OGH 8Ob118/15h

OGH8Ob118/15h25.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Insolvenzeröffnungssache des Antragstellers Univ.‑Prof. DDr. C***** K*****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G***** GmbH, *****, vertreten durch die Gesamtgeschäftsführer Univ.‑Prof. DDr. C***** K***** und Mag. C***** S*****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 15. September 2015, GZ 3 R 132/15d‑11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 3. August 2015, GZ 25 S 64/15x‑2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00118.15H.1125.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Schuldnerin ist eine GesmbH, die vom Antragsteller und einem zweiten kollektiv zeichnungsberechtigten Geschäftsführer gemeinsam vertreten wird.

Am 8. 7. 2015 beantragte der Antragsteller allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft, diese sei überschuldet und zahlungsunfähig. Zur Deckung der voraussichtlichen Anlaufkosten des Verfahrens erlegte der Antragsteller einen Kostenvorschuss.

Der zweite kollektiv zeichnungsberechtigte Geschäftsführer der Schuldnerin widersprach dem Antragsvorbringen und bestritt das Vorliegen eines Insolvenztatbestands.

Beide Geschäftsführer unterzeichneten je ein Vermögensverzeichnis, in dem sie den Bestand und die Fälligkeit diverser Verbindlichkeiten der Schuldnerin erheblich unterschiedlich bewerteten. Eine Einigkeit war nicht zu erzielen.

Das Erstgericht eröffnete mit Beschluss vom 3. 8. 2015 das Konkursverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Ausgehend von den vorgelegten Vermögensverzeichnissen sei die Gesellschaft überschuldet und zahlungsunfähig. Die vom widersprechenden Geschäftsführer dagegen vorgetragenen Argumente seien nicht geeignet, diese Beurteilung zu entkräften.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des widersprechenden Geschäftsführers Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens abwies.

Grundsätzlich sei der Konkurs über Antrag eines Schuldners sofort zu eröffnen. Werde der Insolvenzantrag aber nur von einem kollektiv vertretungsberechtigten Geschäftsführer einer Schuldnergesellschaft gegen den Widerstand der weiteren Geschäftsführer gestellt und misslinge das Bilden einer einheitlichen Meinung der organschaftlichen Vertreter über das Vorliegen der Insolvenzvoraussetzungen, müssten diese vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.

Die Schuldnerin sei eine reine Beteiligungsgesellschaft und Teil eines komplizierten Unternehmensgeflechts, in dem zwei Investorengruppen mit divergierenden Interessen seit geraumer Zeit um ihren Einfluss ringen würden. Die Schuldnerin habe nur einen einzigen nicht zu diesem Unternehmensgeflecht zählenden Gläubiger, dessen Forderung noch Gegenstand eines anhängigen Gerichtsverfahrens sei. Nach eingehender Analyse des wechselseitigen Vorbringens gelange das Rekursgericht zu dem Ergebnis, dass Bestand und Fälligkeit der übrigen Forderungen, deren Gläubiger zum selben Konzern gehörten, nicht hinreichend glaubhaft gemacht wurden. Es könne nicht Sache des Insolvenzeröffnungsverfahrens sein, strittige Tat- und Rechtsfragen in einem komplexen Unternehmensgeflecht von Amts wegen endgültig zu klären. Der Versuch, die Klärung solcher Fragen in das Insolvenzverfahren zu verlagern, um den Prozessweg zu umgehen und vielleicht eine interne Pattstellung zu beenden, käme einem Missbrauch des Antragsrechts gleich.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil ‑ soweit überblickbar - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Umfang der Prüfpflicht des Insolvenzgerichts bei divergierenden Angaben kollektiv vertretungsberechtigter Geschäftsführer in der beschriebenen Situation bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, der die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Der Umstand, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer ganz speziellen Fallgestaltung fehlt, bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung auch von der Lösung einer über den Einzelfall hinaus erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS‑Justiz RS0102181).

1. Gemäß § 69 Abs 3 IO trifft die Verpflichtung nach Abs 2 leg cit, bei Vorliegen der Voraussetzungen unverzüglich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, natürliche Personen, die unbeschränkt haftenden Gesellschafter und Liquidatoren einer eingetragenen Personengesellschaft und die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen. Geht der Antrag nicht von allen antragspflichtigen Personen aus, dann sind gemäß § 69 Abs 4 IO die übrigen über den Antrag zu vernehmen.

Die zwingende Anhörung gibt diesen Personen die Gelegenheit zur Darlegung, ob bzw warum sie glauben, dass kein Insolvenzgrund vorliegt; dadurch sollen „Winkelzüge“ einzelner Schuldnervertreter verhindert werden ( Dellinger in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 61).

2. Ist ein Einverständnis nicht zu erzielen, dann ist das Insolvenzverfahren nach § 69 Abs 4 IO ‑ so wie über einen Gläubigerantrag nach § 70 Abs 1 IO ‑ nur dann zu eröffnen, wenn die Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung vom Antragsteller glaubhaft gemacht wird.

3. Im Rechtsmittelverfahren ist für die Glaubhaftmachung die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RIS‑Justiz RS0065013; vgl 5 Ob 321/85; 8 Ob 23/95). Entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers war das Rekursgericht nicht allein auf die im angefochtenen erstinstanzlichen Beschluss verwerteten Verfahrensergebnisse beschränkt und auch berechtigt, die vorgelegten Bescheinigungsmittel anders als das Erstgericht auszulegen (8 Ob 282/01g).

4. Als Mittel zur Glaubhaftmachung von tatsächlichen Umständen kommen nach § 274 ZPO iVm § 252 IO alle sofort ausführbaren Beweismittel, mit Ausnahme der eidlichen Parteienvernehmung, in Frage. Das Gericht hat im Bescheinigungsverfahren ohne Bindung an ein förmliches kontradiktorisches Verfahren zu entscheiden (vgl 6 Ob 650/93 [verst Senat]; 8 Ob 282/01f mwN; 8 Ob 18/12y; RIS‑Justiz RS0012391).

Das Insolvenzeröffnungsverfahren ist daher summarisch und besonders rasch durchzuführen (§§ 69 Abs 1 und Abs 4, 70 Abs 1 IO; 8 Ob 18/12y). Es ist bei der Prüfung der Voraussetzungen keine abschließende Entscheidung über Bestand und Fälligkeit behaupteter Insolvenzforderungen zu treffen, sondern nur zu beurteilen, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass sie zu Recht bestehen und vom Schuldner bei Fälligkeit nicht bezahlt werden können.

An die Bescheinigung nicht titulierter Forderungen bzw Verbindlichkeiten, wie sie im vorliegenden Verfahren in erster Linie behauptet werden, ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Es muss sichergestellt sein, dass der Schuldner nicht nur aufgrund von Behauptungen oder Handlungen, mit denen in Wahrheit sachfremde Anliegen verfolgt werden, in den Konkurs getrieben wird (vgl 8 Ob 282/01f; 8 Ob 291/01d; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , Insolvenzrecht 4 § 70 KO Rz 27).

Gelingt es dem Antragsgegner im Laufe des Eröffnungsverfahrens, durch seine Bestreitung und durch die Vorlage von Gegenbescheinigungen solche Zweifel am Bestand der Forderungen zu wecken, dass eine Klärung umfangreiche Beweisaufnahmen und die Entscheidung von schwierigen Rechtsfragen erfordert, ist die Anspruchsbescheinigung misslungen (8 Ob 282/01f; 8 Ob 18/12y).

5. Die sorgfältig begründete Entscheidung des Rekursgerichts folgt diesen in ständiger Rechtsprechung vertretenen Verfahrensgrundsätzen, eine korrekturbedürftige krasse Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

Ob bestimmte Tatsachen glaubhaft gemacht werden konnten, ist eine Frage der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung.

6. Ein mangels ausreichender Glaubhaftmachung der Voraussetzungen abgewiesener Eröffnungsantrag kann mit verbesserter Bescheinigung jederzeit neu gestellt werden. Der Hinderungsgrund der entschiedenen Rechtssache besteht insoweit nicht, als ein Insolvenzantrag immer nach den Verhältnissen bei seiner Einbringung zu beurteilen ist (8 Ob 18/12y).

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