OGH 22Os6/15w

OGH22Os6/15w9.11.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mascher und Dr. Waizer sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 20. November 2014, AZ D 14‑07, 3 DV 14‑14, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, und des Verteidigers Dr. Reiter zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0220OS00006.15W.1109.000

 

Spruch:

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen Strafe Folge gegeben und die Geldbuße auf 1.000 Euro herabgesetzt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Dr. ***** schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, dass er in Vertretung des Anton M***** als Verfahrenshelfer im Verfahren AZ 6 Cg 132/12s des Landesgerichts Innsbruck

a) am 3. Dezember 2012 einen unbedingten Vergleich über eine Summe von 25.000 Euro bei gegenseitiger Kostenaufhebung in diesem Verfahren abschloss und nach Erhalt dieses Betrags entgegen einer mit Anton M***** getroffenen Honorarvereinbarung von 2.000 Euro einen Kostenbetrag von 2.400 Euro einbehielt;

b) den Differenzbetrag von 400 Euro trotz Bestreitung der Berechtigung zur Verrechnung durch Anton M***** weder an diesen ausfolgte noch gemäß § 19 Abs 3 RAO bei Gericht hinterlegte.

Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür gemäß § 16 Abs 2 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Der Disziplinarbeschuldigte bekämpft die Schuldsprüche mit einer Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) Schuld und Strafe (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]).

Die im Rahmen der Berufung wegen Schuld vorgetragene Argumentation, dass die Verfahrenshilfe genießende Partei aufgrund des erzielten Ergebnisses im Verfahren AZ 6 Cg 132/12s des Landesgerichts Innsbruck „jedenfalls“ mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck zur Nachzahlung der Kosten (gemeint: iSd § 71 Abs 1 ZPO) zu verpflichten gewesen wäre, basiert auf aktenfremden Prämissen. Entgegen dieser Argumentation hat nämlich das Landesgericht Innsbruck nach Prüfung der Voraussetzungen für eine Beschlussfassung iSd § 71 Abs 1 ZPO mit dem als Beilage zu ON 23 im Akt befindlichen Schreiben vom 5. Februar 2013 mitgeteilt, dass die Beträge, von deren Berichtigung der Kläger im Verfahren AZ 6 Cg 132/12s des Landesgerichts Innsbruck durch die Verfahrenshilfebewilligung einstweilen befreit war, nicht rückgefordert werden.

Der Berufungswerber bringt im Rahmen der Schuldberufung weiter vor, dass er gegen den klagsstattgebenden Teil des in dem von Anton M***** gegen ihn zu AZ 5 Cg 27/14w des Landesgerichts Innsbruck erstinstanzlich ergangenen Urteils vom 17. September 2014, mit welchem der Disziplinarbeschuldigte zur Bezahlung von 2.400 Euro an Anton M***** verpflichtet wurde, Berufung an das Oberlandesgericht Innsbruck erhoben habe und die Berufungsentscheidung noch nicht vorliege. Eine solche betrifft allerdings mangels Bindungswirkung im Disziplinarverfahren keine hier entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0055728; Schmoller , WK‑StPO § 15 Rz 28).

Im Rahmen der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) trägt der Disziplinarbeschuldigte vor, er habe im Verfahren AZ 6 Cg 132/12s des Landesgerichts Innsbruck unter Berücksichtigung der Kostenfrage ein Prozessergebnis zu Gunsten seines Klienten erzielt. Hätte er die Kosten im Vergleichsbetrag ausweisen und sich diese von der Gegenseite ersetzen lassen, so wären jenem weniger als die ihm letztendlich zugegangenen 22.600 Euro zugekommen.

Dieses Vorbringen unterstellt einen von der Feststellung des Disziplinarrats abweichenden hypothetischen Kausalverlauf und ist somit eine nicht dem Gesetz entsprechende Ausführung der Rechtsrüge. Zudem übersieht der Disziplinarbeschuldigte, dass ihm nicht eine mangelhafte Prozessführung oder eine überhöhte Honorarverrechnung zum Vorwurf gemacht werden, sondern fehlende bzw unzureichende Aufklärung des Mandanten im Hinblick auf § 57 RL‑BA, wonach der Rechtsanwalt als bestellter Vertreter einer Partei in der Verfahrenshilfe eine Entlohnung nur verlangen kann, wenn und soweit entweder der unterlegene Gegner ihr Kosten ersetzt oder die Partei gemäß § 71 ZPO zur tarifmäßigen Entlohnung des Rechtsanwalts verpflichtet wird. Schon die fehlende bzw unzureichende Aufklärung des Mandanten betreffend die Bestimmung des § 57 RL‑BA stellt einen Verstoß gegen die in § 9 RAO verankerte anwaltliche Treuepflicht und somit eine disziplinarrechtlich zu ahndende Berufspflichtenverletzung dar (RIS‑Justiz RS0047275, RS0123765; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Rz 20, § 50 RL‑BA Rz 1).

Bleibt anzumerken, dass sich aus den Feststellungen des Disziplinarrats mit hinreichender Deutlichkeit (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 19) ergibt, dass dem Disziplinarbeschuldigten (kein vorsätzlicher, sondern) nur ein sorgfaltswidriger (arg: „schuldhaft“ [ES 6]) Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 57 bzw 16 und 17 RL‑BA zum Vorwurf gemacht wurde, wobei der hier anzuwendende Sorgfaltsmaßstab eine Rechtsfrage betrifft (vgl RIS‑Justiz RS0089407; Burgstaller in WK² StGB § 6 Rz 41 ff; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 572), der objektive Sorgfaltsverstoß grundsätzlich die subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert (RIS‑Justiz RS0088909; Burgstaller in WK² StGB § 6 Rz 91) und konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Disziplinarbeschuldigte den objektiven Sorgfalts-anforderungen nicht hätte nachkommen können, aus seiner Verantwortung (ON 22) gerade nicht abzuleiten sind.

Zu Punkt b) des Schuldspruchs lässt die Berufung nicht erkennen, wodurch sich der Disziplinarbeschuldigte beschwert erachtet. Nach den unbekämpften Feststellungen des Disziplinarrats hat sich Anton M***** vorerst nicht gegen den Einbehalt des aus seiner Sicht vereinbarten Honorarbetrags von 2.000 Euro beschwert, sondern lediglich darüber, dass der Disziplinarbeschuldigte einen weiteren Betrag von 400 Euro einbehalten hat. Der Disziplinarbeschuldigte wäre daher gemäß § 19 Abs 3 RAO, § 17 RL‑BA verpflichtet gewesen, den Betrag von 400 Euro entweder umgehend an seinen Mandanten zu überweisen oder bei Gericht zu hinterlegen. Der Verstoß gegen diese Bestimmung stellt nicht nur eine Berufspflichtenverletzung dar, sondern auch eine Verletzung von Ehre oder Ansehen des Standes, hat das Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten doch durch die in zwei Instanzen erfolgte Verfahrensführung hinreichende Publizitätswirkung entfaltet (RIS‑Justiz RS0055093, RS0054876 [T3]; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt , 859).

Zur Äußerung des Kammeranwalts sei noch ausgeführt, dass das zu b) angelastete, die Gebarung von Klientengeldern betreffende Fehlverhalten durch die zu a) inkriminierte Verletzung der anwaltlichen Aufklärungspflicht nicht mitabgegolten ist (vgl Ratz in WK² StGB Vor §§ 28‑31 Rz 27 und 57 ff).

Im Rahmen der Berufung wegen Strafe führt der Disziplinarbeschuldigte lediglich aus, dass sein Nettoeinkommen unter dem vom Disziplinarrat angenommenen, mangels gegenteiliger Behauptungen und Beweisergebnisse in Anlehnung an die vom ÖRAK veröffentliche Umfrage ermittelten durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 3.500 Euro liege.

Selbst bei Zutreffen dieses Vorbringens ist die auch mit Blick auf die vom Disziplinarrat zutreffend konstatierten Strafzumessungsgründe (erschwerend Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen, disziplinäre Vorverurteilung, kein Milderungsumstand) moderate Sanktion keiner weiteren Reduktion zugänglich, war doch ohnehin dem hier relativ geringen Schuldgehalt durch Herabsetzung der Geldbuße auf 1.000 Euro Rechnung zu tragen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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