OGH 3Ob123/15g

OGH3Ob123/15g19.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Dehn und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Partei T*****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co. KG in Wien, wider die Antragsgegner 1. G***** und 2. B*****, beide vertreten durch Dr. Petra Patzelt, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Vollstreckbarerklärung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 4. März 2015, GZ 23 R 131/14z‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00123.15G.0819.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Neuerungserlaubnis des § 84 Abs 2 Z 2 EO für Versagungsgründe gilt nur für Rekurse an die zweite Instanz und nicht für Revisionsrekurse an die dritte Instanz (RIS‑Justiz RS0116742). Überdies hat der Antragsgegner nach dieser Bestimmung im Rekurs gegen eine Vollstreckbarerklärung ‑ bei sonstigem Ausschluss ‑ alle nicht aktenkundigen Versagungsgründe gleichzeitig geltend zu machen (Eventualmaxime). Daher kann der Antragsgegner nach Rekurserhebung neues Vorbringen ‑ jedenfalls soweit es ihm bereits bekannt war ‑ später nicht mehr geltend machen (3 Ob 39/13a). Im Revisionsrekursverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob der im Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung eingewendete Versagungsgrund zutrifft.

2. Die Verpflicheten machten als Versagungsgrund im Rekurs im Wesentlichen geltend, der Vollstreckbarerklärung des schwedischen Urteils stehe entgegen, dass es sich auf ein amerikanisches Urteil gründe, in dem kein ordnungsgemäßes Verfahren stattgefunden habe, sondern vielmehr ein „plea‑agreement“; dass jemand aufgrund der Straftat eines anderen ohne eigenes Verfahren verurteilt werde, an die Masse im Konkurs des Straftäters Gelder zu bezahlen, ohne selbst Straftäter zu sein und ohne ein eigenes Verfahren vor Gericht geführt zu haben, widerspreche dem österreichischen ordre public.

2.1. Damit wird behauptet, das schwedische Zivilurteil gründe sich unmittelbar auf das im amerikanischen Strafverfahren nach Abschluss des „plea-agreements“ erlassene Strafurteil; das weitere (Zivil‑)Urteil in Amerika sprach der Rekurs nicht an. Es wurde vielmehr betont, dass kein weiteres Verfahren gegen die Antragsgegner geführt worden sei. Das im ‑ vom Rekursgericht als Rückgewinnungsprozess bezeichneten ‑ amerikanischen Zivilverfahren ergangene Urteil des Bankruptcy Court, das in den folgenden beiden Instanzen bestätigt wurde und die Antragsgegner zur Zahlung von rund 4,3 Millionen USD sA verpflichtete (und vom schwedischen Gericht in seinem Verfahren, das zu dem für vollstreckbar erklärten Urteil mit der identen Zahlungspflicht führte, als Beweismittel verwertet wurde), findet daher im Rekurs keine Erwähnung.

Da den Antragsgegnern dieses amerikanische Zivilverfahren als dort Beklagte zweifellos bekannt war, stellen die erstmaligen Ausführungen dazu im Revisionsrekurs einen Verstoß gegen die Eventualmaxime dar, der die Unbeachtlichkeit dieser Ausführungen zur Folge hat.

2.2. Selbst wenn man das Rekursvorbringen zu Gunsten der Antragsgegner dahin verstehen wollte, dass das amerikanische Zivilverfahren kein „ordentlicher, fairer Zivilprozess“ gewesen sei, liegt ein Versagungsgrund nicht vor:

Es trifft nämlich ‑ entgegen dem Vorwurf der Antragsgegnerin im Revisionsrekurs ‑ nicht zu, dass im schwedischen Verfahren ausschließlich die Tatsache des Vorliegens des amerikanischen Zivilurteils, mit dem die Antragsgegner zur Zahlung verpflichtet wurden, als Grund für die (neuerliche) Verpflichtung der Antragsgegner herangezogen wurde. Vielmehr wurde klargestellt, dass die amerikanischen Urteile ohne Prüfung der zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse gerade nicht als Grundlage für eine schwedische Entscheidung dienen können; daher könne ihnen nichts anderes zuerkannt werden, als die Beweiswirkung in Schweden. Diese Urteile blieben auch nicht die einzigen aufgenommenen Beweismittel. Wenn das schwedische Erstgericht, bestätigt durch die zweite Instanz, zum Ergebnis gelangte, dass den amerikanischen Urteilen ein hoher Beweiswert beizumessen ist, den die in der Sachfrage im schwedischen Verfahren hinzugekommenen Beweismittel nicht zu verringern vermögen, so ist darin eine Würdigung mehrerer Beweisergebnisse zu erblicken, die im Vollstreckbarerklärungsverfahren wegen des Verbots der Überprüfung des ausländischen Titels in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung (revision au fond; RIS‑Justiz RS0002409; 3 Ob 46/13f) nicht zu hinterfragen ist.

3. Angesichts des in Schweden geführten, unstrittig fairen Verfahrens, in dem die Verwertung des amerikanischen Zivilurteils als eines von mehreren Beweismitteln erfolgte, ist ein dem schwedischen Titel anhaftender Verstoß gegen elementare, in Österreich und europarechtlich anerkannte verfahrensrechtliche Garantien nicht zu erkennen.

Stichworte