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