OGH 7Ob164/15s

OGH7Ob164/15s16.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte und widerklagende Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Neumarkt am Wallersee, wegen Kosten (AZ 7 Cg 12/10s des Landesgerichts Salzburg) und 33.381,74 EUR sA (AZ 7 Cg 146/10x des Landesgerichts Salzburg), über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Juni 2015, GZ 3 R 70/15g‑81, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00164.15S.1016.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Auch bei einer Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO dürfen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abschließend erledigte Streitpunkte nicht wieder aufgerollt werden, es sei denn, es handelte sich um Tatsachen, die nach Schluss der Verhandlung im ersten Rechtsgang neu entstanden sind (RIS‑Justiz RS0042441 [T3]; RS0042435 [T8]). Welche Verfahrensergebnisse im Aufhebungsbeschluss als abschließend erledigt angesehen werden, ist zwangsläufig einzelfallabhängig (RIS‑Justiz RS0042031 [T20]).

1.2 Das Erstgericht gab dem Widerklagebegehren im ersten Rechtsgang statt. Der ausdrückliche Hinweis der Klägerin in sämtlichen Auftragsbestätigungen, nur zu den eigenen AGB abzuschließen, verbunden mit der Möglichkeit der Beklagten, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu erlangen, führte dazu, dass die AGB der Klägerin Vertragsinhalt geworden seien. Die Freizeichnungsklausel sei aber gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig.

Gegen die Beurteilung, dass die AGB Vertragsinhalt geworden seien, wandte sich die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung nicht mehr.

Das Berufungsgericht wies die Widerklage ab. Die Haftungsbeschränkung durch die AGB auf Vorsatz sei sittenwidrig, der Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit hingegen wirksam.

In ihrer Revision stützte sich die Beklagte nur mehr darauf, dass die Klägerin „krass grob fahrlässiges“ Verhalten ihrer Mitarbeiter zu verantworten habe. Gegen die angenommene wirksame Vereinbarung der Klausel wandte sie sich nicht.

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil der Vorinstanzen zu 7 Ob 143/13z auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Die Beklagte habe die Voraussetzungen für die Sittenwidrigkeit der Klausel, so wie sie vereinbart worden sei, behaupten und beweisen müssen. Die Behauptungs‑ und Beweislast für die (Teil‑)Zulässigkeit der Klausel für den vorliegenden Geschäftsfall treffe hingegen die Klägerin. Hiezu reichten die Feststellungen nicht aus, um die Rechtssache abschließend beurteilen zu können.

1.3 Vor diesem Hintergrund ging das Berufungsgericht davon aus, dass die geltungserhaltende Reduktion einer Klausel ‑ zu welcher Frage allein der Aufhebungsbeschluss durch den Obersten Gerichtshof erfolgt sei ‑ deren wirksame Vereinbarung zwischen den Streitteilen voraussetze. Die nunmehr neuerlich relevierte Frage, ob die AGB überhaupt Vertragsinhalt geworden seien, sei aber bereits im ersten Rechtsgang abschließend erledigt worden und könne daher im zweiten Rechtsgang nicht nochmals aufgegriffen werden. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Die Beklagte argumentiert, im ersten Rechtsgang seien keine Feststellungen zu dem von den AGB abweichenden Usus zwischen den Streitteilen getroffen worden. Ihr sei aber die Geltendmachung von Feststellungsmängeln im Revisionsverfahren verwehrt gewesen, aus welchem Grund dieser Streitpunkt überhaupt nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sei. Hier übersieht sie, dass die Frage, ob weitere Feststellungen zu treffen gewesen wären, eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist (RIS‑Justiz RS0043304 [T5]), die mit dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO geltend gemacht werden kann.

2. Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Beschränkung der Haftung sind nur insoweit wirksam, als ihr Abschluss oder doch ihre Anwendung im Einzelfall nicht gegen die guten Sitten verstößt. Absichtliche Schadenszufügung kann hiedurch niemals gedeckt werden. Es kommt darauf an, ob es sich um einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren handelt. Ansprüche, an welche die Parteien überhaupt nicht denken konnten, sei es, dass der Schaden aus einer nicht voraussehbaren Gefahrenquelle entstanden ist, sei es, dass der Schaden auf einem so krassen Verschulden beruht, dass gesagt werden muss, mit einem derartigen Verhalten könne nach den Erfahrungen des Lebens nicht gerechnet werden, fallen nicht unter derartige Vereinbarungen (RIS‑Justiz RS0038178; 7 Ob 143/13z).

2.1 Die Beurteilung der Vorinstanzen, der ‑ auf Ersatz von Verbesserungskosten wegen des von der Klägerin gelieferten, für den konkreten Geschäftsfall fehlerhaften Materials gerichtete ‑ schadenersatzrechtliche Regressanspruch der Beklagten stelle ein typisch voraussehbares Risiko dar, ist vertretbar.

2.2 Soweit sich die Beklagte gegen die Verneinung groben Verschuldens der Klägerin durch die Vorinstanzen mit den Ausführungen wendet, die Klägerin habe, um Produktionskosten zu ersparen, Material angeboten und verwendet oder auch produziert, welches an sich nicht geeignet gewesen sei, die Hitzeeinwirkung aufzunehmen und normgemäß abzuleiten, entfernt sie sich vom Boden der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen. Im Übrigen begründet die Frage, ob eine Fehlhandlung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigt bei Vertretbarkeit der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Beurteilung des Sachverhalts auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (RIS‑Justiz RS0087606 [T22]). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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