OGH 6Ob125/15y

OGH6Ob125/15y31.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen W***** P*****, geboren am 6. Februar 1953, *****, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Betroffenen gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. April 2015, GZ 16 R 34/15m‑244 (vertreten durch Mag. Vitus Eckert, Rechtsanwalt in Baden, als Verfahrenshelfer) und GZ 16 R 35/15h‑245 (vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in Baden, als Verfahrenshelfer), mit denen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Baden vom 5. November 2014, ON 211, und vom 9. Dezember 2014, ON 221, AZ 10 P 5/13v, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00125.15Y.0831.000

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 20. 12. 2013 wurde Mag. G***** A*****, zum Sachwalter nach § 268 Abs 3 Z 2 ABGB für die Betroffene bestellt; er hat diese vor Behörden, Gerichten und gegenüber privaten Vertragspartnern zu vertreten (ON 147). Diesen Beschluss bestätigte das Landesgericht Wiener Neustadt mit Beschluss vom 9. 4. 2014 (ON 184); einen dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof am 26. 6. 2014 zurück (6 Ob 88/14f).

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 5. 11. 2014 den Antrag der Betroffenen auf Aufhebung der Sachwalterschaft ab (ON 211) und genehmigte mit Beschluss vom 9. 12. 2014 den zwischen dem Sachwalter für die Betroffene einerseits und deren geschiedenen Ehegatten andererseits abgeschlossenen Unterhaltsvergleich vom 15. 10. 2014 pflegschaftsgerichtlich (ON 221).

Nachdem die Betroffene gegen diese Beschlüsse jeweils fristgerecht Rekurs erhoben und die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt hatte (ON 215, 216 beziehungsweise ON 230, 231), bewilligte ihr das Erstgericht sowohl im Aufhebungsverfahren als auch im Genehmigungsverfahren unter anderem die Beigebung eines Rechtsanwalts für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die beiden genannten Beschlüsse (ON 217, 226). Zu Verfahrenshelfern wurden im Aufhebungsverfahren Mag. F***** K*****, (ON 218) und im Aufhebungsverfahren Dr. Christian Falkner (ON 228) bestellt; am 19. 12. 2014 erfolgte eine Umbestellung von Mag. F***** K***** auf Mag. Vitus Eckert (ON 227).

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidungen des Erstgerichts sowohl im Aufhebungs‑ als auch im Genehmigungsverfahren und ließ jeweils den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die Beschlüsse des Rekursgerichts wurden den beiden Verfahrenshelfern am 12. 5. 2015 und der Betroffenen am 15. 5. 2015 zugestellt (ON 246).

Am 27. 5. 2015 überreichte die Betroffene sowohl im Aufhebungs‑ als auch im Genehmigungsverfahren selbst verfasste außerordentliche Revisionsrekurse und beantragte die Bewilligung der Verfahrenshilfe (ON 247, 248). Diese Revisionsrekurse stellte das Erstgericht der Betroffenen zur Verbesserung binnen 14 Tagen durch Unterfertigung durch die bestellten Verfahrenshelfer zurück und wies die Verfahrenshilfeanträge zurück (ON 249). Am 8. 6. 2014 langten verbesserte Revisionsrekurse beim Erstgericht ein.

Rechtliche Beurteilung

Beide außerordentlichen Revisionsrekurse sind verspätet.

1.  Nach § 65 Abs 1 AußStrG beträgt die Frist für den Revisionsrekurs 14 Tage. Ausgehend von einer Zustellung der Rekursentscheidungen an die beiden für die Betroffene bestellten Verfahrenshelfer am 12. 5. 2015 endete die Frist somit jeweils am 26. 5. 2015, 24 Uhr, weshalb die erst am nächsten Tag von der Betroffenen überreichten außerordentlichen Revisionsrekurse verfristet waren; dass das Erstgericht dennoch ein Verbesserungsverfahren einleitete, ändert daran nichts (RIS‑Justiz RS0036235).

2.  Der Betroffenen wurden die Entscheidungen des Rekursgerichts (erst) am 15. 5. 2015 zugestellt; bei Maßgeblichkeit dieser Zustellung wäre die Überreichung der Revisionsrekurse am 26. 5. 2015 nicht verspätet gewesen.

2.1.  Für das Aufhebungsverfahren ist in diesem Zusammenhang an § 127 AußStrG zu denken, der gemäß § 128 Abs 1 1. Halbsatz AußStrG auch im Verfahren über die Beendigung der Sachwalterschaft sinngemäß anzuwenden ist. Nach dieser Bestimmung steht der Rekurs unter anderem der betroffenen Person, ihrem Vertreter und dem Verfahrenssachwalter (das ist im Aufhebungsverfahren der Sachwalter [§ 128 Abs 1 2. Halbsatz AußStrG]) zu, wobei die Rekursfrist für jede dieser Personen nach Maßgabe der jeweiligen Zustellung des Beschlusses ausgelöst wird (6 Ob 164/14g).

Dass der Betroffenen auch im Aufhebungsverfahren eigene Verfahrensfähigkeit zukommt, ist unbestritten. Für das Rechtsmittelverfahren wurde ihr dabei Mag. Vitus Eckert zum Verfahrenshelfer bestellt. Dieser ist als solcher aber kein Vertreter iSd § 127 AußStrG, wird doch darunter lediglich ein gesetzlicher oder selbstgewählter Vertreter iSd § 119 AußStrG verstanden (vgl Schauer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG [2013] § 127 Rz 5, § 119 Rz 4, 12, 13).

Nach § 6 Abs 4 AußStrG, § 93 ZPO haben gerichtliche Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen; eine daneben auch an die Partei selbst erfolgte Zustellung ist (etwa für den Lauf der Rechtsmittelfrist) bedeutungslos (RIS‑Justiz RS0006023). Dies gilt auch dann, wenn einer Verfahrenspartei ein Verfahrenshelfer bestellt wurde (RIS‑Justiz RS0036271 [T1]).

Da somit Mag. Vitus Eckert als für die Betroffene bestellter Verfahrenshelfer ausschließlich als deren Rechtsfreund tätig wurde, war die Zustellung der Rekursentscheidung an ihn (auch) im Aufhebungsverfahren fristauslösend; die (weitere) Zustellung an die Betroffene war hingegen bedeutungslos.

2.2.  Dies gilt erst recht für das Genehmigungsverfahren, findet doch hier § 127 AußStrG keine Anwendung. Auch hier löste die Zustellung der Rekursentscheidung an Dr. Christian Falkner als Verfahrenshelfer den Lauf der Revisionsrekursfrist aus.

3. Infolge Verspätung waren somit beide außerordentlichen Revisionsrekurse zurückzuweisen.

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