OGH 5Ob218/15t

OGH5Ob218/15t23.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Wirtschaftskammer Wien, 1010 Wien, Stubenring 8‑10, vertreten durch Winkler Reich‑Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dr. Margarethe H*****, 2. Rudolf S*****, beide vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 9 Abs 1 iVm § 37 Abs 1 Z 6 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Juni 2015, GZ 39 R 124/15x‑22, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 21. Jänner 2015, GZ 17 Msch 17/14f‑15, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00218.15T.1123.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 410,83 EUR (darin enthalten 68,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Klärung der Frage zu, ob im Verfahren über ein Beseitigungsbegehren des Vermieters nach § 9 MRG dessen Duldungspflicht vom Mieter ausdrücklich einzuwenden oder bereits bei bloßer Bestreitung des Begehrens zu prüfen sei.

Der Revisionsrekurs der Antragsgegner ist entgegen diesem nach § 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Vermieter kann nach § 9 Abs 1 Satz 3 MRG bei Vorliegen der in Z 1 bis 7 dargelegten Voraussetzungen seine Zustimmung zu einer beabsichtigten Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands durch den Hauptmieter nicht verweigern. Begehrt der Vermieter die Beseitigung einer ihm nicht angezeigten und ohne seine Zustimmung erfolgten Änderung, müssen Einwendungen zur Duldungspflicht des Vermieters geprüft werden (5 Ob 179/00k; RIS‑Justiz RS0113970).

2. Im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren ist die Amtswegigkeit nach der ständigen Rechtsprechung eingeschränkt. Die Parteien trifft eine qualifizierte Behauptungspflicht (RIS‑Justiz RS0083783; RS0029344; RS0070480; RS0069653).

3. In einem Verfahren nach § 9 Abs 1 iVm § 37 Abs 1 Z 6 MRG hat nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Mieter die positiven Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Satz 3 Z 1 bis 4, hingegen der Vermieter die negativen Voraussetzungen der Z 5 bis 7 zu behaupten (RIS‑Justiz RS0069725 [T1]).

4. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Vermieterin die Beseitigung des Durchbruchs zwischen dem Bestandobjekt der Erstantragsgegnerin (Top 51 + 52) zu jenem des Zweitantragsgegners (Top 35). Die Hauptmieter brachten zur Notwendigkeit des Durchbruchs vor, dass die Wohnung Top 35 aufgrund der fehlenden Küche allein nicht bestehen könne und durch die Verbindung ein Anschluss des anderen Bestandobjekts an das Stiegenhaus zum Lift erfolge. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie damit ihrer Behauptungslast nachgekommen sind. Die Duldungsverpflichtung des Mieters besteht nämlich nur dann, wenn sämtliche positive und negative Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Satz 3 Z 1 bis 7 MRG gegeben sind (RIS‑Justiz RS0069551 [T1]; RS0069662).

5. Nach § 9 Abs 1 Satz 3 Z 5 MRG darf durch die Veränderung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder eines anderen Mieters zu besorgen sein. Die Verbindung zweier, von verschiedenen Personen gemieteter Bestandobjekte, die mit der gemeinsamen Benützung der (einzigen) Küche in Top 51 + 52 verbunden ist sowie einen Zugang zum Lift über das in einem anderen Stiegenhaus gelegene Bestandobjekt Top 35 ermöglicht, ist im Sinn der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schon aufgrund der rechtlichen Problematik durch eine allenfalls „aufgezwungene“ Mietergemeinschaft (5 Ob 156/00b) geeignet, schutzwürdige Interessen der Vermieterin zu beeinträchtigen. Die Duldungspflicht des Vermieters ist immer nur anhand der im konkreten Einzelfall beabsichtigten Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung zu prüfen (RIS‑Justiz RS0113606). Das vom Rekursgericht erzielte Ergebnis, dass das Wiederherstellungsbegehren mangels Duldungspflicht der Vermieterin berechtigt ist, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Billigkeitserwägungen rechtfertigen den Zuspruch von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung, in der die Antragstellerin auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat. Die Bemessungsgrundlage beträgt nach § 10 Z 3 lit a sublit aa RATG jedoch nur 2.000 EUR.

Stichworte