OGH 6Ob58/15w

OGH6Ob58/15w31.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. H***** G*****, 2. D***** GmbH, *****, beide vertreten durch Scheucher Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 256.117,27 EUR sA und Feststellung (Streitwert 15.000 EUR) (Revisionsinteresse 186.997,27 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2014, GZ 34 R 134/14x‑22, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. August 2014, GZ 24 Cg 46/13t-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00058.15W.0831.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 2.368,44 EUR (darin 394,74 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle „ganz allgemein“ Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, wie sich die rückwirkende Nichtigerklärung der Abberufung des Mitglieds des Vertretungsorgans einer juristischen Person auf solche Vertretungshandlungen in einer Konzerngesellschaft auswirkt, die während des Schwebezustands von diesem Vertretungsorgan in einer der Rückwirkung nicht entsprechenden Zusammensetzung gesetzt wurden.

Mit Erklärung vom 19. 5. 2006 errichtete der Erstbeklagte als deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer die Klägerin. Am 10. 1. 2007 übertrug er seinen Gesellschaftsanteil an die ***** Anstalt (eine Anstalt nach liechtensteinischem Recht), die ihrerseits zur Gänze der F***** (einer Privatstiftung nach liechtensteinischem Recht) gehört; Geschäftszweck der Klägerin ist die Durchführung von Investitionen im europäischen Raum, wobei das erforderliche Kapital von der Privatstiftung über die Anstalt zur Klägerin fließt. Am 5. 4. 2008 errichtete der Erstbeklagte die Zweitbeklagte, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter er nach wie vor ist.

Die Anstalt wurde bis 15. 3. 2010 durch ihre beiden Verwaltungsräte A***** M***** und L***** G*****, den Bruder des Erstbeklagten, vertreten, die über eine kollektive Zeichnungsberechtigung verfügten. Mit Beschluss der Privatstiftung von diesem Tag wurde der Bruder aus dem Verwaltungsrat der Anstalt abgewählt und durch A***** F***** ersetzt.

Der Erstbeklagte war bis zum Frühjahr 2010 Geschäftsführer der Klägerin. Am 26. 3. 2010 beschloss die Anstalt als alleinige Gesellschafterin der Klägerin die sofortige Abberufung des Erstbeklagten als Geschäftsführer und ersetzte diesen durch Mag. U***** S*****; die Eintragung ins Firmenbuch erfolgte am 2. 4. 2010. Im Frühjahr 2013 einigten sich anlässlich einer Besprechung, der auch ein Rechtsanwalt beigezogen worden war, der neue Geschäftsführer der Klägerin und A***** F***** als Verwaltungsrat der Anstalt auf eine Einbringung der vorliegenden Klage; A***** M***** als weitere Verwaltungsrätin der Anstalt war zwar bei dieser Besprechung verhindert, war aber in weiterer Folge mit der Klagseinbringung einverstanden.

Am 7. 11. 2013 erklärte das fürstliche Obergericht die Abwahl des Bruders des Erstbeklagten aus dem Verwaltungsrat der Anstalt für nichtig; dieses Urteil ist seit 12. 12. 2013 rechtskräftig und vollstreckbar.

Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagten zur Rückzahlung von Honoraren, die diese (zu Unrecht) zu Lasten der Klägerin aufgrund eines Beratervertrags bezogen hatten, den der Erstbeklagte im eigenen Namen und als (damaliger) Geschäftsführer der Klägerin abgeschlossen hatte. Außerdem wurden die Beklagten zum Rückersatz von Miet‑, Büro‑ und Stromkosten verpflichtet, die der Klägerin zu Unrecht in Rechnung gestellt worden waren.

Rechtliche Beurteilung

1. Es ist nicht strittig, dass die vorliegende Klagsführung nach § 35 Abs 1 Z 6 öGmbHG einer Beschlussfassung der Gesellschafter bedurfte. Diese Beschlussfassung erfolgte durch die einzige Gesellschafterin der Klägerin, nämlich die Anstalt, die dabei wiederum von ihren beiden Verwaltungsräten A***** M***** und A***** F***** vertreten war. Im Revisionsverfahren allein strittig ist die Frage, ob diese Beschlussfassung ebenso wie jene über die Abberufung des Erstbeklagten als Geschäftsführer der Klägerin samt Bestellung des neuen Geschäftsführers im Hinblick auf die Entscheidung des fürstlichen Obergerichts vom 7. 11. 2013 rechtswirksam zustandekamen, ist doch seither der Bruder des Erstbeklagten (wieder) Verwaltungsrat der Anstalt; darauf nimmt auch die Begründung des Berufungsgerichts bei Zulassung der ordentlichen Revision Bezug.

2. Zwischen den Parteien besteht zu Recht (RIS‑Justiz RS0077060, RS0077038) Einigkeit darin, dass im vorliegenden Verfahren die Frage der Vertretung der Anstalt im Hinblick auf § 10 öIPRG nach liechtensteinischem Recht zu beurteilen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO allerdings ohne Bedeutung, wenn die Auslegung der anzuwendenden ausländischen Sachnormen durch das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des ausländischen Höchstgerichts und der ausländischen Lehre entspricht (RIS‑Justiz RS0042948). Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu leisten (RIS‑Justiz RS0042948 [T14]).

3. Die Beklagten meinen, angesichts der Nichtigerklärung der Abberufung des Bruders des Erstbeklagten als Verwaltungsrat der Anstalt seien beide von der Anstalt gefassten Beschlüsse unwirksam, wirke die Nichtigerklärung doch zurück. Allerdings hat der liechtensteinische Oberste Gerichtshof bereits entschieden, dass weder Art 552 ff PGR über Stiftungen noch Art 534 ff PRG über Anstalten Bestimmungen enthielten, aus welchen hervorginge, dass die Rechtswirksamkeit eines Beschlusses, mit dem eine physische Person aus einer organschaftlichen Stellung abberufen wurde, aufgeschoben werde, wenn dieses Organ die Abberufung gerichtlich oder schiedsgerichtlich anficht; auch aus sonstigen Bestimmungen lasse sich nichts Entsprechendes ableiten. Erst wenn der Klage des Abberufenen gegen den Abberufungsbeschluss rechtskräftig stattgegeben wird, trete die Abberufung rückwirkend wieder außer Kraft (Hp 40/87‑18 LES 1991, 54 in Gassner/Gassner , PGR 2009 II 314; vgl auch Gasser , Liechtensteinisches Stiftungsrecht Art 552 § 24 Rz 35). Nach einer Entscheidung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofs ist die Auffassung zu billigen, dass hinsichtlich in der Zwischenzeit gefasster Beschlüsse der nunmehrige Rat bei nächster Gelegenheit entscheiden müsse, welche Beschlüsse aufrecht bleiben und welche nicht; allenfalls müsse bei Nichterzielen einer Einigung darüber im Aufsichtsweg entschieden werden (StGH 2012/207). Daraus lässt sich ableiten, dass nach liechtensteinischer Rechtsprechung die Nichtigerklärung einer Abberufung eines Verwaltungsrats zwar zurückwirkt, in der Zwischenzeit gefasste Beschlüsse jedoch grundsätzlich gültig sind und zunächst (schwebend) aufrecht bleiben.

4. Damit konnten die Vorinstanzen in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage Mag. U***** S***** vertretungsbefugter Geschäftsführer der Klägerin war und deren Gesellschafterin die Klagsführung auch rechtswirksam beschlossen hatte. Dass diese Beschlüsse zwischenzeitig widerrufen worden wären, lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen.

5. Auf die Ausführungen in der außerordentlichen Revision, das Berufungsgericht sei aktenwidrig davon ausgegangen, das fürstliche Obergericht habe nicht über die Bestellung A***** F***** als Verwaltungsrat abgesprochen, braucht damit nicht weiter eingegangen zu werden.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Stichworte