OGH 9ObA91/15w

OGH9ObA91/15w27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** K*****, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits Rechtsanwältin GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Vertragsanfechtung, in eventu 150.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2015, GZ 8 Ra 13/14m‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00091.15W.0827.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen „Handshake-Vertrag“ verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. 12. 2009 eine freiwillige Abfertigung und ein Vorruhestandsgeld zu gewähren sowie einen Teil der von ihm nachzukaufenden Versicherungszeiten gemäß ASVG zu refundieren. Die vom Beklagten infolge eines Eingabefehlers unrichtig dargestellte Nettopension (bei richtiger Bruttopension) diente der Ermittlung der günstigsten Variante für die Frage des Nachkaufs von Versicherungszeiten. Eine bestimmte Höhe der Nettopension war nicht Vertragsinhalt. Der Kläger begehrt die Aufhebung des Vertrags nach § 871 ABGB, in eventu die Zahlung von 150.000 EUR Schadenersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten, weil der Beklagte die erwartete Nettopension um über 200 EUR zu niedrig berechnet habe. In seiner gegen die Abweisung des Klagebegehrens gerichteten außerordentlichen Revision zeigt er jedoch keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Wird die Kalkulation als solche zum Inhalt des Geschäfts gemacht, was eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen und Einvernehmen darüber voraussetzt, dass das Geschäft zu diesen Bedingungen auf der Basis dieser Kalkulation erfolge, so handelt es sich bei einem solchen Irrtum nicht um einen bloßen Motivirrtum (RIS‑Justiz RS0014927; s auch RS0014894). Die Vorinstanzen lehnten demgegenüber einen beachtlichen Kalkulationsirrtum im Ergebnis deshalb ab, weil der Mitarbeiter des Beklagten dem Kläger nur eine Information übermitteln wollte, jedoch kein Einvernehmen darüber bestand, dass das Geschäft nur zu diesen Bedingungen erfolgen sollte. Dies ist vertretbar, wenn man bedenkt, dass der Beklagte die Berechnungen ausdrücklich „ohne Gewähr“ angestellt hatte (s Beil ./B, ./C) und auch im Handshake-Vertrag festgehalten wurde, dass sich der Kläger „über die Auswirkungen der vorzeitigen Lösung auf die ASVG‑Pension und die betriebliche Zusatzpension informiert“ hat. Dass die Relation der errechneten Varianten zueinander unrichtig gewesen und die letztlich gewählte Variante nicht die für den Kläger günstigste gewesen sei, behauptet er nicht.

2. Danach ist es auch vertretbar, wenn die Vorinstanzen die Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht durch den Beklagten verneinten, weil er dem Kläger lediglich Berechnungsgrundlagen zur Verfügung gestellt habe, über eine unverbindliche Information („ohne Gewähr“) hinaus aber ‑ auch für den Kläger erkennbar ‑ keine Verpflichtung zur Berechnung einer rechtsverbindlichen Nettopension eingehen habe wollen. Gründe für die Annahme eines haftungsbegründenden grob fahrlässigen Verhaltens des Beklagten (vgl RIS‑Justiz RS0050109) bestehen nicht.

3. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Kläger das Handshake-Angebot des Beklagten in Kenntnis der wahren Nettopensionshöhe nicht angenommen hätte. Damit fehlte es sowohl für eine Irrtumsanfechtung als auch für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht zuletzt am Nachweis eines kausalen Verhaltens des Beklagten.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Stichworte