OGH 9ObA105/15d

OGH9ObA105/15d28.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger, Dr. Günther Millner, Mag. Nicole Matl, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, wegen 30.128 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 7.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 18. Juni 2015, GZ 6 Ra 15/15w‑24, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 28. November 2014, GZ 36 Cga 115/14f‑17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00105.15D.1028.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien den mit 465 EUR bestimmten Aufwandersatz für das Berufungsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.137,99 EUR (darin 92,83 EUR USt und 681 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat den Beruf eines Tischlers mit Lehrabschlussprüfung erlernt. Er war von Mai 2007 bis September 2008 als Tischler, von April 2008 bis Dezember 2011 (von September 2008 bis September 2009 hauptberuflich) als Vermögensberater, und von September 2009 bis Jänner 2010 als Montagetischler tätig.

Ab 18. 1. 2010 war der Beklagte bei der Klägerin als Angestellter beschäftigt. Geschäftszweck der Klägerin ist die Überlassung von Arbeitskräften in mehreren österreichischen Bundesländern. Die Parteien vereinbarten im Dienstvertrag eine Konkurrenzklausel, welche vorsieht, dass für den Zeitraum eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Tätigkeit im Geschäftszweig und im Einzugsgebiet des Arbeitgebers (laut Dienstvertrag Wien und Niederösterreich) ausgeübt werden darf und bei Verstoß dagegen eine Konventionalstrafe in Höhe des 12‑fachen letzten Bruttomonatsentgelts inklusive Provisionen an den Arbeitgeber zu zahlen ist.

Der Beklagte war zunächst bis Dezember 2010 als Job‑Manager im Bereich „Neukundenakquise von Firmenkunden“, laufende Kunden‑ und Mitarbeiter-betreuungen, Preisverhandlungen mit Kunden, Bearbeitung von individuellen Personallösungen für Kunden, Mitarbeitersuche (Recruiting), Führung von Vorstellungsgesprächen, Kalkulation von Preisen, Angebotslegung sowie Erstellen von Auftragsbestätigungen, von Mitarbeiterprofilen für den Kunden, von Inseraten auf der Homepage und von Akquisitionslisten, Bonitätsüberwachung von Kunden, Akontozahlungen der Mitarbeiter, Vorbereitung der Lohnverrechnung, Organisation und Verbesserung der Arbeitsabläufe und Führung von Mitarbeitern tätig. Ab 1. 1. 2011 war er in einer neu aufgebauten Filiale der Klägerin als Filialleiter und Job‑Manager tätig.

Im Herbst 2013 lehnte der Geschäftsführer der Klägerin ein Ersuchen des Beklagten um Gehaltserhöhung ab und meinte, der Beklagte solle sich „etwas Anderes“ suchen, wenn es ihm bei der Klägerin nicht passe. Der Beklagte bewarb sich daraufhin am 15. 10. 2013 als Niederlassungsleiter bei seiner nunmehrigen Arbeitgeberin. Er wollte keine Verkaufstätigkeit mehr ausüben, weshalb er sich am 28. 10. 2013 auch ‑ allerdings erfolglos ‑ als Job‑Berater beim Arbeitsmarktservice bewarb. Als Tischler wollte der Beklagte nicht mehr arbeiten, weil er sich dies nicht mehr zutraute und die Verdienstaussichten als zu gering einschätzte.

Mit Schreiben vom 27. 2. 2014 kündigte der Beklagte schließlich seinen Arbeitsvertrag mit der Klägerin per 31. 3. 2014 auf. Er wurde aus diesem Anlass vom Geschäftsführer der Klägerin auf die Konkurrenzklausel aufmerksam gemacht.

Im letzten Monat seiner Beschäftigung bei der Klägerin bezog der Beklagte bei einem Grundgehalt von 2.100 EUR brutto insgesamt 3.586,72 EUR brutto (2.511,32 EUR netto). Zudem hatte er ein Firmenfahrzeug zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung.

Ab 1. 4. 2014 war der Beklagte als Arbeitnehmer seiner nunmehrigen Arbeitgeberin tätig. Diese ist ebenfalls im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung, und zwar sowohl in Österreich als auch im Ausland tätig. Der Arbeitsbereich des Beklagten umfasst hauptsächlich das Recruiting, also das Bewerbermanagement. Der Beklagte erhielt auch bei seiner neuen Arbeitgeberin ein Dienstfahrzeug und bezog von April bis Juni 2014 ein monatliches Bruttogehalt von 2.400 EUR und ab Juli 2014 von 2.600 EUR (unter Berücksichtigung des Dienstfahrzeugs: 1.509,47 EUR netto für Juli 2014).

Die Klägerin kooperiert mit ungefähr 30 bis 40 größeren Kunden in Form von Rahmenverträgen über den Abruf von Leiharbeitern. Gegenüber kleineren Kunden legt sie zunächst ein Angebot. Die Bedingungen werden dann bei Auftragserteilung genau vereinbart. Großkunden haben Rahmenvereinbarungen mit mehreren Personalverleih-unternehmen, sodass es in der Praxis vorkommt, dass diese sowohl mit der Klägerin, als auch mit der neuen Arbeitgeberin des Beklagten Rahmenvereinbarungen haben. Die Klägerin bleibt mit ausgeschiedenen Leiharbeitern grundsätzlich in Kontakt und wendet sich bei neuerlichem Bedarf auch an diese. Personen, die Einsicht in die Kundendateien der Klägerin haben, erlangen so Kenntnis über ihre Kalkulation bezüglich bestimmter Kunden, die Preisbildung und die Deckungsbeitragsrechnung. Der Beklagte hatte während seiner Beschäftigung bei der Klägerin Einsicht in sämtliche Kundendateien und Zugang zu diesen Informationen.

Grundsätzlich besteht für Unternehmen wie die Klägerin die Gefahr, dass der Kunde bei Zufriedenheit mit persönlichen Betreuern wie dem Beklagten mit diesem das Personalverleihunternehmen wechselt, wobei allerdings im gegenständlichen Fall ein derartiger Wechsel eines Kunden mit dem Beklagten zu seiner neuen Arbeitgeberin nicht erfolgt ist.

Der Beklagte, der keine Verbindlichkeiten und keine Sorgepflichten hat, ist ledig und lebt seit knapp zwei Jahren mit seiner Lebensgefährtin in deren Dienstwohnung. Sein Mietanteil beträgt inklusive Betriebskosten 290 EUR. Darüber hinaus hat er monatliche Ausgaben für Prämienzahlungen zweier Lebensversicherungen in Höhe von 90 EUR und 52 EUR, einer Rechtsschutzversicherung von 20,66 EUR und einer Unfallversicherung von 22,72 EUR. Am Wochenende lebt er regelmäßig im Haus seines Vaters in seinem Heimatort, wofür er einen Betriebskostenanteil von 80 EUR monatlich bezahlt. Für die Verpflegung benötigt er pro Monat etwa 400 EUR, für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio 19,90 EUR, für Telefonkosten 16 ‑ 20 EUR, für den Kirchenbeitrag 17 EUR sowie für Parkgebühren 50 EUR. Sein Girokonto weist einen Guthabensstand von 3.000 EUR auf.

Der Beklagte verwendete weder am 7. 1. 2014 noch sonst im Zeitraum seiner Beschäftigung bei der Klägerin eine seiner nunmehrigen Arbeitgeberin zuordenbare E‑Mail‑Adresse.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe von 30.128 EUR netto. Der Beklagte sei nach seiner Kündigung für ein anderes Dienstleistungsunternehmen im Bereich Personalleasing und daher im Geschäftszweig der Klägerin tätig geworden, sodass er gegen die vereinbarte Konkurrenzklausel verstoßen habe. Er habe sogar Mitarbeiter auf eine Baustelle vermittelt, die bislang von der Klägerin betreut wurde. Der Beklagte habe im Internet unter der Firma seiner nunmehrigen Arbeitgeberin nach Mitarbeitern gesucht und bereits im Jänner 2014 mit einem Kunden der Klägerin unter einer seiner nunmehrigen Arbeitgeberin zuordenbaren E‑Mail‑Adresse korrespondiert. Der Beklagte sei ein bestens ausgebildeter Mitarbeiter im Bereich der Kundenakquisition sowie der Kunden‑ und Personalbetreuung gewesen, sodass ihm die Bedeutung der Konkurrenzklausel bewusst sein habe müssen. Ausgehend von seinem letzten Bruttomindestbezug von 3.586,72 EUR errechne sich ein pauschaler Schadenersatz in Höhe von 43.040 EUR (dies entspreche 12 Bruttomonatsgehältern), von dem ein vorläufiger Mäßigungsbetrag von 12.912 EUR (30 %) abgezogen werde.

Der Beklagte wandte dagegen die Unwirksamkeit der vereinbarten Konkurrenzklausel ein und beantragte die Mäßigung der Konventionalstrafe auf Null. Er habe der Klägerin keinen Schaden zugefügt, habe ihr weder einen Beschäftiger noch eine überlassene Arbeitskraft abgeworben. Die Zahlung der begehrten Konventionalstrafe übersteige seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von ca 1.500 EUR netto habe er Fixkosten von mehr als 1.000 EUR. Er habe nicht zielstrebig auf einen Wechsel zu einem anderen Arbeitskräfteüberlasser hingearbeitet, sondern sich auch um einen anderen Arbeitsplatz bemüht. Die Bindungsdauer der vereinbarten Konventionalstrafe sei zu lang. Die Kundenbindung im Arbeitskräfteüberlassungsbereich sei sehr gering. Fast alle Unternehmen, die überlassene Arbeitskräfte beschäftigen, seien Kunden mehrerer Überlasser. Entscheidungskriterium der Kunden, die Dienste eines bestimmten Überlassers in Anspruch zu nehmen, sei nicht der persönliche Kontakt zu einem Betreuer, sondern die prompte Bereitstellung von Arbeitnehmern im Bedarfsfall.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von 3.000 EUR netto sA statt und wies das Mehrbegehren von 27.128 EUR netto ab. Im Umfang der Stattgebung der Klage erwuchs seine Entscheidung unangefochten in Teilrechtskraft. Das Erstgericht gelangte rechtlich zu dem Ergebnis, dass die Konkurrenzklausel zwischen den Parteien gemäß § 36 AngG und die Konventionalstrafe gemäß § 37 Abs 3 AngG wirksam vereinbart wurden. Die Konventionalstrafe unterliege aber gemäß § 38 AngG dem richterlichen Mäßigungsrecht, weil sie sich im vorliegenden Fall als übermäßig darstelle. Einen konkreten Schaden habe die Klägerin nicht behauptet, ein solcher stehe auch nicht fest. Die Klägerin habe auch nicht behauptet, dass ein konkreter Schaden leicht hätte eintreten können. Ein Ausnahmefall, der eine Herabsetzung der Konventionalstrafe auf Null rechtfertigen könnte, liege zwar nicht vor. Die Konventionalstrafe sei aber unter Berücksichtigung der Umstände, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten nicht beengt seien und dass eine konkurrenzierende Tätigkeit nur in einem Teilbereich vorliege, angemessen mit 3.000 EUR festzusetzen.

Das Berufungsgericht gab der nur von der Klägerin gegen den klageabweisenden Teil dieses Urteils erhobenen Berufung teilweise Folge. Es gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von 10.000 EUR netto sA statt und wies das Mehrbegehren von 20.128 EUR netto sA ab. Im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens erwuchs seine Entscheidung als unangefochten in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die vereinbarte Konventionalstrafe als übermäßig anzusehen sei und dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin keine Anhaltspunkte für einen tatsächlich erlittenen Schaden ergeben. Das erstmals im Berufungsverfahren dazu erstattete Vorbringen der Klägerin verstoße gegen das Neuerungsverbot. Es stehe aber auch nicht fest, dass durch die Verletzung der Konkurrenzklausel der Klägerin kein Schaden verursacht worden sei. Ein Nachteil für die Klägerin sei nicht auszuschließen; die nunmehr ausgeübte Tätigkeit des Beklagten könne einen Schaden für die Klägerin nach sich ziehen.

Sei die Höhe des tatsächlich beim früheren Arbeitgeber eingetretenen Schadens nicht erwiesen, führe dies nur dazu, dass die Schadenshöhe nicht als Mäßigungskriterium berücksichtigt werden könne. Bei Abwägung der Mäßigungskriterien im Rahmen eines beweglichen Systems sei im vorliegenden Fall jedoch von einem durchaus gravierenden Verstoß des Beklagten gegen die Konkurrenzklausel auszugehen. Der Beklagte habe Einsicht in sämtliche Kundendateien und Kalkulationsgrundlagen der Klägerin gehabt. Gerade der Transfer eines derartigen aktuellen Wissens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses solle durch die Vereinbarung einer Konkurrenzklausel verhindert werden. Im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass der Kunde bei persönlicher Zufriedenheit mit persönlichen Betreuern wie dem Beklagten mit diesen das Unternehmen wechsle. Der Beklagte habe sein Arbeitsverhältnis mit einer in direkter Konkurrenz zur Klägerin stehenden neuen Arbeitgeberin nahtlos aufgenommen und fülle dort zwar nicht in allen, aber doch in wesentlichen Bereichen ein identes Aufgabengebiet aus. Für ihn hätte es ‑ unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und des regional begrenzten Anwendungsbereichs der Konkurrenzklausel ‑ eine Reihe zulässiger und zumutbarer Optionen gegeben. Unter Bedachtnahme auf die Interessen beider Seiten und das Verschulden des Beklagten sei die Konventionalstrafe mit 10.000 EUR festzusetzen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, mit der er die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts anstrebt.

Die Klägerin beantragte in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zulässig. Sie ist auch berechtigt.

1. Im Revisionsverfahren ist nur die Frage der richterlichen Mäßigung der von der Klägerin begehrten Konventionalstrafe strittig und zu behandeln (§ 38 AngG). Eine Konventionalstrafe ist bei Übermäßigkeit nach dem Grundsatz der Billigkeit durch Mäßigung zu reduzieren. Übermäßigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der erlittene Schaden unverhältnismäßig kleiner ist als der bedungene Vergütungsbetrag (RIS‑Justiz RS0032138). Hier hat die Klägerin den Eintritt eines konkreten Schadens in erster Instanz gar nicht behauptet, er ist auch nicht festgestellt. Sie hat schon in der Klage „vorläufig“ einen Mäßigungsbetrag von 30 % in Abzug gebracht, ist also offenbar selbst von der Übermäßigkeit der in Höhe eines Bruttojahresbezugs vereinbarten Konventionalstrafe ausgegangen. Vor diesem Hintergrund haben die Vorinstanzen die vereinbarte Konventionalstrafe zutreffend als übermäßig angesehen. Dies hat auch die Klägerin akzeptiert, die die Abweisung von 20.128 EUR sA durch das Berufungsgericht unbekämpft ließ.

2.1 Eine im Verhältnis zur Konventionalstrafe geringfügige Schadenshöhe stellt das primäre Mäßigungskriterium dar (RIS‑Justiz RS0029848; RS0029967; 8 ObA 72/13s), wovon auch die Klägerin in der Revisionsbeantwortung ausgeht. Dieses Kriterium hat das Berufungsgericht aber ‑ worauf der Revisionswerber zutreffend hinweist ‑ zu wenig berücksichtigt. Die Klägerin hat in erster Instanz weder vorgebracht, dass ihr ein konkreter Schaden durch den Wechsel des Beklagten entstanden ist, noch, welcher Schaden daraus leicht hätte entstehen können. Auch aus den Feststellungen ergibt sich weder, dass ein konkreter Schaden eingetreten ist, noch, dass er leicht hätte eintreten können (Größ in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 1336 Rn 26; krit zu diesem Argument Brenn in Reissner, AngG² § 38 Rn 38).

2.2 Die erstgerichtliche Feststellung, dass für ein Unternehmen wie die Klägerin „grundsätzlich“ die Gefahr bestehe, dass der Kunde bei Zufriedenheit mit dem persönlichen Betreuer mit diesem das Personalverleihunternehmen wechselt, stützt in Verbindung mit der weiteren erstgerichtlichen Feststellung, dass ein solcher Wechsel hier nicht erfolgt ist, ebenfalls nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass „nicht feststehe, dass durch die Verletzung der Konkurrenzklausel (überhaupt) kein Schaden verursacht“ worden sei: Ein solcher Schaden kann vielmehr aus den vorliegenden Feststellungen nicht abgeleitet werden.

2.3 Zu Unrecht stützt sich das Berufungsgericht daher auf jene Rechtsprechung, wonach die Höhe des tatsächlich beim Arbeitgeber eingetretenen Schadens dann nicht als Mäßigungskriterium berücksichtigt werden kann, wenn sie nicht feststellbar ist (RIS‑Justiz RS0029825). Dies setzt nämlich den Eintritt eines tatsächlichen Schadens voraus, an dem es im Anlassfall aber wie ausgeführt fehlt.

3.1 Vor diesem Hintergrund ist die vom Beklagten beantragte richterliche Mäßigung der Konventionalstrafe zu beurteilen. Als Mäßigungskriterien, die im Rahmen eines beweglichen Systems nach dem Grundsatz der Billigkeit gegeneinander abzuwägen sind, kommen im Anlassfall neben den beiderseitigen Interessen, die wirtschaftlichen, sozialen bzw familiären Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere auch seine Einkommensverhältnisse beim neuen Arbeitgeber, die Umstände des Vertragsbruchs (allfälliges illoyales Abwerbeverhalten) bzw die Art und das Ausmaß des Verschuldens an der Vertragsverletzung (allfälliges grob schuldhaftes fortgesetztes Verhalten) in Betracht (8 ObA 72/13s; Brenn aaO § 38 Rn 41 ‑ 43 mwH).

3.2 Die Verletzung der Interessen der Klägerin hat das Berufungsgericht zutreffend dargestellt. Daraus ist insbesondere hervorzuheben, dass der Beklagte seine Kenntnis der Kalkulationsgrundlagen der Klägerin bei seiner neuen Tätigkeit verwenden konnte und gerade dies durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe verhindert werden sollte. Schließlich besteht zumindest „grundsätzlich“ die Gefahr, dass Kunden der Klägerin bei Zufriedenheit mit einem persönlichen Betreuer wie dem Beklagten mit diesem das Personalverleihunternehmen wechseln ‑ mag dies auch im konkreten Fall nicht geschehen sein.

3.3 Umgekehrt ist aber, wie bereits ausgeführt, als primäres Mäßigungskriterium vor allem zu berücksichtigen, dass der Klägerin durch den Wechsel des Beklagten zu seiner nunmehrigen Arbeitgeberin kein Schaden entstanden ist. Es ist kein Kunde der Klägerin mit dem Beklagten zu seiner neuen Arbeitgeberin gewechselt. Berechtigt weist der Revisionswerber auch darauf hin, dass der vom Berufungsgericht festgesetzte Betrag von 10.000 EUR die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten nach den bindenden Feststellungen zumindest stark beeinträchtigt. Zu beachten ist weiters das Interesse des Beklagten, seine Arbeitskraft bestmöglich zu verwerten (RIS‑Justiz RS0029952): Der Beklagte hat sich nach den Feststellungen auch für eine nichtkonkurrenzierende Tätigkeit beworben, weil er keine Verkaufstätigkeit mehr ausüben wollte. Er war dabei aber erfolglos. Schließlich steht auch fest, dass der Beklagte nur in einem Teilbereich der Tätigkeit bei seiner neuen Arbeitgeberin konkurrenzierend tätig wird.

3.4 Ausgehend davon erscheint die Festsetzung der Konventionalstrafe im konkreten Fall in der vom Erstgericht vorgenommenen Höhe von 3.000 EUR ‑ dieser Zuspruch ist unbekämpft bereits in Teilrechtskraft erwachsen ‑ ausreichend. Dieser Betrag vermeidet einerseits eine vom Gesetz nicht gewollte existenzbedrohende Wirkung. Andererseits verwirklicht dieser Betrag den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck der Konventionalstrafe, die Verletzung der Konkurrenzklausel nicht zu verharmlosen. Die Konventionalstrafe soll nämlich trotz richterlicher Mäßigung für den Arbeitnehmer immer noch spürbar sein (vgl 8 ObA 72/13s).

4. Der Revision des Beklagten war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

5.1 Bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz war auf die wegen der Wiederherstellung des Ersturteils wieder aktuelle Bekämpfung der Kostenentscheidung im Rahmen der von der Klägerin erhobenen Berufung Bedacht zu nehmen. Die Kostenrüge ist allerdings nicht berechtigt. Zwar ist die richterliche Mäßigung einer Konventionalstrafe das Ergebnis richterlichen Ermessens. Zufolge offenbarer Überklagung bleibt für die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO aber ‑ wovon auch das Berufungsgericht in seiner Kostenentscheidung zutreffend ausgegangen ist ‑ kein Raum mehr (Fucik in Rechberger 4 § 43 Rz 11 mwH). Unter diesen Umständen hat das Erstgericht zu Recht den Kostenersatz gemäß § 43 Abs 1 ZPO und nicht wie von der Klägerin begehrt gemäß §

43 Abs 2 ZPO beurteilt (9 ObA 120/92). Den von der Klägerin gegen das Kostenverzeichnis des Beklagten erhobenen Einwendungen hat bereits das Erstgericht Folge gegeben.

5.2 Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz beruht auf § 58a ASGG iVm §§ 41 Abs 1, 50 ZPO, jene über die Kosten dritter Instanz auf den §§ 41, 50 ZPO.

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