Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die antragstellende und betreibende Partei ist schuldig, der Antragsgegnerin und verpflichteten Partei die mit 3.677,22 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 612,87 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die antragstellende und betreibende Partei (in der Folge immer: betreibende Partei) beantragte mit ihren nach Verbesserung am 2. Mai 2011 beim Erstgericht eingelangten Schriftsätzen,
(a) den von einem Ad-hoc-Schiedsgericht in der Tschechischen Republik erlassenen „Endgültigen Schiedsspruch“ Rsp 06/2003 vom 4. August 2008 gemäß dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 für vollstreckbar zu erklären und
(b) ihr zur Hereinbringung einer Teilforderung von 1.000.000 EUR die Fahrnisexekution zu bewilligen. Im Exekutionsantrag verwies die betreibende Partei auf drei im Eigentum der Antragsgegnerin und verpflichteten Partei (in der Folge immer: verpflichtete Partei) stehende Kunstgegenstände (zwei Gemälde und eine Bronzeskulptur),
die sich - zeitlich befristet bis 29. Mai 2011 - in der Ausstellung „DYNAMIK! Kubismus/ Futurismus/KINETISMUS“ im Unteren Belvedere in Wien befänden.
Im Antrag auf Vollstreckbarerklärung bezog sich die betreibende Partei unter Vorlage eines Rechtsgutachtens des Dr. C***** (Blg ./D) darauf, dass in dem zwischen den Parteien geschlossenen Schiedsvertrag (Blg ./A) vom 18. September 1996 vereinbart worden sei, dass der Schiedsspruch einer Überprüfung durch andere Schiedsrichter unterliege, sofern der Überprüfungsantrag einer Vertragspartei innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Schiedsspruchs der anderen Vertragspartei zugestellt werde. Nun sei zwar innerhalb der 30-tägigen Frist ein Überprüfungsantrag vom Gesundheitsminister und vom Generaldirektor des Amts für die Vertretung des Staates in Vermögenssachen („Vertretungsamt“) gestellt worden; allerdings sei zur Stellung des Überprüfungsantrags nur ein im zuständigen Gebietsreferat des Vertretungsamts angestellter Mitarbeiter legitimiert.
Mit Beschluss vom 16. Mai 2011 (ON 6) erklärte das Erstgericht den Schiedsspruch in Österreich für vollstreckbar und bewilligte ohne nähere Einschränkung auf bestimmte Gegenstände die Fahrnisexekution.
Nach Einlangen einer Stellungnahme des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) vom 1. Juni 2011, wonach Vermögen „extra commercium“ kraft Völkergewohnheitsrecht nicht Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen sein könne und daher Immunität der Tschechischen Republik von Zwangsmaßnahmen gegen die in ihrem Eigentum stehenden drei Kunstwerke bestehe (ON 11), stellte das Erstgericht mit Beschluss vom 21. Juni 2011 (ON 20) die Fahrnisexekution von Amts wegen gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO ein. Begründet wurde dieser Beschluss mit völkergewohnheitsrechtlicher Immunität staatlicher Kunstleihgaben.
Die verpflichtete Partei erhob Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung und die Exekutionsbewilligung (ON 14), die betreibende Partei erhob Rekurs gegen den Einstellungsbeschluss (ON 22).
Die verpflichtete Partei machte in ihrem Rekurs unter Berufung auf zwei Rechtsgutachten - wovon allerdings nur jenes des Prof. Dr. M***** (Blg ./2) in deutscher Übersetzung vorgelegt wurde - sowie eines Urteils des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik vom 14. Oktober 2010 in beglaubigter Übersetzung (Blg ./4) geltend, dass der Schiedsspruch nicht vollstreckbar sei. Sie habe - in Übereinstimmung mit Punkt V. des Schiedsvertrags vom 18. September 1996 (Blg ./A) - rechtzeitig den Antrag auf Überprüfung des Schiedsspruchs gestellt. Das Oberste Gericht der Tschechischen Republik sei mangels Einigung der von den Parteien bestellten Schiedsrichter (gemeint: im Überprüfungsverfahren) auf einen dritten Schiedsrichter angerufen worden und zu dem - bindenden - Schluss gelangt, dass die Zuständigkeit zur Bestellung des dritten Schiedsrichters dem Stadtgericht Prag zukomme. Der Antrag auf Überprüfung des Schiedsspruchs sei rechtmäßig erhoben worden. Eine Ab- oder Zurückweisung des Überprüfungsantrags durch das zuständige - noch gar nicht wirksam bestellte - Schiedsgericht sei nicht erfolgt. Nur diesem obliege aber die Prüfung, ob der Schiedsspruch rechtzeitig und rechtswirksam bekämpft worden sei.
In diesem Zusammenhang relevierte die verpflichtete Partei mit einem umfangreichen Vorbringen die Frage, ob das „Ministerium für Gesundheitswesen“ der Tschechischen Republik über eigene Rechtspersönlichkeit verfüge bzw befugt gewesen sei, die Tschechische Republik - vor allem im Zusammenhang mit der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens - zu vertreten.
Die verpflichtete Partei verwies in ihrem Rekurs überdies darauf, dass es sich bei den in Exekution gezogenen Objekten um hoheitlichen Zwecken dienendes kulturelles Vermögen der Tschechischen Republik handle, das wegen - auf Völkergewohnheitsrecht beruhender - sachlicher Immunität der Exekution entzogen sei. Es bestehe eine völkerrechtliche Verpflichtung zum Schutz von Kunstleihgaben.
Die betreibende Partei bezog sich in ihrem Rekurs gegen den Einstellungsbeschluss zusammengefasst darauf, dass die von der Exekution betroffenen Objekte aufgrund eines privatrechtlichen Leihverhältnisses als Kunstleihgaben zur Verfügung gestellt worden und daher nicht der Exekution entzogen seien.
Mit Beschluss des Senats vom 11. Juli 2012, AZ 3 Ob 18/12m, wurde der im ersten Rechtsgang ergangene Beschluss des Rekursgerichts (ON 34), mit welchem das Rekursgericht die Beschlüsse des Erstgerichts (ON 6 und ON 20) aufhob und das gesamte der Vollstreckbarerklärung nachfolgende Verfahren für nichtig erklärte und sowohl den Antrag auf Vollstreckbarerklärung als auch den Exekutionsantrag mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurückwies und den Antrag der verpflichteten Partei auf Einstellung der Exekution zurückwies, aufgehoben und dem Rekursgericht eine inhaltliche Behandlung der Rekurse aufgetragen.
Mit Punkt I. seines in der Folge gefassten und nun bekämpften Beschlusses gab das Rekursgericht dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs sowie die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung dahin ab, dass es sowohl den Antrag auf Vollstreckbarerklärung als auch den Exekutionsantrag abwies. Das Rekursgericht verwies die betreibende Partei in Ansehung ihres Rekurses gegen den Einstellungsbeschluss auf Punkt I. der Rekursentscheidung (Punkt II.). Mit Punkt III. wies das Rekursgericht näher bezeichnete Schriftsätze und Urkundenvorlagen der Parteien, die nach Erhebung der Rekurse der Parteien eingebracht wurden, unter Berufung auf den Grundsatz der Einmaligkeit von Rechtsmitteln zurück.
Das Rekursgericht vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass durch die rechtzeitige Einbringung des Überprüfungsantrags das in der Tschechischen Republik anhängige Verfahren zur Bestellung der Schiedsrichter eingeleitet worden sei. Es liege der Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit e des New Yorker Schiedsübereinkommens (in der Folge immer: NYÜ) vor.
Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht mit der Begründung für zulässig, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Verbindlichkeit eines Schiedsspruchs im Fall der Erhebung eines Überprüfungsantrags fehle, wenn der Überprüfungsantrag nach den Behauptungen des Titelgläubigers mit formellen Mängeln behaftet sei.
Mit ihrem Revisionsrekurs bekämpft die betreibende Partei den Beschluss des Rekursgerichts zur Gänze mit dem (erkennbaren) Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Vollstreckbarerklärung und die Exekutionsbewilligung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt, der mit dem Antrag verbunden wurde, „dem Rekursgericht eine Entscheidung über die Anträge der betreibenden Partei vom 26. 7. 2011 und vom 2. 11. 2012“ aufzutragen.
Die verpflichtete Partei beantragte die Zurückweisung des Revisionsrekurses der betreibenden Partei. Hilfsweise stellt sie den Antrag, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
In ihrem Revisionsrekurs macht die betreibende Partei zusammengefasst geltend, dass das Rekursgericht trotz Geltung des Neuerungsverbots im Rekursverfahren ungeprüft neue Tatsachenbehauptungen der verpflichteten Partei zugrundegelegt habe, die Tatsachenbehauptungen der betreibenden Partei aber unberücksichtigt gelassen habe. Ein Beweisverfahren sei nicht durchgeführt worden. Die Rekursentscheidung sei daher nichtig. Die verpflichtete Partei hätte ihre neuen Tatsachenbehauptungen nicht im Rekurs, sondern mittels Impugnationsklage geltend machen müssen. Den Schriftsatz der verpflichteten Partei vom 23. Oktober 2012 habe das Rekursgericht nicht zurückgewiesen und den entsprechenden Zurückweisungsantrag der betreibenden Partei unerledigt gelassen. Im Übrigen sei der vom Rekursgericht bejahte Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit e NYÜ nicht verwirklicht, weil die verpflichtete Partei keinen wirksamen Überprüfungantrag gestellt habe.
Dazu wurde erwogen:
1. Zum behaupteten Verstoß gegen das Neuerungsverbot und zur behaupteten Nichtigkeit der Rekursentscheidung
1.1 Bereits in seinem in diesem Verfahren ergangenen Beschluss vom 11. Juli 2012 zu AZ 3 Ob 18/12m verwies der Senat darauf, dass gemäß der ausdrücklichen Anordnung in § 84 Abs 2 Z 2 EO das sonst im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot durchbrochen ist: Das erstinstanzliche Vollstreckbarerklärungsverfahren ist in Österreich als einseitiges Urkundenverfahren ausgestaltet, an dem der Antragsgegner nicht beteiligt ist, in dem aber nicht nur reine Rechts-, sondern auch Tatfragen zu lösen sind. Zum Ausgleich des Ausschlusses des Verpflichteten von dem erstinstanzlichen Verfahren tritt die Möglichkeit für ihn, in seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss, mit dem die Vollstreckbarerklärung erteilt wurde, oder in seiner Rekursbeantwortung zum Rekurs des Gläubigers gegen den Beschluss, mit dem die Vollstreckbarerklärung verweigert wurde, Neuerungen vorzubringen (Jakusch in Angst, EO2 § 84 Rz 10).
1.2 Diese nur für den Verpflichteten geltende Neuerungserlaubnis bezieht sich, wenn das Erstgericht den Titel für vollstreckbar erklärt hat, nur auf Rekurse an die zweite Instanz (RIS-Justiz RS0116742), wobei gemäß § 84 Abs 2 Z 2 Satz 2 EO der Schuldner zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen verpflichtet wird, mit seinem Rekurs alle bisher nicht aktenkundigen Verweigerungsgründe geltend zu machen (Eventualmaxime - vgl Jakusch in Angst, EO2 § 84 Rz 16; Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 84 EO Rz 17).
1.3 Die von der verpflichteten Partei in ihrem Rekurs vorgebrachten Tatsachen, die inhaltlich den Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit e NYÜ betreffen, verstoßen somit nicht gegen das Neuerungsverbot. Der Vorwurf im Revisionsrekurs, die Rekursentscheidung sei wegen Verletzung des Neuerungsverbots „nichtig“ bzw mangelhaft, ist somit unbegründet.
1.4 Richtig ist allerdings, dass der Verpflichtete aufgrund der Eventualmaxime nach Rekurserhebung neues Vorbringen - jedenfalls soweit es ihm bereits bekannt war - (Jakusch in Angst, EO2 § 84 Rz 18; Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 84 EO Rz 17) später nicht mehr geltend machen kann.
Ob die nach Rekurserhebung erfolgte Urkundenvorlage vom 23. Oktober 2012 (ON 50), deren Zurückweisung die betreibende Partei beantragte, überhaupt der Eventualmaxime widerspricht, kann dahinstehen, weil das Rekursgericht die vorgelegte Urkunde - ein Schreiben des Generaldirektors des Amts für die Vertretung des Staates in Vermögenssachen - nicht verwertete. Alle übrigen nach Rekurserhebung eingebrachten Schriftsätze und Urkundenvorlagen der verpflichteten Partei wies das Rekursgericht ohnedies zurück.
1.5 Auch die im Revisionsrekurs gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor: Das Rekursverfahren ist sowohl gegen die Bewilligung als auch gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung der Vollstreckbarerklärung zweiseitig. Der betreibenden Partei stand es daher frei - von welcher Möglichkeit sie auch Gebrauch gemacht hat - eine Rekursbeantwortung einzubringen und zu dem Rekursvorbringen der verpflichteten Partei Stellung zu beziehen, wobei es ihr aus Gründen eines fairen Verfahrens auch freistand, trotz des für sie grundsätzlich im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbots auf neue Behauptungen der verpflichteten Partei unter Stellung von Beweisanträgen zu replizieren (Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 84 EO Rz 22; Jakusch in Angst EO2 § 84 Rz 10).
2. Zu den Tatsachengrundlagen:
Das Rekursgericht hat seine Entscheidung nicht, wie im Revisionsrekurs gerügt, ausschließlich auf einen von der verpflichteten Partei behaupteten, aber durch kein Beweisverfahren festgestellten Sachverhalt gegründet. Es ist vielmehr von folgendem Sachverhalt ausgegangen, der auch nach dem Vorbringen der betreibenden Partei nicht strittig ist:
2.1 In Punkt I. des von der betreibenden Partei selbst vorgelegten Schiedsvertrags vom 18. September 1996 (Blg ./A) vereinbarten die Parteien, dass im Schiedsverfahren nach dem (tschechischen) Gesetz Nummer 214/1994 GBl. über das Schiedsverfahren und den Schiedsbefundvollzug (in der Folge immer: tschechisches Schiedsverfahrensgesetz) zu entscheiden ist.
Punkt II. letzter Satz des Schiedsvertrags legt fest, dass das Gericht den dritten Schiedsrichter auf Antrag jeglicher Vertragspartei oder jedes der bereits bestellten Schiedsrichter bestellt, wenn sich die bestellten Schiedsrichter über die Person des dritten Schiedsrichters innerhalb von 30 Tagen nach dem Ablauf der Frist für deren Bestellung nicht einig sind.
Punkt IV. regelt bestimmte Verfahrensmodali-täten abweichend vom tschechischen Schiedsverfahrensgesetz (grundsätzliche Schriftlichkeit; für Parteien-, Zeugen- und Sachverständigenvernehmung mündliches Verfahren).
Punkt V. lautet wörtlich:
„Die Vertragsparteien haben ferner vereinbart, dass der Schiedsbefund einer Überprüfung durch andere Schiedsrichter unterliegt, die die Vertragsparteien auf dieselbe Art und Weise wählen, wenn die Beantragung der Überprüfung der anderen Vertragspartei innerhalb von 30 Tagen seit dem Tag zugestellt wird, wo der beantragenden Vertragspartei der Schiedsbefund zugestellt worden ist. Die Art II. bis IV. dieses Vertrages gelten für die Überprüfung des Schiedsbefundes ähnlich. Wird der Überprüfungantrag der anderen Vertragspartei in dieser Frist nicht zugestellt, tritt der Befund in Rechtskraft, und die Vertragsparteien verpflichten sich freiwillig, diesen in der durch die Schiedsrichter bestimmten Frist zu vollziehen, sonst kann er durch das zuständige Gericht vollzogen werden.“
2.2 Unstrittig und von der betreibenden Partei in ihrem Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Vorlage des Rechtsgutachtens Blg ./D selbst vorgebracht ist ferner, dass die beklagte Partei des Schiedsverfahrens (nunmehr verpflichtete Partei) innerhalb der in der Schiedsvereinbarung normierten 30-tägigen Frist einen Antrag auf Überprüfung des Schiedsspruchs bei der klagenden Partei des Schiedsverfahrens (nunmehrige betreibende Partei) erhob, wobei der Überprüfungsantrag die Unterschrift des Gesundheitsministers sowie des Generaldirektors des Amts für die Vertretung des Staates in Vermögenssachen trägt.
2.3 Bescheinigt durch Vorlage eines Urteils des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik vom 14. Oktober 2010 und von der betreibenden Partei nicht bestritten ist überdies, dass das Oberste Gericht der Tschechischen Republik mit der genannten Entscheidung das Stadtgericht Prag als zuständiges Gericht für die Bestellung des dritten Schiedsrichters für das Überprüfungsverfahren des Schiedsspruchs, dessen Vollstreckbarerklärung hier beantragt wird, bestimmte, weil sich die von den Parteien für das Überprüfungsverfahren bestellten Schiedsrichter innerhalb der im Schiedsvertrag angeführten Frist von 30 Tagen nicht auf die Person des dritten Schiedsrichters einigen konnten.
2.4 Die betreibende Partei bezog sich in ihrem Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Vorlage des Rechtsgutachtens Blg ./D ausdrücklich auf die §§ 27 und 28 des hier anzuwendenden (I. des Schiedsvertrags) tschechischen Schiedsverfahrensgesetzes. Diese Bestimmungen lauten nach dem von der verpflichteten Partei nicht bestrittenen Vorbringen der betreibenden Partei in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag (Blg ./D) wie folgt:
§ 27 Schiedsverfahrensgesetz:
„Die Parteien können im Schiedsvertrag vereinbaren, dass der Schiedsspruch auf Antrag einer oder beider Parteien durch andere Schiedsrichter überprüft werden kann. Wird im Schiedsvertrag nichts anderes bestimmt, muss der Antrag auf Überprüfung innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag der Zustellung des Schiedsspruchs an den Antragsteller an die andere Partei versendet werden. Die Überprüfung des Schiedsspruchs ist ein Bestandteil des Schiedsverfahrens und die Bestimmungen des Schiedsverfahrensgesetzes sind auf die Überprüfung anwendbar.“
§ 28 Schiedsverfahrensgesetz:
„1) Eine Ausfertigung des Schiedsspruchs ist den Parteien zuzustellen und muss nach der Zustellung mit der Rechtskraftklausel versehen sein.
2) Ein Schiedsspruch, der nach § 27 nicht überprüft werden kann oder bei dem die Frist für den Antrag auf Überprüfung des Schiedsspruchs erfolglos abgelaufen ist, wird an dem Tag der Zustellung rechtskräftig und vollstreckbar.“
2.5 Da - wie aufzuzeigen sein wird - dieser unstrittige Sachverhalt ausreicht, die Entscheidung des Rekursgerichts zu bestätigen, es somit keiner Feststellungen bedarf, die ausschließlich aufgrund eines von der betreibenden Partei bestrittenen Vorbringens der verpflichteten Partei getroffen werden könnten, ist der Vorwurf der betreibenden Partei, die Vollstreckbarerklärung sei mangelhaft, weil ohne Beweisaufnahmeverfahren, zugunsten der verpflichteten Partei entschieden worden ist, unbegründet.
3. Zum Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit e NYÜ
Die betreibende Partei beantragte die Vollstreckbarerklärung nach dem NYÜ. Die verpflichtete Partei berief sich inhaltlich ausschließlich auf den Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit e NYÜ.
3.1 Vorauszuschicken ist, dass entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung Versagungsgründe sehr wohl im Vollstreckbarerklärungsverfahren einer Überprüfung zu unterziehen sind.
Der Verpflichtete ist dabei im Anwendungsbereich des NYÜ für das Vorliegen eines Anerkennungsversagungsgrundes, somit auch des hier geltend gemachten Anerkennungsversagungsgrundes des Art V Abs 1 lit e NYÜ, behauptungs- und beweispflichtig (Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2 [1989] Rz 924; Czernich in B/N/G/S, Internationales Zivilverfahrensrecht, Art V NYÜ Rz 4).
Nur dann, wenn der Schiedsspruch zwar verbindlich ist, in seinem Ursprungsstaat jedoch ein Rechtsbehelf gegen ihn (zB eine Aufhebungsklage) ergriffen wurde, kann das Exequaturgericht das Anerkennungsverfahren, „soferne es das für angebracht hält“, bis zur Entscheidung des Gerichts im Ursprungsstaat unterbrechen (3 Ob 65/11x EvBl 2012/9 [Öhlberger] = ecolex 2012/94 [Hausmaninger]).
Es trifft somit nicht zu, dass zur Geltendmachung des Versagungsgrundes eine Impugnationsklage erhoben werden muss.
3.2 Der Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit e NYÜ liegt vor, wenn der Verpflichtete beweist, dass der Schiedsspruch noch nicht verbindlich ist.
Übereinstimmung besteht in der Lehre dahin, dass mit der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs nicht dessen vorangehende Vollstreckbarerklärung am Schiedsort im Sinn eines Doppelexequatur gemeint ist, sondern dessen Unüberprüfbarkeit in der Sache selbst durch ein staatliches Gericht oder eine zweite Schiedsinstanz (Torggler, Praxishandbuch Schiedsgerichtsbarkeit [2007] 265; Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit2 Rz 786; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit [2007] 93 mwN).
3.3 Im Übrigen ist die Frage, wann ein Schiedsspruch nach dem NYÜ verbindlich ist, in der Lehre durchaus nicht unumstritten:
3.3.1 Nach überwiegender Auffassung (Czernich in B/N/G/S, Internationales Zivilverfahrensrecht, Art V NYÜ Rz 47 mwN; zahlreiche weitere Nachweise bei Solomon, Verbindlichkeit von Schiedssprüchen 97 FN 206), ist die Verbindlichkeit des Schiedsspruchs nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht zu bestimmen. Nach dieser Formel ist ein Schiedsspruch dann verbindlich, wenn er alle Voraussetzungen erfüllt, um nach seinem Heimatrecht für vollstreckbar erklärt zu werden.
3.3.2 Die Befürworter einer autonomen Interpretation des Begriffs „verbindlich“ vertreten die Auffassung, dass nur die Zulässigkeit einer die Überprüfung von Tat- und Rechtsfragen einschließenden Berufung zu einem Schiedsgericht höherer Instanz oder zu einem staatlichen Gericht (gemeint: nicht im Sinne einer Aufhebungsklage, sondern einer „vollen Berufung“) die Bindung an den Schiedsspruch ausschließt (Nachweise bei Schlosser, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Rz 786 FN 7). Dabei führen die Vertreter der These einer autonomen Auslegung ins Treffen, dass die grenzüberschreitende Vollstreckung eines Schiedsspruchs doch wieder von einem Doppelexequatur abhängig gemacht werden könnte, wenn der Heimatstaat des Schiedsspruchs dessen Verbindlichkeit an das Exequatur knüpft.
3.4 Eines näheren Eingehens auf diese Frage erübrigt sich aber, weil hier beide Interpretationsvarianten zum gleichen Ergebnis führen:
3.4.1 Bei autonomer Interpretation des Begriffs „verbindlich“ ist Verbindlichkeit eingetreten, wenn gegen den Schiedsspruch kein ordentliches Rechtsmittel zu einem höheren Schiedsgericht oder einem staatlichen Gericht mit umfassender Überprüfung in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht mehr möglich ist.
3.4.2 Genau das ergibt sich aber - von der betreibenden Partei zugestanden - auch aus dem maßgeblichen tschechischen Schiedsverfahrensgesetz: Nach den unter 2.4 dargestellten §§ 27 und 28 des tschechischen Schiedsverfahrensgesetzes ist ein Schiedsspruch, der innerhalb der Frist durch Überprüfungsantrag einer der Parteien bekämpft wird, nicht vollstreckbar, sofern - wie im Anlassfall - die Schiedsvereinbarung eine solche Überprüfungsmöglichkeit vorsieht.
3.4.3 Der Schiedsspruch ist somit formell (erst dann) verbindlich, wenn alle Verfahrensakte vorgenommen werden, um die das Schiedsverfahren beendende, abschließende Entscheidung des Schiedsgerichts zu treffen. Kann innerhalb des von den Parteien gewählten Schiedsverfahrens noch eine „zweite Instanz“ angerufen werden, so ist der Streit nach dem von den Parteien gewählten und damit für sie maßgeblichen Streitentscheidungssystem noch nicht endgültig entschieden. Die fehlende Verbindlichkeit ist ganz deutlich aus Punkt V. Der Schiedsvereinbarung abzuleiten. Wird ein Überprüfungsantrag nicht gestellt, „tritt der Befund (das ist der Schiedsspruch) in Rechtskraft, und die Vertragsparteien verpflichten sich freiwillig, diesen in der durch die Schiedsrichter bestimmten Frist zu vollziehen“. Daraus geht klar die aufschiebende Wirkung eines gestellten Überprüfungsantrags hervor.
Das Schiedsverfahren erster und höherer Instanz bildet ein einheitliches Verfahren, das auf die Herbeiführung der einen das Schiedsverfahren insgesamt beendenden Entscheidung des Schiedsgerichts gerichtet ist. Ebenso wie das noch anfechtbare Urteil eines staatlichen Gerichts insofern nicht endgültig ist, als es innerhalb des staatlichen Verfahrens noch durch eine übergeordnete Instanz aufgehoben werden kann, steht auch hier die „erstinstanzliche“ Entscheidung unter dem Vorbehalt einer Aufhebung oder Änderung innerhalb des schiedsgerichtlichen Streitentscheidungssystems.
Dementsprechend ist der erstinstanzliche Schiedsspruch auch, solange er noch vor dem Oberschiedsgericht anfechtbar ist, weder vollstreckbar noch durch ein staatliches Gericht aufhebbar. Erst wenn ein Rechtsbehelf zum Oberschiedsgericht, insbesondere wegen Fristablaufs, nicht mehr möglich ist, ist der Schiedsspruch erster Instanz „formell rechtskräftig“ (Solomon, Verbindlichkeit von Schiedssprüchen 390 bis 392; im Ergebnis ebenso Torggler, Praxishandbuch 265; Czernich in B/N/G/S, Internationales Zivilverfahrensrecht, Art V. NYÜ Rz 48).
3.4.4 Dass der in der vorliegenden Schiedsvereinbarung vorgesehene Überprüfungsantrag zu einer „vollen“ Überprüfung des Schiedsbefundes auch in der Tatfrage führt, ergibt sich aus dem Verweis in Punkt V der Schiedsvereinbarung auf die Punkte II. bis IV. des Vertrags (s insbesondere den Verweis auf IV., der die Form der Beweisaufnahmen regelt).
3.4.5 Davon ausgehend führen bereits die unstrittigen Tatsachen, wonach innerhalb der 30-tägigen Frist ein Überprüfungsantrag namens der verpflichteten Partei erhoben wurde und das Oberste Gericht der Tschechischen Republik das zuständige Gericht in Tschechien zur Bestellung des dritten Schiedsrichters bestimmt hat, zur Beurteilung, dass der Schiedsspruch nicht verbindlich ist:
Ob nämlich der fristgerecht gestellte Überprüfungsantrag von dem dazu legitimierten Vertreter der verpflichteten Partei gestellt wurde, obliegt ausschließlich der Entscheidung des Oberschiedsgerichts. Das gilt ebenso für die Frage, ob ein allfälliger Vertretungsmangel bei Stellung des Überprüfungsantrags einem Verbesserungsverfahren zugänglich ist.
Solange daher das fristgerecht angerufene Oberschiedsgericht nicht entweder den Überprüfungsantrag der verpflichteten Partei zurückgewiesen hat oder nach inhaltlicher Überprüfung des erstinstanzlichen Schiedsspruchs diesen ganz (oder teilweise) aufrechterhält, ist das Schiedsverfahren noch nicht beendet und somit eine Verbindlichkeit des Schiedsspruchs nicht eingetreten.
3.5 Eines Eingehens auf das umfangreiche wechselseitige Vorbringen zur Frage, wer für die verpflichtete Partei vertretungsbefugt war, den Überprüfungsantrag einzubringen, bedarf es daher nicht. Diese Frage ist vielmehr durch das Überprüfungsschiedsgericht zu klären.
4. Der Beschluss des Rekursgerichts ist somit zu bestätigen: Mangels Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs ist auch die Abweisung des Exekutionsantrags berechtigt erfolgt.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO.
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