OGH 14Os117/15k

OGH14Os117/15k15.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael G***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 22. Juni 2015, GZ 36 Hv 41/15h‑78a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00117.15K.1215.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die

„Berufung wegen Schuld“ werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael G***** ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑ des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I), des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II) sowie jeweils mehrerer Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 „Abs 1 und 2“ StGB (III) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** und an anderen Orten

(I) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug (§ 147 Abs 2 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen veranlasst, wodurch die Getäuschten oder die von ihnen vertretenen Unternehmen in großteils jeweils 3.000 Euro übersteigender Höhe von insgesamt 251.390,69 Euro am Vermögen geschädigt wurden, und zwar

A) von Jänner bis Dezember 2013 Herbert H***** als Verfügungsberechtigten der E***** GmbH in zahlreichen Angriffen durch die Vorgabe, namens dieser Gesellschaft von verschiedenen, im Urteil detailliert genannten Unternehmen (darunter die T‑ *****; I/A/1) und Privatpersonen Elektronikschrott im Wert von insgesamt 219.707,49 Euro anzukaufen, zur Übergabe der zur Bezahlung des jeweiligen Kaufpreises benötigten Bargeldbeträge, wobei nur in zwei Fällen tatsächlich Elektronikschrott, und zwar im Wert von 4.653,20 Euro (2) und 963,60 Euro (7) angekauft wurde;

B) im September 2013 Thomas B***** durch die Vorspiegelung, sich an einem Projekt zur Goldausbringung von Leiterplattenrückwänden beteiligen zu können, zur Übergabe eines Investitionsbetrags von 30.000 Euro;

C) am 29. April 2014 Markus K***** durch die Vorspiegelung, namens der A***** GmbH (in Gründung) von der C***** gebrauchte Mobiltelefone anzukaufen, zur Übergabe von 3.000 Euro;

D) am 27. September 2014 Michael T***** durch die Vorspiegelung einer Lieferung von 200 Stück Vintage PCs, zur Übergabe des Kaufpreises in Höhe von 2.500 Euro;

E) am 18. Juli 2014 Jennifer Ka***** durch die Vorspiegelung einer Lieferung von funktionsfähigen Laptops zur Übergabe des Kaufpreises in Höhe von 1.800 Euro, wobei die Computer ohne Festplatten geliefert wurden und für die Getäuschte daher wertlos waren;

(II) von 24. April 2013 bis 18. Jänner 2014 sich ein Gut, das ihm anvertraut worden war, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er

in dreizehn Angriffen den Barerlös aus dem Verkauf von Elektronikschrott der E***** GmbH an die T***** GmbH in Höhe von insgesamt 24.312,25 Euro nicht an das Unternehmen abführte, sondern für private Zwecke verwendete;

(III) falsche Urkunden, nämlich jeweils im Anschluss an die zu A genannten Taten insgesamt fünfzehn von ihm selbst total gefälschte Rechnungen der angeblichen Verkäufer (A bis G) sowie von November 2012 bis August 2013 vier weitere gleichfalls selbst gefälschte Rechnungen eines im Urteil namentlich genannten Unternehmens (H) durch Vorlage an Herbert H***** im Rechtsverkehr zum Beweis des tatsächlich nicht erfolgten Ankaufs (A bis G) oder des erfolgten Ankaufs (H) von Elektronikschrott gebraucht;

(IV) im Anschluss an die zu II genannten Taten Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich dreizehn „Gutschriften“ der T***** GmbH, die er anlässlich der Übergabe des Verkaufserlöses erhalten hatte, mit dem Vorsatz unterdrückt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er diese nicht an die Buchhaltung der El***** GmbH übergab, sondern für sich behielt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Buchhaltung unter Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Abfallwirtschaft, Spezialbereich Elektronikschrott, mit einer Aufrollung des Belegwesens“ zum Beweis dafür, dass Waren im Ausmaß von knapp 270 Tonnen verkauft wurden, wobei es sich hiebei (wie von den Abnehmern bestätigt) um „Spezialmaterial“ handelte, das sich „sonst außer in den vom Angeklagten angefertigten Rechnungen in keiner sonstigen Rechnung in diesem Ausmaß wiederfindet“, sowie dazu, dass „aufgrund“ des vom Sachverständigen festgestellten Kassastands Ende 2012 „im Jahr 2013 gar kein zusätzlicher Gewinn von 250.000 bis 260.000 Euro erwirtschaftet werden konnte, weil nachweislich jedenfalls 180 Tonnen offiziell umgeschlagen wurden“, somit „keine Barmittel da waren, die man hätte stehlen können“ (ON 74 S 91 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der dem Verfahren beigezogene (Buch-)Sachverständige Mag. (FH) Martin Ge*****, der im Ermittlungsverfahren mit der Erstattung von Befund und Gutachten zu (sinngemäß) entsprechenden Themen beauftragt worden war (ON 31), hatte bereits in seiner „gutachterlichen Stellungnahme“ (ON 38) ausgeführt, dass die Höhe des ausgewiesenen Kassastands zweifelhaft sei, dass sich aus dem ‑ überwiegend auf Basis (auch nach seiner Verantwortung) vom Angeklagten gefälschter Belege erstellten ‑ lückenhaften Rechnungswesen der El***** GmbH mangels konkreter Unterlagen (Protokolle über die Trennung des Elektronikschrotts, Lieferscheine etc) keine Anhaltspunkte ergaben, die Aufschlüsse hinsichtlich der an ihn gerichteten Fragen geboten hätten, und dass auch unter Heranziehung anderer Quellen keine Möglichkeit bestehe, die tatsächlich eingekauften Mengen an „Abfall“ und deren weitere Verwendung festzustellen. Diese Auffassung wurde vom Experten auch im Rahmen der ausführlichen mündlichen Erörterung seiner schriftlichen Stellungnahme nach Konfrontation mit weiteren Urkunden, der Verantwortung des Beschwerdeführers und dessen Einwendungen aufrecht gehalten (ON 73 S 69 ff) und vom Erstgericht (unter anderem) seiner ‑ (sanktionslos; vgl Danek, WK‑StPO § 238 Rz 10) teilweise im Urteil nachgetragenen (US 34 f) ‑ Begründung für die abweisende Entscheidung (ON 78 S 10 f) zugrundegelegt.

Eine für die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen erforderliche Mangelhaftigkeit des Gutachtens im Sinn des § 127 Abs 3 StPO (vgl dazu RIS‑Justiz RS0102833; Hinterhofer, WK‑StPO § 127 Rz 16) wurde im Beweisantrag ebenso wenig behauptet, wie diesem ein Vorbringen dazu entnehmen war, auf welcher erweiterten Befundgrundlage Experten anderer Fachgebiete in der Lage sein sollten, die im Antrag aufgeworfenen Fragen verlässlich zu beantworten, weshalb also die gewünschte Beweisaufnahme das

behauptete Ergebnis habe

erwarten lassen. Solcherart war das Begehren auf im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 sowie erneut RIS‑Justiz RS0102833) und verfiel mit Recht der Abweisung.

Indem die Mängelrüge Urteilsannahmen zu den Schuldsprüchen I/A, I/B, I/E, II, III und IV sowie einzelne Passagen der diesbezüglichen Begründung aus dem Urteil wörtlich wiedergibt und daran pauschal den substratlosen Vorwurf knüpft, es handle sich dabei um bloße „Scheinbegründungen“, „nicht … auf konkrete Verfahrensergebnisse gestützte ... rein willkürliche Annahmen des Erstgerichts“ und „unstatthafte Vermutungen zu Lasten des Angeklagten“ (Z 5 vierter Fall),

orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der

Gesamtheit der Entscheidungsgründe

(RIS‑Justiz RS0119370) und legt zudem nicht dar, weshalb die zitierten Erwägungen der Tatrichter Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen

widersprechen sollten (RIS‑Justiz RS0099413, RS0116732).

Diese stützten die entscheidungswesentlichen Konstatierungen in

ihrer ‑ auf jeden einzelnen Schuldspruchpunkt bezogenen ‑ detaillierten und sorgfältigen Beweiswürdigung im Übrigen auf die für glaubwürdig erachteten Aussagen einer Reihe von Zeugen sowie eine Vielzahl weiterer Verfahrensergebnisse und legten ausführlich dar, aus welchen Gründen sie der großteils leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers nicht zu folgen vermochten (US 16 bis 35), was unter dem Aspekt der

Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist.

Mit dem Einwand, die (unter anderem) zur Fundierung der Urteilsannahmen zum Schuldspruch I/A/1 herangezogenen Ausführungen des Sachverständigen seien „nicht konkret“, wird bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.

Die weiters kritisierte wortgleiche Übernahme von Passagen aus der Begründung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft stellt keinen Begründungsmangel dar.

Mit dem Hinweis auf zwei isoliert und teilweise aktenwidrig zitierte Passagen aus der Aussage des Zeugen Andreas Ed***** und eine im Akt erliegende „Gutschrift“ der T***** GmbH vom 30. April 2013 (II/B) gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu den Schuldsprüchen I/A/1, II und IV zu wecken.

Inwiefern nämlich die Bekundung des genannten Zeugen, er sei manchmal bei Materiallieferungen durch den Angeklagten anwesend gewesen, worunter sich auch angeblich von der T‑***** stammende Hardware befunden habe (ON 74 S 63), die ‑ den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend begründete (US 17 ff) ‑ Urteilsannahme, nach denen der Beschwerdeführer jedenfalls mit den vom Schuldspruch I/A/1 umfassten Beträgen keinen Elektronikschrott von diesem Unternehmen angekauft, das Geld vielmehr für sich verwendet habe (US 8 f), „grob unvernünftig“ erscheinen lassen sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Im Übrigen übergeht die Beschwerde, dass der Angeklagte selbst eingestand, die zum Nachweis der getätigten Einkäufe vorgelegten Rechnungen gefälscht zu haben und sich zuletzt damit verantwortete, die betreffende Ware stamme tatsächlich von der Te***** (US 17; ON 73 S 13).

Dass mit den von der T***** GmbH ausgestellten, als „Gutschriften“ titulierten Belegen (mit einer, vom Freispruch umfassten Ausnahme; vgl US 5, 15 f; 33 iVm Punkt II/K der Anklageschrift, ON 56 S 4) damit korrespondierende Barzahlungen dokumentiert wurden, haben die Tatrichter auf Basis der Verantwortung des Beschwerdeführers und damit übereinstimmender Verfahrensergebnisse konstatiert (US 32 f).

Indem die Rüge aus einem Detail der Aussage des Zeugen Andreas Ed*****, wonach (richtig:) es „ohne Beleg nie ein Geld gegeben“ habe, „eher Beleg ohne Geld“ (ON 73 S 59) und der oben genannten „Gutschrift“ (ON 22 S 315) ableitet, der Angeklagte habe „nur“ Gutschriften und kein Bargeld erhalten, übt er erneut unzulässig bloß Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ ebenso wie die angemeldete (ON 78 S 20), im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich jedoch nicht vorgesehene

„Berufung wegen Schuld“ ‑ bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass zu einer amtswegigen Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) der in der rechtlich verfehlten Subsumtion des dem Schuldspruch III zugrunde liegenden Täterverhaltens (auch) nach Abs 1 des § 223 StGB (vgl dazu Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 223 Rz 255; RIS-Justiz RS0095597) gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) keine Veranlassung bestand, weil unrichtige

Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 StPO konkret benachteiligt (Ratz, WK‑StPO§ 290 Rz 22 ff) und das Oberlandesgericht diesen Umstand aufgrund der Klarstellung ‑ ohne

Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung ‑ bei der Entscheidung über die gegen den Sanktionsausspruch erhobene Berufung zu berücksichtigen hat (RIS-Justiz RS0118870).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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