OGH 13Os91/15d

OGH13Os91/15d23.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernhard K***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 5 U 27/13z des Bezirksgerichts Villach, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 7. August 2013, GZ 5 U 27/13z‑6, und einen weiteren Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Verurteilten Bernhard K***** sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00091.15D.0923.000

 

Spruch:

In der Strafsache AZ 5 U 27/13z des Bezirksgerichts Villach verletzen

1) die in der Hauptverhandlung am 7. August 2013 erfolgte Verlesung des Abschlussberichts ON 2, soweit davon auch darin festgehaltene Zeugenaussagen und darüber aufgenommene Protokolle umfasst waren, § 252 Abs 1 StPO iVm § 447 StPO;

2) das Urteil vom 7. August 2013, GZ 5 U 27/13z‑6, § 125 StGB.

Dieses Urteil wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Villach verwiesen.

Gründe:

In der am 7. August 2013 (zulässigerweise) in Abwesenheit des Bernhard K***** durchgeführten Hauptverhandlung (ON 5)verlas die Einzelrichterin den unter anderem auch den Inhalt von Zeugenaussagen darstellenden Abschlussbericht ON 2 (ON 5 S 2). Protokolle über die Vernehmung von Zeugenaussagen waren dem genannten Bericht auch beigefügt (ON 2 S 13 ff).

Mit im Anschluss daran ergangenem

Abwesenheitsurteil vom 7. August 2013, GZ 5 U 27/13z‑6, wurde der (im Ermittlungsverfahren zum Tatvorwurf geständige) Bernhard K***** (ON 2 S 11) strafantragskonform der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (1) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. November 2012 in F*****

1) eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine aus Holz geschnitzte Krampusmaske im Wert von ca 700 Euro, dem Raphael W***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2) eine fremde Sache beschädigt, indem er der in seinem Besitz befindlichen Krampusmaske (US 2 f) die Zunge abriss, wodurch Raphael W***** einen Schaden in der Höhe von 200 Euro erlitt.

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, stehen weder die in der Hauptverhandlung vorgenommene Verlesung noch der im Anschluss daran ergangene Schuldspruch wegen Sachbeschädigung (2) mit dem Gesetz im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 252 Abs 1 StPO ‑ der zufolge § 447 StPO auch für die Verhandlung vor dem Bezirksgericht gilt ‑ dürfen Protokolle über die Vernehmung von Zeugen und andere amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Zeugen festgehalten worden sind, in der Hauptverhandlung nur in den in § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO genannten Fällen verlesen werden. Da anlassbezogen keiner dieser Ausnahmefälle vorlag, verletzt die in der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vorgenommene Verlesung des Abschlussberichts ON 2, soweit damit Zeugenaussagen wiedergegeben worden sind, das Gesetz. Hinzugefügt sei, dass aus dem Nichterscheinen eines gesetzeskonform geladenen (unvertretenen) Angeklagten zur Hauptverhandlung kein Einverständnis zur Verlesung im Sinn des § 252 Abs 1 Z 4 StPO abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0117012; vgl auch Kirchbacher , WK‑StPO § 252 Rz 103 sowie Bauer/Jerabek , WK‑StPO § 427 Rz 13).

2 . Waren beide Taten gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet und hat die nachfolgende keinen über die Haupttat hinausgehenden Schaden bewirkt, so wird sie von der vorausgegangenen unter dem Scheinkonkurrenztyp der Konsumtion (in der Form einer straflosen Nachtat) verdrängt. Die durch einen Dieb an der gestohlenen Sache begangene Sachbeschädigung ist daher als straflose Nachtat konsumiert und nicht ‑ wie hier zu Unrecht neben § 127 StGB ‑ als zusätzliches Vergehen nach § 125 StGB anzulasten. Der Vermögensverlust trat (zur Gänze) mit dem Bruch des Gewahrsams ein (RIS‑Justiz RS0093303 [T2]; RS0118182, RS0124023; vgl auch Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 124 RN 208; Fabrizy , StGB 11 § 125 Rz 3; Ratz in WK² StGB Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 66). Ergeht ein Schuldspruch wegen des angelasteten Diebstahls, ist der Angeklagte daher vom Vorwurf der nachfolgenden Beschädigung der weggenommenen Sache freizusprechen.

Im Übrigen zeigt die Generalprokuratur zutreffend das Fehlen von Feststellungen zu einem Schädigungsvorsatz des Angeklagten auf, obwohl die Verwirklichung des Tatbestands einen solchen voraussetzt.

Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen geeignet sind, zum Nachteil des Angeklagten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

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