OGH 12Os41/15v

OGH12Os41/15v17.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Guntram S***** wegen des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 42 Hv 48/13x des Landesgerichts Wiener Neustadt, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00041.15V.1217.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mag. Guntram S***** (vormals Si*****, vormals S*****) wurde mit dem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 26. November 2013, GZ 42 Hv 48/13x‑94, der Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 3 StGB (1./), der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (2./), der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (3./) sowie der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB (4./) schuldig erkannt.

Nach dem für das Vorbringen des Erneuerungsantrags relevanten Schuldspruch 4./ hat er am 31. Jänner 2012 in G***** im Verfahren AZ 5 UT 1/12 x der Staatsanwaltschaft Leoben vor der Kriminalpolizei als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung falsch ausgesagt, dass er am 28. Jänner 2012 nach einem Besuch des A*****-Shops im C*****-Park um 11:00 Uhr in sein Büro gefahren sei und dort ‑ bis auf eine kurze Mittagsbesorgung im S***** in der C*****-Straße ‑ bis 14:30 Uhr geblieben sei.

Überdies wurde er schuldig erkannt, am 28. Jänner 2012 in T*****

1./ einem Tier unnötige Qualen zugefügt und ein Wirbeltier mutwillig getötet zu haben, indem er seine Hauskatze in einen Plastikbehälter sperrte, ein Loch in den Deckel bohrte, den Behälter mit einem Schlauch mit Wasser befüllte und die Katze auf diese Weise ertränkte;

2./ ein falsches Beweismittel in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung, nämlich im Verfahren zu 5 UT 1/12 x der Staatsanwaltschaft Leoben, gebraucht zu haben, indem er den Griff der Terrassentüre seines Wohnhauses abmontierte und in der senkrechten Stellung anklebte, sodass der Eindruck erweckt werde, die Türe sei verriegelt, obwohl sie tatsächlich unversperrt und jederzeit von außen zu öffnen gewesen sei und er sodann Anzeige bei der Polizei wegen eines angeblich gewaltsamen Zutritts in sein Wohnhaus durch einen unbekannten Täter erstattete, wodurch die Manipulation der Türe von der Spurensicherung entdeckt wurde;

3./ einer Behörde bzw einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich einer gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zu seinem eigenen Nachteil und zum Nachteil seiner Tochter Carolina sowie der Tochter der Johanna Si***** namens Clara wissentlich vorgetäuscht zu haben, indem er bei der Polizei anzeigte, dass er in seinem Haus eine getötete Katze mit einem Stemmeisen an die Wand genagelt sowie daneben ein Foto, auf welchem er selbst, seine Tochter sowie die Tochter der Johanna Si***** abgebildet sind, mit einem Messer an die Wand gehängt vorgefunden habe, obwohl er diese Handlung selbst gesetzt hatte.

Vom Vorwurf, am 28. Jänner 2012 in G***** Johanna Si***** mittels einer per Mobiltelefon übermittelten Textnachricht gefährlich bedroht zu haben, wurde der Mag. Guntram S***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 3. September 2014, AZ 19 Bs 86/14g, in Ansehung der Schuldsprüche 1./ bis 3./ Folge und hob das Urteil in diesem Umfang sowie im Strafausspruch auf. In Ansehung des Schuldspruchs 4./ gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung nicht Folge (ON 104).

Rechtliche Beurteilung

Mit dem vorliegenden (am 1. April 2015 eingebrachten) Antrag begehrt der (insoweit) Verurteilte die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO in Bezug auf den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch (zur Zulässigkeit vgl 14 Os 35/14z; Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 13 Rz 37 [FN 177]).

Der Grundsatz der Waffengleichheit sichert als zentraler Bestandteil des Fairnessgebots des Art 6 Abs 1 EMRK das Recht der Parteien, ihren Fall einschließlich ihrer Beweise zu präsentieren und zwar unter Bedingungen, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Gegner darstellen (Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 24 Rz 61). Die Würdigung von Beweismitteln behält der EGMR jedoch grundsätzlich den nationalen Gerichten vor und

prüft unter dem Aspekt des Art 6 EMRK, ob die Aufnahme und Bewertung der Beweise gegen das Prinzip der Waffengleichheit verstoßen hat und damit das gesamte Verfahren unfair war (RIS‑Justiz RS0120958).

In der Hauptverhandlung beantragte die Verteidigung am 26. November 2013 die „nochmalige Beischaffung der vollständigen Aufzeichnungen der sichergestellten Festplatte“ zur Klärung des Sachverhaltes und zum Nachweis, „dass der Angeklagte das ihm zur Last gelegte SMS nicht geschickt hat, sich insbesondere auch nicht zu den behaupteten Zeiten im C*****-Park aufgehalten hat“ und begründete dies damit, dass die Beischaffung erforderlich sei, „um den Sachverhalt zu klären“, zumal auf dem „dem Gericht überlieferten Datenträger lediglich sechs Sequenzen zu sehen sind, in welchen ein zeitlicher Ablauf außer der eingeblendeten Zeit nicht erkannt werden kann“ (ON 93 S 27 f).

Die Abweisung dieses Antrags und die in diesem Punkt bestätigende Rechtsmittelentscheidung (ON 93 S 32 und ON 104 S 5 sowie 10) begründen dem Erneuerungsantrag zuwider keinen Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit bzw keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK im oben aufgezeigten Sinn, weil das in § 55 Abs 1 StPO normierte Erfordernis einer Begründung des Beweisantrages, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären, für beide Seiten gleichermaßen gelten und sich die involvierten Gerichte rechtsrichtig an diesem Grundsatz orientierten, indem sie in Ansehung der Begründung des erwähnten Antrags zu dem zutreffenden Ergebnis gelangten, dass der Antrag nicht darlegte, weshalb weiteres Videomaterial relevant wäre bzw dazu dienen könnte, einen bereits durch die vorliegenden Videosequenzen dokumentierten Aufenthalt des Angeklagten am verfahrensrelevanten Ort zu widerlegen (vgl auch 14 Os 73/09f).

Soweit der Antrag in der unterbliebenen Belehrung über das Mag. Guntram S***** schon im Hinblick auf den damals gegen ihn bestehenden Verdacht, am 28. Jänner 2012 in G***** Johanna Si***** mittels einer per Mobiltelefon übermittelten Textnachricht gefährlich bedroht zu haben, zustehende Aussageverweigerungsrecht im Rahmen seiner Vernehmung vom 31. Jänner 2012 (ON 8) bzw mit der Behauptung (trotz einer materiell‑rechtlicher Beschuldigtenstellung erfolgten) „Verweigerung des Aussagenotstands“ und einer Missachtung des ihm zustehenden Rechts, als Beschuldigter zur Sache keine Angaben machen zu müssen, eine Verletzung von Art 6 und 7 EMRK erblickt, steht einer erfolgreichen Antragstellung die unzureichende horizontale Ausschöpfung des Instanzenzugs entgegen, welche voraussetzt, dass die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (RIS‑Justiz RS0122737 [T13]; Reindl-Krauskopf, WK‑StPO § 363a Rz 32).

Die gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 26. November 2013 erhobene Berufung wegen Nichtigkeit rügte jedoch lediglich, dass der Angeklagte bei der in Rede stehenden Vernehmung materiell Beschuldigter gewesen sei und das Erstgericht „die Anwendbarkeit des § 290 StGB überprüfen“ hätte müssen, weil erst ein Verzicht auf die Ausübung eines bekanntgegebenen Entschlagungsrechts einen Aussagenotstand ausschließe (ON 99 S 17 f). Mit diesem Vorbringen legte sie jedoch nicht einmal konkludent eine aus den monierten Umständen resultierende Konventionsverletzung im nun geltend gemachten Sinn dar (vgl 13 Os 25/14x; 11 Os 124/11m; 13 Os 16/09s; Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 13 Rz 34 ff).

Im Übrigen ließ sie auch die methodengerechte Ableitung vermissen (RIS‑Justiz RS0116569), weshalb der formellen prozessualen Position des Vernommenen keine Bedeutung zukomme (vgl Plöchl/Seidl in WK² StGB § 288 Rz 15), aus welchen Feststellungen sich die für den offenbar angesprochenen Fall des § 290 Abs 1 Z 2 StGB erforderliche Annahme ableiten ließe, dass die zu befürchtenden Nachteile als direkte Folge der Offenbarung der für die Entschlagung maßgeblichen Tatsachen drohten (vgl Plöchl/Seidl in WK² StGB § 290 Rz 16; SSt 54/63), oder aufgrund welcher Verfahrensergebnisse derartige Feststellungen zu treffen gewesen wären (RIS‑Justiz RS0099689).

Der Antrag auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO war daher gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO zurückzuweisen.

Stichworte