European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0210OS00003.15X.1109.000
Spruch:
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folge gegeben und über Dr. ***** unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 25. September 2014, GZ HAUSPE/D‑13‑950.466‑25, eine Zusatzgeldbuße von 1.000 Euro verhängt.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er in seinem Schreiben vom 27. Mai 2013 an Rechtsanwalt Dr. Thomas H***** den Vorwurf erhoben hatte, es bestehe der Verdacht, dass der Geschäftsstellenleiter der R*****, Gerhard M*****, an dem Versuch strafbarer Handlungen des Herbert P***** als Mittäter beteiligt sei, sowie die Androhung erhoben hatte, „jedoch müsse die Überweisung bis morgen durchgeführt werden, widrigenfalls er beauftragt sei, unverzüglich und ohne weitere Verständigung nunmehr vorerst Strafanzeige gegen Herrn Herbert P***** und Herrn Gerhard M***** bei der Staatsanwaltschaft Salzburg und eine Anzeige bei der FMA in Wien über das 'Treiben' der Mandantschaft des RA Dr. Thomas H***** einzubringen und auch die Sicherstellung aller elektronischen und papiermäßigen Unterlagen, Gesprächsnotizen, E‑Mails sowie Bankdaten zu beantragen“, ohne den Sachverhalt sorgfältig überprüft zu haben.
Er wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Disziplinarbeschuldigten dagegen wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO) und Schuld (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) erhobenen Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Die Verfahrensrüge (Z 4) rekurriert auf den abgewiesenen (ON 25 S 7), durch Verweis auf den Schriftsatz vom 9. April 2015 (ON 24) gestellten Antrag des Disziplinarbeschuldigten (ON 25 S 7) auf Vernehmung der Zeugen Christian Ho*****, Mihai L***** und Paul V***** zum Beweis der Richtigkeit des im inkriminierten Schreiben sowie in weiteren solchen vom 20. August 2013 und 9. April 2015 dargestellten Sachverhalts (ON 24 S 3) und bemängelt weiters das Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Gerhard M*****.
Hinsichtlich des Letztgenannten scheitert die Rüge an einer fehlenden Antragstellung in der Disziplinarverhandlung und bezüglich der weiteren Schreiben daran, dass diese nicht Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens sind.
Wenn im Hinblick auf die begehrte Vernehmung des Zeugen M***** auf die Verpflichtung zu amtswegiger Wahrheitsforschung verwiesen wird, macht der Disziplinarbeschuldigte nicht deutlich, wodurch er an der Ausübung seines Rechts, diese Beweisaufnahme in der Disziplinarverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war.
Christian Ho***** war Geschäftsführer des rumänischen Unternehmens S***** SRL, welches vom Disziplinarbeschuldigten vertreten wurde (Erkenntnisseite 3 dritter Absatz). Der sinngemäß zu beweisende Umstand, nämlich der Informationsfluss vom Zeugen Ho***** an den Berufungswerber über angebliche Malversationen im Bereich der R*****, wurde vom Disziplinarrat ohnehin festgestellt (ES 7 zweiter Absatz, 9 erster Absatz), sodass die Abweisung dieses Beweisantrags keine Nichtigkeit bewirkte. Im Bezug auf den Masseverwalter des seit 21. Juni 2013 insolventen (ES 3 zweiter Absatz) genannten Unternehmens, Avocat Mihai L*****, und den Firmenanwalt dieses Unternehmens Avocat Paul V***** erklärt der Antrag nicht, welche konkreten, erheblichen Wahrnehmungen diese Zeugen betreffend die inkriminierte Tat vom 27. Mai 2013 hätten bekunden können.
Auch hinsichtlich jener Informationen, die dem Disziplinarbeschuldigten vom beantragten Zeugen V***** zugekommen waren, folgte der Disziplinarrat ohnehin den Angaben des Berufungswerbers (ES 9 erster Absatz).
Mangels Erheblichkeit der beantragten Beweise für die Lösung der Schuld‑ oder Subsumtionsfrage konnte deren Durchführung ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Auf die in der Berufung enthaltenen ‑ unzulässigen ‑ Nachträge zur Antragsfundierung einzugehen, erübrigt sich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).
Die Mängelrüge (Z 5, der Sache nach vierter Fall) kritisiert ‑ sinngemäß zusammengefasst ‑ es sei widersprüchlich, dass der Disziplinarrat zum einen keine Feststellungen über gewisse bankinterne Vorgänge trifft (ES 6 letzter Absatz f), zum anderen aber dem Disziplinarbeschuldigten vorwirft, vor der Verfassung des inkriminierten Schreibens vom 27. Mai 2013 über keine konkreten Informationen über strafbare Handlungen im Bereich der R***** verfügt zu haben (ES 7 dritter Absatz).
Ein Begründungsdefizit in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes liegt jedoch nicht vor, weil der Disziplinarrat aufgrund des Inhalts des Schreibens vom 27. Mai 2013 zur Überzeugung gelangte, es sei dem Berufungswerber gar nicht darum gegangen, allfällige weitere unzulässige Überweisungen der Bank an Herbert P***** zu unterbinden, sondern darum, die Bank zur Durchführung der von ihm gewünschten Überweisungen zu veranlassen (ES 7 letzter Absatz).
Das Beweisverfahren ergab keinen Hinweis auf eine Involvierung des Geschäftsstellenleiters der R*****, Gerhard M*****, in allfällige Verfehlungen des Herbert P***** (ES 10). Damit wird die Feststellung, der Disziplinarbeschuldigte habe keine ausreichenden Anhaltspunkte für seine Anschuldigungen gegen Gerhard M***** gehabt (ES 7 dritter Absatz), logisch und empirisch nachvollziehbar begründet.
Im Übrigen hat der Disziplinarbeschuldigte ‑ wie inhaltlich zur Berufung wegen Schuld ausgeführt wird ‑ selbst eingestanden, Detailprüfungen in Bezug auf allfällige Malversationen M*****s nicht vorgenommen zu haben (ON 25 S 5). Mit dem Hinweis auf eine freundschaftliche Verbindung zwischen M***** und P***** (aaO S 6) wird der schwerwiegende Vorwurf kollusiven strafrechtlich relevanten Verhaltens keineswegs untermauert. Welch massiver Druck mit den inkriminierten Schreiben ausgeübt werden sollte, erhellt aus der äußerst kurzen Fristsetzung in Bezug auf die Erstattung einer Strafanzeige und einer Meldung an die Finanzmarktaufsicht, welche im Übrigen im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Erkenntnisses noch nicht vorgenommen worden waren.
Auch in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird in unzulässiger Weise der ‑ wie schon ausgeführt logisch und empirisch einwandfreien ‑ Beweiswürdigung des Disziplinarrats eine eigene Beurteilung der Beweisergebnisse gegenüber gestellt. Die lapidare Behauptung, dem Erkenntnis liege eine unrichtige Rechtsansicht zugrunde, lässt eine an den Erkenntnistatsachen (insbesondere ES 7 dritter Absatz) orientierte Ableitung aus dem Disziplinarrecht vermissen, weshalb der Berufungswerber nicht gegen § 9 RAO sowie gegen § 2 RL‑BA verstoßen haben soll.
Die Drohung mit einer Strafanzeige ist nämlich disziplinarrechtlich nur dann zulässig, wenn ein Rechtsanwalt nach sorgfältiger Prüfung zur Überzeugung gelangt, dass der Anspruch durchsetzbar und das Verhalten des Gegners strafgesetzwidrig ist (RIS‑Justiz RS0056214 [T5]; vgl zum Ganzen Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Rz 15, § 2 RL‑BA Rz 2).
Ein Rechtsanwalt hat mit besonderer Sorgfalt auf die Richtigkeit seiner Erklärungen zu achten. Bereits fahrlässige, unrichtige Formulierungen verletzen die Berufspflicht und beeinträchtigen Ehre oder Ansehen des Standes (RIS‑Justiz RS0120395). Dies gilt schon allein für die Androhung, bezüglich des „Treibens“ des Geldinstituts Anzeige zu erstatten.
Hingegen kommt der Strafberufung im Ergebnis Berechtigung zu:
Hatte der Disziplinarrat noch weder Erschwerungs‑ noch Milderungsumstände gefunden, so war nun zu berücksichtigen, dass die hier abgeurteilte Tat vor der letzten Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten durch den Disziplinarrat der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 25. September 2014, GZ HAUSPE/D‑13‑950.466‑25, rechtskräftig am heutigen Tag (21 Os 1/14f), gesetzt wurde. Demnach liegen insoweit die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt vor. Auf diese, eine Geldbuße von 400 Euro festsetzende Vorstrafe war daher Bedacht zu nehmen.
Berücksichtigt man den Milderungsumstand der bisherigen disziplinären Unbescholtenheit und den Erschwerungsgrund des Zusammentreffens zweier, jeweils mehrfach qualifizierter Disziplinarvergehen (im Hinblick auf das „Bedachtnahmefaktum“), so erweist sich auch unter Berücksichtigung der Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten eine Zusatzgeldbuße in der Höhe von 1.000 Euro als dem Unrechtsgehalt der Taten und dessen Schuld angemessen, zumal ihm nach der Aktenlage zugute zu halten ist, dass er überzeugt war, dass seinem Klienten „übel mitgespielt“ wurde und er (zumal unter Zeitdruck) Schaden von diesem abwehren wollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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