OGH 9ObA127/15i

OGH9ObA127/15i28.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** M*****, vertreten durch Maraszto Milisits Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. August 2015, GZ 10 Ra 28/15h‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00127.15I.1028.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Die Klägerin, die bei der Beklagten als Pflegehelferin beschäftigt war, bekämpft in ihrer außerordentlichen Revision die vorzeitige Auflösung ihres Dienstverhältnisses gemäß § 45 Abs 2 Z 2 VBO 1995.

Rechtliche Beurteilung

1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Dass die Klägerin jedenfalls einmal während des Dienstes auf dem Balkon eingeschlafen war, steht fest. Ob sich ihre Kollegin darüber hinaus im Stich gelassen fühlte, weil die Klägerin bei einem Notfall auf der Station nicht auffindbar gewesen sei, ist angesichts der späteren Beschimpfungen und Ausfälligkeiten der Klägerin irrelevant.

2. Ob im Einzelfall die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung vorliegen, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0106298 [T5] ua). Dies gilt auch im Anwendungsbereich der VBO 1995 (vgl 9 ObA 103/11d). Insbesondere stellt weder die Frage, ob eine bestimmte Äußerung eines Arbeitnehmers im Einzelfall den Entlassungsgrund der erheblichen Ehrverletzung begründete, noch die Frage, ob eine erhebliche Ehrverletzung aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall als noch entschuldbar anzusehen ist, eine erhebliche Rechtsfrage dar (s RIS‑Justiz RS0105955; RS0060938).

Die Klägerin hatte ihre Kollegin wiederholt und in beträchtlichem zeitlichen Abstand zu jenem Zeitpunkt, zu dem sie von der vorgesetzten Stationsschwester ‑ ohne dienstrechtliche Konsequenzen ‑ auf die Vorwürfe der Kollegin angesprochen worden war, damit konfrontiert und beschimpft. Sie war daher nicht überraschend einem Vorwurf ausgesetzt, der sie vielleicht zu einer unüberlegten und daher noch entschuldbaren Äußerung hinreißen hätte können, sondern hatte selbst die Konfrontation mit ihrer Kollegin gesucht. Von einer gerechtfertigten Entrüstung über ein unmittelbar vorausgegangenes Verhalten des Beleidigten (vgl RIS‑Justiz RS0060929), die die Äußerungen der Klägerin entschuldbar erscheinen lassen könnten, kann daher keine Rede sein.

Nach der Rechtsprechung rechtfertigt selbst ein rauer Umgangston im Betrieb keine ernstlichen Angriffe gegen die Ehre eines anderen (RIS‑Justiz RS0029870). Für das Vorliegen des Entlassungsgrundes des § 45 Abs 2 Z 2 VBO 1995 ist auch keine besondere Vertrauensstellung des Dienstnehmers erforderlich (s RIS‑Justiz RS0114502). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses als gerechtfertigt erachtete, ist danach nicht weiter korrekturbedürftig.

3. Auch die Frage, ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich nur nach den Umständen des einzelnen Falls richtig beurteilen (RIS‑Justiz RS0031571). Dass Maßnahmen des Dienstgebers zur Sachverhaltsaufklärung ein Zuwarten mit dem Ausspruch der Entlassung rechtfertigen können (s RIS‑Justiz RS0029297), zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Dass ihr von der Beklagten keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden war, trifft zwar zu. Daraus folgt aber noch nicht, dass die von der Beklagten gesetzten Maßnahmen an sich nicht zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet waren. Die Revision führt auch nicht aus, dass eine Stellungnahme der Klägerin die Beklagte zu einer anderen Bewertung ihres Verhaltens veranlasst hätte.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Stichworte