OGH 15Os156/15b

OGH15Os156/15b9.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Bekim H***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Bekim H***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 22. Juli 2015, GZ 621 Hv 2/15i‑211, sowie über die Beschwerde des genannten Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00156.15B.1209.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Bekim H***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑ Bekim H***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und § 15 StGB (I./), sowie der Vergehen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 FPG (II./) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III./A./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ (zusammengefasst) von 21. Oktober bis 1. Dezember 2014 in S***** und andernorts teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern und teils alleine im Urteil konkretisierte fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert anderen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Diebstähle durch Einbruch in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

II./ am 26. Dezember 2014 in Sc***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Bashkim B***** die rechtswidrige Einreise eines Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem sie den kosovarischen Staatsangehörigen Petrit J***** gegen ein Entgelt von 500 Euro von Ungarn nach Österreich chauffierten;

III./ am 29. oder 30. Oktober 2014 in B***** Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich 13 Typenscheine und eine Probefahrtkennzeichen‑ bescheinigung mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis rechtserheblicher Tatsachen gebraucht werden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Eine aus Z 3 beachtliche Verletzung des § 252 Abs 1 Z 1 StPO durch Verlesung der Angaben des Zeugen Petrit J***** vor der Polizei auf Grundlage einer negativen Meldeauskunft und ohne vorangegangene Erhebungen zu seinem Aufenthaltsort liegt schon deshalb nicht vor, weil nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung der gesamte Akteninhalt „gemäß § 252 Abs 2a StPO“ ‑ daher mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten (vgl 15 Os 158/11s; Kirchbacher , WK‑StPO § 252 Rz 141) ‑ vorgetragen wurde (ON 210 S 31), womit implizit auch das Einverständnis (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) zum Vorkommen der vom Vortrag umfassten Aktenstücke in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) gegeben wurde (RIS‑Justiz RS0127712).

Mit der Behauptung, dem Angeklagten sei nach Verlesung der Zeugenaussage nicht die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben worden, wird Nichtigkeit nicht aufgezeigt (vgl § 252 Abs 3 und 4 StPO).

Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet, der Angeklagte habe „den Beweisantrag auf Einvernahme der Zeugin Vera M***** gestellt“, den das Erstgericht „unerledigt gelassen“ habe, während durch die Aufnahme dieses Beweises „die im Beweisantrag dargestellten relevanten Tatsachen erwiesen worden“ wären. Damit scheitert sie schon daran, dass es bei umfangreichem Aktenmaterial zur prozessförmigen Ausführung der Rüge der genauen Angabe der Fundstelle des kritisierten Vorgangs, der Antragstellung oder des Widerspruchs bedarf (vgl RIS‑Justiz RS0124172).

Dass im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 270 Abs 2 Z 4 iVm § 260 Abs 1 Z 1 StPO) einleitend und zusammenfassend die Wegnahme fremder beweglicher Sachen „in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert“ angeführt wird und zu den einzelnen Taten stets unter 3.000 Euro liegende Wertbeträge aufgezählt werden, ist weder nach den Regeln der Logik widersprüchlich, noch würde mit bloßen Widersprüchen im Referat ein Begründungsmangel zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0119089).

Warum die Feststellungen zur Wegnahme von Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert (US 11) undeutlich (vgl dazu RIS‑Justiz RS0089983) sein sollen, macht die Rüge mit der Behauptung, es wäre „insgesamt eine konkrete Wertfeststellung möglich und notwendig gewesen“, nicht klar.

Indem die Beschwerde einwendet, das Erstgericht habe „den Schuldspruch ausschließlich auf einige wenige Verfahrensergebnisse bzw hinsichtlich der Schlepperei einzig und allein auf die Aussage eines einzigen Belastungszeugen“ gestützt und „andere Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen“, zeigt sie keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) auf (RIS‑Justiz RS0118316), sondern übt ‑ in dieser Form unzulässig ‑ Beweiswürdigungskritik.

Mit den Angaben der Zeugin Caroline Bi***** hat sich das Erstgericht ‑ der Rüge zuwider ‑ befasst (US 15).

Warum das Schöffengericht zu I./ trotz Annahme der Mittäterschaft (vgl dazu RIS‑Justiz RS0090006 und Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 26) feststellen hätte müssen, „welche Tathandlung bzw welchen Tatbeitrag der Angeklagte geleistet habe“, legt die Beschwerde (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 9 lit a) nicht dar (RIS‑Justiz RS0116565).

Die Konstatierungen zu einem zumindest bedingten Vorsatz auf den Gesamtwert der Beute (I./) haben die Tatrichter nicht bloß aus einer „allgemeinen Unterstellung eines möglichen Verhaltens oder einer inneren Einstellung üblicher Täter (Einbrecher)“ abgeleitet, sondern sie haben das Argument, dass „Einbrecher regelmäßig Beute im höchstmöglichen Ausmaß anstreben und nichts unversucht lassen, um zB Tresore zu öffnen, in denen sich erfahrungsgemäß wertvolle Gegenstände oder Bargeld befinden“ im Zusammenhang mit der Begründung verwendet, dass sich die Feststellungen zur subjektiven Tatseite „zwingend aus einer lebensnahen Betrachtung des objektiven Sachverhalts“ ergeben würden (US 15).

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht die Verantwortung des abgesondert verfolgten Kristof G***** berücksichtigt (US 9, 16 f), diese jedoch erkennbar hinsichtlich der dem Schuldspruch des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Vorwürfe ‑ anders als hinsichtlich jener, die zu Freisprüchen führten ‑ als widerlegt erachtet, und war dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verhalten, sich mit dem von der Rüge reklamierten Detail seiner Aussage auseinanderzusetzen, wonach der Beschwerdeführer bei keinem einzigen Einbruchsdiebstahl dabei gewesen sei und er ihn nicht kenne (RIS-Justiz RS0106642).

Mit den Angaben des Zeugen Bashkim B***** hat sich das Erstgericht ‑ entgegen der Rüge ‑ auseinandergesetzt (US 17 f), seine Angaben in der Hauptverhandlung jedoch als „völlig unglaubhaft und erkennbar vom Bemühen des Zeugen getragen, dem Angeklagten H***** in dessen Prozess nicht zu schaden“ verworfen (US 17 f).

Soweit der Beschwerdeführer zu II./ kritisiert, das Erstgericht habe Ermittlungen über die Angemessenheit des Entgelts „im Sinn der üblichen Kosten einer Taxifahrt“ unterlassen (der Sache nach Z 5a), legt er nicht dar, wodurch er an geeigneter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0115823).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt einerseits mit dem ‑ die unterschiedlichen Anfechtungsrichtungen verkennenden ‑ Verweis auf die Ausführungen zur Mängelrüge und andererseits mit der Kritik, das Erstgericht sei weder auf die entlastenden Angaben der angeblichen Mittäter noch auf die Aussage des Angeklagten eingegangen, eine Jacke mit angeblich seinen DNA‑Spuren niemals getragen zu haben, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte