OGH 12Os108/15x

OGH12Os108/15x22.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer in der Strafsache gegen Rahela A***** und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Rahela A***** und Shiringul A***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 10. Juni 2015, GZ 36 Hv 52/15x‑112, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00108.15X.1022.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Rahela A***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und Shiringul A***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 84 Abs 1, und Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäterinnen am 24. Juni 2014 in V***** Sultanali S***** dadurch am Körper verletzt, dass Shiringul A***** ihm einen mit vielen Knoten präparierten Schal um den Hals schlang und ihn würgte, was streifige Hauteinblutungen an beiden Halsseiten, eine Schwellung der Kehlkopfstrukturen und eine Schlussstörung der Stimmlippen samt Sprech‑ und Schluckbeschwerden zur Folge hatte, während Rahela A***** ihn zuerst mit einem Messer mit einer Klingenlänge von ca 15 bis 20 cm attackierte, was Abwehrverletzungen am rechten Unterarm, nämlich zwei glattrandige Schnittwunden zur Folge hatte, und ihm dann ein Obstmesser mit einer Klingenlänge von ca 7 cm in den Bauch stieß, wodurch er eine Stichwunde knapp links des Nabels mit Verletzungen des Darmgekröses und Blutungen in die freie Bauchhöhle erlitt, wobei die Verletzung an sich schwer war und die Täterinnen mit einem solchen Mittel und auf eine solche Weise handelten, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, und Rahela A***** Sultanali S***** die schwere Verletzung absichtlich zufügte.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform gestellten Hauptfragen 1./ und 2./ nach Mord (§§ 15, Abs 1, 75 StGB), die Rahela A***** betreffende Eventualfrage 1./ nach Totschlag (§§ 15 Abs 1, 76 StGB) und die Shiringul A***** betreffende Eventualfrage 5./ nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) verneint, die Rahela A***** betreffende Eventualfrage 2./ nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) und die Shiringul A***** betreffende Eventualfrage 6./ nach schwerer Körperverletzung (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB) hingegen mehrheitlich bejaht; die zur Eventualfrage 2./ in einer alternativ gestellten Zusatzfrage enthaltenen Fragen nach Notwehr, Notwehrexzess, Putativnotwehr und Putativnotwehrexzess wurden jeweils einstimmig verneint.

Rechtliche Beurteilung

Ihre gegen den jeweiligen Schuldspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden stützen Rahela A***** auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO, Shiringul A***** auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9 und 10a StPO. Beide Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Rahela A*****:

Die prozessförmige Darstellung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information. Dabei kommt es nicht auf ein einzelnes verwendetes Wort, sondern auf den Sinngehalt der Rechtsbelehrung insgesamt an (RIS‑Justiz RS0119549, RS0100695).

Davon ausgehend zeigt die pauschal eine nicht hinreichend klare, nicht vollständige und damit unrichtige Rechtsbelehrung behauptende Instruktionsrüge (Z 8), nicht auf, weshalb die sich zu den fallbezogen in Frage kommenden Vorsatzformen des § 5 Abs 1 und Abs 2 StGB an die vom Gesetzgeber vorgegebenen Definitionen haltende und damit nicht nur richtige, sondern infolge der (entgegen der Beschwerdebehauptung) deskriptiven Natur der im Gesetz ohnedies umschriebenen Begriffe auch ausreichende (RIS‑Justiz RS0100721 [T6, T11, T16, T19 und T28]) Rechtsbelehrung (siehe S 2 f und 8 ff) im dargestellten Sinn unrichtig sein sollte.

Daher versagt auch die weitere Kritik, die Rechtsbelehrung habe die Geschworenen nicht ausreichend darüber aufgeklärt, wie sich der bedingte Vorsatz von Absicht im Allgemeinen unterscheide und suggeriere, das Wissen um einen Taterfolg bewirke die Absicht der Tathandlung.

Mit dem Einwand, die Rechtsbelehrung erläutere nicht, dass für die Erfüllung des Tatbestands des § 87 Abs 1 StGB die Absicht des Täters auf die Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichtet sein müsse, verfehlt die Rüge mangels Orientierung am Inhalt der schriftlichen Rechtsbelehrung (S 9 f) die prozessordnungskonforme Darstellung (RIS‑Justiz RS0119071).

Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass für eine Erörterung der Vorsatzform der Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) kein Anlass bestand, weil Wissentlichkeit kein Deliktsmerkmal jener Tatbestände ist, derentwegen Fragen an die Geschworenen gestellt wurden (RIS‑Justiz RS0117449, RS0100745).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Shiringul A*****:

Die Eventualfragen nach einer Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) der Angeklagten Shiringul A***** reklamierende Fragenrüge (Z 6), zeigt mit dem Hinweis auf die Aussagen der Zeugin Sakina S*****, wonach sie den ersten, nicht verknoteten Schal vom Hals ihres Mannes genommen habe (ON 111 S 57) und sie in der Folge gesehen habe, dass ein zweiter verknoteter Schal um den Hals ihres Mannes gelegen sei (ON 111 S 59), wobei sie nicht gesehen habe, wie der Schal verknotet wurde (ON 111 S 79), keine eine Beitragstäterschaft der Beschwerdeführerin indizierenden Verfahrensergebnisse auf (vgl RIS‑Justiz RS0100677).

Soweit die Beschwerde die Aussagen der genannten Zeugin im Ermittlungsverfahren (ON 54 S 215, ON 111 S 127) anführt, wonach der Angriff der Nichtigkeitswerberin mit dem Schal bereits beendet gewesen sei, als Rahela A***** zum Küchenblock gelaufen sei, ein Obstmesser geholt und es dem Opfer in den Bauch gerammt habe, zeigt sie nicht auf, warum aus diesem Verfahrensergebnis ein Beitrag der Beschwerdeführerin zu der durch den Messerstich verursachten schweren Körperverletzung und eine hierauf gerichtete Fragestellung indiziert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0090614; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 23, 43).

Indem die Rüge außer Acht lässt, dass der Zeuge Sultanali S***** auch angab, die Beschwerdeführerin habe ihm das Tuch über den Hals geworfen und erst wieder weggenommen, nachdem er zweimal gestochen worden sei (ON 111 S 97), und bloß die aus dem Zusammenhang gerissene Angabe des Genannten (ON 111 S 93) anführt, wonach ihn die Nichtigkeitswerberin „inzwischen“ in Ruhe gelassen habe, in die Küche gegangen sei und sich auf einen Stuhl gesetzt habe, verfehlt sie mangels Orientierung an der Gesamtheit der Aussagen dieses Zeugen die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0120766).

Mit dem bloßen Hinweis „auch“ aus den von den beiden Zeugen auf dem Video der Tatrekonstruktion dargestellten unterschiedlichen Varianten des Tatablaufs würden sich für eine Beitragstäterschaft der Nichtigkeitswerberin sprechende Tatsachen ergeben, unterlässt die Beschwerde die deutliche und bestimmte Bezeichnung eines die vermisste Fragestellung indizierenden Tatsachensubstrats und verfehlt solcherart erneut die gesetzmäßige Darstellung (RIS‑Justiz RS0117447, RS0119417; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 23).

Die eine Rechtsbelehrung zur „Täterschaftsform des Beitragstäters“ vermissende Intruktionsrüge (Z 8) verkennt, dass die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich gestellt wurden (RIS‑Justiz RS0101085 [T3]).

Weiters behauptet die Instruktionsrüge (Z 8) eine Undeutlichkeit und Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, weil in Ansehung der Qualifikation der Körperverletzung nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB (zur Eventualfrage 3./ und 6./) auf § 7 Abs 1 StGB Bezug genommen, die letztgenannte Bestimmung jedoch nicht erläutert worden sei. Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung macht diese jedoch nur dann zu einer unrichtigen iSd § 345 Abs 1 Z 8 StPO, wenn sie zufolge ihrer Unvollständigkeit zu Missverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Eventualfrage gerichtet ist, zu irriger Auslegung der in der einzelnen Frage enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes, zu Irrtümern über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander oder über die Folgen der Bejahung oder Verneinung der einzelnen Fragen Anlass geben kann (RIS‑Justiz RS0101021). Bei der gebotenen Berücksichtigung des gesamten Inhalts der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung (RIS‑Justiz RS0100695) zeigt die Rüge nicht auf, weshalb trotz der Darlegung, dass der Täter für die Erfüllung des hier aktuellen Tatbestands die besonderen Umstände der Tatbegehung, nämlich den lebensgefährlichen Charakter seiner Tat als solchen in seinen Vorsatz aufnehmen muss (Rechtsbelehrung S 11 iVm S 2 f), eine Belehrung der Geschworenen darüber, dass mit Ausnahme der im Gesetz normierten Fälle nur vorsätzliches Handeln strafbar ist (§ 7 Abs 1 StGB) erforderlich gewesen wäre, und verfehlt damit die gesetzeskonforme Ausführung (vgl Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 65).

Mit der Behauptung, die Begründung der Geschworenen zur Eventualfrage 6./ sei „widersprüchlich, undeutlich und unvollständig“ (Z 9), weil die Geschworenen weder das bewusste und gewollte Zusammenwirken, noch den Vorsatz begründet hätten, sondern vielmehr von einer „Begünstigung“ der schweren Körperverletzung ausgegangen seien, verkennt die Beschwerde grundlegend, dass ein Widerspruch zwischen Niederschrift und Wahrspruch ohne Verbesserungsauftrag unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe bedeutungslos ist (RIS‑Justiz RS0118546). Das Gesetz verlangt nämlich von den Laienrichtern weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht eine „anfechtungsfeste“ Begründung ihres Wahrspruchs (RIS‑Justiz RS0118546 [T2]).

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO als Tatsachenrüge zielt darauf ab, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen gemäß § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO (iVm § 302 Abs 1 StPO) gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS‑Justiz RS0118780 [insbes T16]). Dass eine Fehlentscheidung qualifiziert naheliegt, wird mit dem Hinweis auf isoliert dargestellte Teile der Aussage der Zeugin Sakina S*****, die nach der Beschwerdebehauptung sowohl eine Mittäterschaft als auch eine Beteiligung der Beschwerdeführerin an der schweren Körperverletzung des Opfers ausschließen, nicht dargetan.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Rahela A***** und Shiringul A***** waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Erledigung der Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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