OGH 1Ob185/15k

OGH1Ob185/15k22.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. L***** F*****, und 2. K***** F*****, beide *****, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. J***** S*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Bernhard Aschauer und Dr. Alexandra Aschauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 16. Juli 2015, GZ 1 R 151/15x‑149, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 2. Juni 2015, GZ 17 Ps 349/14y‑116, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00185.15K.1022.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit der Obsorge über die beiden minderjährigen Kinder wurde nach der Scheidung der Eltern die Mutter allein betraut. Nach dem Akteninhalt ist der Vater in der Zwischenzeit in Deutschland wohnhaft und seit 28. 4. 2015 an seinem nunmehrigen Wohnsitz amtlich gemeldet.

Das Erstgericht verbot dem Vater die Ausreise mit den Kindern ins Ausland und trug ihm auf, die Reisedokumente für die beiden Kinder unverzüglich bei Gericht zu erlegen. Dem Vater wurde ein vorläufiges Kontaktrecht in einem Eltern‑Kind‑Zentrum eingeräumt, das er 14‑tägig an Samstagen in der Dauer von drei Stunden ausüben kann, nachdem er die Reisedokumente hinterlegt hat. Auf die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen wird noch zurückzukommen sein.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Verknüpfung des Kontaktrechts mit der Hinterlegung der Reisedokumente fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters erweist sich als unzulässig, weil darin keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.

1. Nach § 187 Abs 1 ABGB haben das Kind und jeder Elternteil das Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte. Bei Fehlen eines Einvernehmens zwischen den Eltern hat das Gericht diese Kontakte in einer dem Wohl des Kindes entsprechenden Weise zu regeln und die Pflichten festzulegen (vgl nur RIS‑Justiz RS0048062).

Angesichts der von den Vorinstanzen festgestellten tatsächlichen Umstände kann ‑ entgegen der Auffassung des Vaters ‑ in der (vorläufigen) Beschränkung der Kontakte auf jeweils drei Stunden im 14‑Tage‑Rhythmus keine erhebliche Fehlbeurteilung erblickt werden, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (vgl dazu RIS‑Justiz RS0097114). In diesem Zusammenhang ist nur darauf hinzuweisen, dass der Vater Kontakte zu Mitarbeitern des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers mit absurden Argumenten ablehnt, die Mutter in Anwesenheit der Kinder verletzte und auch nur in einem sehr eingeschränkten Umfang zur Zusammenarbeit mit den mit der Sache befassten Sozialpädagogen bereit ist. Das auffällige Verhalten beider Kinder ‑ sie zeigen mittlerweile kein altersentsprechendes Verhalten mehr, das ältere Kind ist nicht mehr in der Lage, mit Personen im Zuge eines Gesprächs Blickkontakt zu halten ‑ ist auf die ablehnende und herabwürdigende Haltung des Vaters gegenüber der Mutter, die er den Kindern vermittelt sowie darauf zurückzuführen, dass er den Kindern eine Zusammenarbeit mit den Sozialpädagogen verbietet. Der Kinder‑ und Jugendhilfeträger hat daher sogar eine Aussetzung des Kontaktrechts zum Vater beantragt. Die Auffassung der Vorinstanzen, unter diesen Umständen sollten die Kinder einen Kontakt zum Vater nur in geringem Ausmaß und in einem Eltern‑Kind‑Zentrum wieder aufnehmen, kann keineswegs als unvertretbare Missachtung der in § 187 Abs 1 ABGB festgesetzten Grundsätze angesehen werden, zumal dort eine Regelung „in einer dem Wohl des Kindes entsprechenden Weise“ angeordnet wird. Darüber hinaus liegt eine bloß vorläufige Kontaktrechtsregelung vor, die bei einer im Sinne des Kindeswohls zufriedenstellenden Entwicklung jedenfalls ausgedehnt werden kann.

2. Auch in der Frage, ob eine Anordnung der Herausgabe der Reisedokumente der Kinder und das Verbot mit ihnen ins Ausland zu verreisen, geboten ist, ist den Vorinstanzen unter den festgestellten Umständen keine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen. Dass die Annahme, der Vater könnte beabsichtigen, die Kinder unzulässigerweise an seinen neuen, zunächst nicht bekannt gegebenen Wohnort in Deutschland mitzunehmen, ganz unberechtigt wäre, kann schon deshalb nicht gesagt werden, weil der Vater sowohl gegenüber dem Gericht als auch der Mutter jegliche Auskunft über eine beabsichtigte Übersiedlung verweigerte und auch sonst in diesem Zusammenhang völlig unkooperativ war, was durchaus die Befürchtung nahelegte, er habe auch auf die Kinder bezogene Absichten, die er geheim halten wolle. Wie schon das Erstgericht ausgeführt hat, gibt nicht zuletzt das Verhalten des Vaters anlässlich seiner Vernehmung in der Tagsatzung vom 19. 5. 2015 Anlass dazu, mit ungewöhnlichen ‑ allenfalls auch irrationalen ‑ Handlungen rechnen zu müssen. Auch die Anordnungen iSd § 107 Abs 3 Z 4 und Z 5 AußStrG sind daher keineswegs als unvertretbare Einzelfallentscheidung zu betrachten.

3. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers kann schließlich auch die Verknüpfung der Hinterlegung der Reisedokumente der Kinder mit dem (vorläufig eingeräumten) Kontaktrecht im vorliegenden Fall nicht als (krasse und damit) korrekturbedürftige Fehlbeurteilung angesehen werden. Auch wenn höchstgerichtliche Rechtsprechung zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Verknüpfung fehlt, liegt angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalls keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage vor. Berücksichtigt man, dass allein dem obsorgeberechtigten Elternteil im Rahmen des Aufenhaltsbestimmungsrechts gemäß § 162 Abs 1 ABGB die Disposition über die Reisedokumente der Kinder zukommt (vgl auch LGZ Wien in EFSlg 83.844) und der Revisionsrekurswerber Hindernisse die der Herausgabe der Reisedokumente entgegenstehen könnten, gar nicht behauptet, handelt es sich einerseits um einen bloßen ‑ ohnehin unvermeidlichen ‑ Formalakt. Der Vater hatte nach dem Akteninhalt die Dokumente im Übrigen schon abgegeben (sie wurden am 21. 7. 2015 der Mutter übermittelt). Eine Beschwer durch die erstgerichtliche Entscheidung liegt soweit nicht mehr vor.

Unter diesen Umständen besteht keine Veranlassung zu einer grundsätzlichen Erörterung der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Verknüpfung der gemäß § 107 Abs 3 Z 5 AußStrG angeordneten Herausgabe der Reisedokumente der Kinder mit der Inanspruchnahme des Kontaktrechts erfolgen darf. Im Übrigen sind auch im Schengen‑Raum Personenkontrollen, bei denen auch der Vorweis von Personaldokumenten verlangt wird, keinesfalls ausgeschlossen (s nur § 8 der deutschen FreizügG/EU über die Ausweispflicht), weshalb vorhandene Reisedokumente Reisen mit Kindern ins Ausland durchaus in gewisser Weise erleichtern können.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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