OGH 11Os47/15v

OGH11Os47/15v11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zonsics als Schriftführer in der Strafsache gegen Srdan K***** und Suzana J***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1, Abs 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Oktober 2014, GZ 13 Hv 39/13t‑29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00047.15V.0811.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Srdan K***** enthält, wurden Srdan K***** und Suzana J***** von der Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, es hätten in W*****

Srdan K*****

1./ im Zeitraum von Juni 2009 bis September 2010 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert Verfolgten als Mittäter (§ 12 StGB) teils als Geschäftsführer, teils als faktischer Machthaber der M***** GmbH, welche Schuldnerin mehrerer Gläubiger gewesen sei, Bestandteile von deren Vermögen verheimlicht und beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger im Umfang von 718.042,40 Euro geschmälert;

2./ als Dienstgeber der Wiener Gebietskrankenkasse Beiträge zur Sozialversicherung im Betrag von 147.465,62 Euro und der BUAK Zuschläge nach dem Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungsgesetz in Höhe von 143.871,79 Euro betrügerisch vorenthalten, wobei er schon die Anmeldung zur Sozialversicherung in der Absicht vorgenommen habe, keine ausreichenden Beiträge und Zuschläge zu leisten;

3./ vor Beamten des Teams K***** des Finanzamts Wien 2/20/21/22, sohin vor einer Verwaltungsbehörde als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er angab, dass es nicht möglich gewesen sei, dass eine andere Person in seinem Namen Geschäfte abschließe, obwohl er gewusst habe, dass diese Aussage falsch war und Branko V***** den Subunternehmervertrag mit Aydin C***** unterschrieben habe;

4./ durch die unter Punkt 3./ getätigte Aussage und ‑ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Branko V***** als Mittäter (§ 12 StGB) ‑ durch die Beauftragung des Rechtsanwalts Dr. Herbert M***** mit der Einbringung einer Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien den Aydin C***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn eines schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB, mithin einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, falsch verdächtigt habe, obwohl er gewusst habe, dass die Verdächtigung falsch sei;

5./ Suzana J***** durch die Durchführung der Anmeldungen von Arbeitnehmern zur Wiener Gebietskrankenkasse und zur BUAK zu den strafbaren Handlungen anderer nach § 153d StGB beigetragen, und zwar

a./ des Srdan K*****, welcher als Dienstgeber der Wiener Gebietskrankenkasse Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 52.174,05 Euro und der BUAK Zuschläge nach dem Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungsgesetz in Höhe von 242.895,84 Euro betrügerisch vorenthalten habe, wobei er schon die Anmeldung zur Sozialversicherung in der Absicht vornahm, keine ausreichenden Beiträge und Zuschläge zu leisten und zu den unter 2./ geschilderten Tathandlungen und

b./ des abgesondert verfolgten Slobodan D*****, der im Zeitraum 16. Juni 2009 bis 18. März 2010 als Geschäftsführer der G***** GmbH, sohin als Dienstgeber, dem berechtigten Sozialversicherungsträger Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 274.714,49 Euro sowie der BUAK Zuschläge nach dem Bauarbeiter‑Urlaubs- und Abfertigungsgesetz in Höhe von 96.059,72 Euro betrügerisch vorenthalten habe, wobei er schon die Anmeldung zur Sozialversicherung in der Absicht vorgenommen habe, keine ausreichenden Beiträge und Zuschläge zu leisten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Freisprüche richtet sich die aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Dieser kommt ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde betreffend Srdan K*****:

Vom Vorwurf der Falschaussage vor einer Verwaltungsbehörde (3./) sprach das Erstgericht Srdan K***** insbesondere deshalb frei, weil nicht festgestellt werden konnte, dass dieser dort als Zeuge vernommen wurde (US 10).

Zum Verleumdungsvorwurf (4./) gingen die Tatrichter davon aus, dass die von Srdan K***** veranlasste Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien durch den Rechtsanwalt Dr. Herbert M***** lediglich den Vorwurf umfasste, dass von dritter Seite unrechtmäßig Arbeitnehmer zur Sozialversicherung auf die M***** GmbH angemeldet worden seien (US 10 f).

Die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung der Zeugen Aydin C***** und Dr. Herbert M***** zum Beweis dafür, „dass es zwischen C***** bzw dem Subunternehmer einen Vertrag zwischen V***** und ihm gab und dass der Erstangeklagte vor dem Beamten der K***** anders ausgesagt habe“, ließen ein Vorbringen vermissen, inwieweit die für sich genommen jedenfalls keine entscheidende Tatsachen betreffenden Umstände ‑ ungeachtet der solcherart dem Schöffengericht vermittelten Sach- und Beweislage ‑ hätten geeignet sein können, den Ausspruch über entscheidende Tatsachen nachhaltig zu beeinflussen (RIS‑Justiz RS0116503 [T9]; RS0099454).

Die erst in der Verfahrensrüge zur Antragsfundierung erstatteten Nachträge sind verspätet und somit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618; RS0099117).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfielen auch die weiteren Anträge auf Vernehmung der Masseverwalter Dr. Karl E***** und Dr. Ilse Ko***** zum Beweis dafür, dass die Fahrzeuge wie zu Punkt A der Anklage nicht zu verwerten waren, weil sie seitens des Erstangeklagten K***** verbracht worden seien, zu Recht der Abweisung: Denn es hätte eines Vorbringens bedurft, warum die Genannten als ehemalige Masseverwalter zwar nicht im Ermittlungsverfahren wohl, aber in der Hauptverhandlung in der Lage sein sollten, die wirtschaftliche Zuordnung der Fahrzeuge zum Vermögen des Unternehmens vorzunehmen (ON 3 in ON 8 in Band 1 und S 445 in ON 11 in Band 1). Davon, dass die Fahrzeuge auf die Gesellschaft angemeldet waren, ging das Erstgericht aus (US 13).

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) moniert eine unzureichende Begründung der Negativfeststellung zur Vermögensverringerung durch Verbringen von Fahrzeugen. Dementgegen ist die aus der Sachverhaltsdarstellung des Dr. Karl E***** (in der dieser festhielt, dass er weder über die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse noch über den Verbleib der Fahrzeuge etwas in Erfahrung bringen konnte [ON 3 in ON 8 in Band 1]) abgeleitete Feststellung (US 13) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Mit der Kritik an der unterbliebenen Vernehmung des Masseverwalters als Zeugen ist die Staatsanwaltschaft auf die Erledigung der Verfahrensrüge zu verweisen.

Durch den Hinweis auf den Schuldspruch im Fall Co***** wird kein Begründungsdefizit aufgezeigt.

Der die Freisprüche 1./ und 2./ betreffende Vorwurf des Fehlens von Feststellungen dazu, ob der Erstangeklagte im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Branko V***** bzw anderen Mittätern gehandelt habe (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), richtet sich prozessordnungswidrig gegen die zur subjektiven Tatseite getroffenen Negativfeststellungen (US 6). Im Übrigen legt die Rüge nicht dar, auf Basis welcher Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung das Erstgericht die gewünschten Feststellungen treffen hätte sollen.

Die zum Freispruch vom Verleumdungsvorwurf getroffenen Negativfeststellungen stehen nicht im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu den Feststellungen zum vorsätzlichen Handeln des Srdan K***** im Fall der Co***** (US 6 f).

Angesichts der Erfolglosigkeit der Mängelrüge bedurfte die zu den getroffenen gegenteilige Feststellungen als Grundlage von Schuldsprüchen reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) keiner Erwiderung.

Im Übrigen ist dem nominell auf Z 5 und Z 9 lit a gestützten Vorbringen zu erwidern, dass aus diesen Nichtigkeitsgründen (entgegen der Intention der Staatsanwaltschaft) keine Feststellungen begehrt werden können. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen; fehlen die dafür notwendigen Indizien, bedarf es zur Geltendmachung darauf bezogene Anträge aus Z 4, werden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel geltend zu machen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde betreffend Suzana J*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Eduard Do***** zum Beweis dafür, „ob die Angeklagte Suzana J***** gewusst hat, dass die Dienstnehmerbeiträge und Sozialversicherungsabgaben nicht geleistet wurden bzw zu welchem Zeitpunkt nicht" (S 49 in ON 28) zu Recht abgewiesen, weil er auf eine im Hauptverfahren nicht zulässige

Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS‑Justiz RS0118123).

Die erst in der Verfahrensrüge zur Antragsfundierung erstatteten Nachträge sind verspätet und somit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618; RS0099117).

Mit dem Einwand des Fehlens von Feststellungen zur subjektiven Tatseite macht die Rüge der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend, bezeichnet aber kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Sachverhaltssubstrat, aus dem sich der vom Tatbestand geforderte Vorsatz ableiten lassen hätte können. Die Behauptung, die Zweitangeklagte habe den Erstangeklagten darauf hingewiesen, dass er Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müsse, aus dem Unterlassen aber keine Konsequenzen abgeleitet, sondern weitere Anmeldungen vorgenommen, stellt keinen Aktenbezug her.

Nicht getroffene Feststellungen können nicht als unzureichend begründet bekämpft werden.

Die in Bezug auf beide Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.

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