European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00080.15X.0730.000
Spruch:
Andrzej S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Der polnische Staatsangehörige Andrzej S***** wurde mit ‑ nicht rechtskräftigem ‑ Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Mai 2015 (ON 345) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (A/1‑19), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B/1‑8) und der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (C/) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Danach hat er
A) fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 50.000 Euro weit übersteigenden Gesamtwert von zumindest 163.348,73 Euro durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen und Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar:
1) „auf den“ 4. Mai 2014 in L*****
a) Rosemarie D***** 600 Euro Bargeld,
b) Wolfgang Sk***** eine Lesebrille im Wert von 20 Euro,
c) Thomas F***** ein Fernglas im Wert von 12 Euro,
d) Walter H***** zwei Gemälde im Wert von ca. 1.800 Euro,
e) Gewahrsamsträgern der J***** GmbH ein Notebook, eine Dockingstation, einen Videobeamer, eine Ledertasche und Schlüssel im Gesamtwert von ca 2.151,60 Euro sowie 763,38 Euro Bargeld,
wobei er ein Fenster aufbrach, im Inneren des Gebäudes zwölf Büros durchsuchte sowie vier Türen und zwei Handkassen aufbrach;
2) „auf den“ 7. Mai 2014
a) in M*****/S*****
i) Gewahrsamsträgern der St***** GmbH einen Möbeltresor samt Inhalt (Computerteile, Software), ein Bankomatlesegerät und ein Mobiltelefon im Gesamtwert von ca 1.600 Euro sowie 2.675,50 Euro Bargeld,
ii) Xhevdet A***** zwei Umhängetaschen, eine Kellnergeldtasche und einen Koffer samt Inhalt im Gesamtwert von 340 Euro,
wobei er ein Fenster aufbrach und dadurch einstieg;
b) in U***** Thomas L***** aus der Umkleidekabine des Golfgebäudes einen Golfbag samt Golfausrüstung im Wert von ca 3.400 Euro;
3) „auf den“ 9. Mai 2014 in G*****
a) Erich G***** als Gewahrsamsträger der E***** GmbH drei Notebooks samt Zubehör, eine Fotokamera samt Zubehör, ein Handyladegerät und einen Taschenrechner im Gesamtwert von 1.915,79 Euro sowie eine Kassette mit 811 Euro Bargeld,
b) Joachim M***** (K***** M*****) einen Laptop, zwei Nintendo‑Gameboy Spiele, zwei Handkassen und einen Standtresor samt Inhalt (darunter Firmenstempel und Zange), im Gesamtwert von 1.497 Euro,
wobei er ein Fenster aufbrach;
4) am 21. Mai 2014 in H***** Gewahrsamsträgern der T***** vorzufindende Wertgegenstände, wobei er Fenster aufzubrechen versuchte und die Tat infolge Entdeckung beim Versuch blieb;
5) „auf den“ 28. Mai 2014 in F*****
a) Alois B***** (Tischlerei B*****) vorzufindende Wertgegenstände, wobei die Tat mangels Beute beim Versuch blieb,
b) Herbert H***** (Baumeister H*****) ein Notebook, eine Laptoptasche, ein iPad, einen PC Lenovo, eine Computermaus, eine Handyschutztasche, ein Mobiltelefon, vierzig Schlüssel und Kleingeräte im Wert von zumindest 2.301,63 Euro,
wobei er ein Fenster aushebelte und eine Metalltür aufbrach;
6) von 13. bis 16. Juni 2014 in St. P***** Gewahrsamsträgern der Ö*****mbH einen PC samt Zubehör, ein Messer, ein Mobiltelefon, ein Bohrwerkzeug, eine Tasche und Lebensmittel im Gesamtwert von 450 Euro sowie 2.250 Euro Bargeld, wobei er ein Fenster und eine Tür zu einem Lagerraum aufbrach und einen vorgefundenen Tresor mit einem mitgebrachten Schneidbrenner aufschnitt;
7) „auf den“ 20. Juni 2014 in P***** Gewahrsamsträgern der Freiwilligen Feuerwehr P***** eine Bergeschere, einen hydraulischen Rettungszylinder, einen hydraulischen Spreizer, ein Brecheisen und einen Defibrillator im Gesamtwert von 11.850 Euro, wobei er ein Fenster aufzwängte;
8) am 5. August 2014 in O***** Gewahrsamsträgern des Gasthofs Ste***** Bargeld, zwei iPads, eine externe Festplatte, einen Laptop, Sonnenbrillen, einen Beamer, eine Wanduhr, „Gratiskarten“ und Zigaretten im Gesamtwert von ca 5.410 Euro, wobei er mehrere Schubladen im Thekenbereich aufbrach;
9) „auf den“ 23. August 2014 in W***** bei L*****
a) Günter Fr***** Bekleidung, Kosmetika und Schnaps im Wert von ca 300 Euro,
b) Hans P***** Bekleidung und Kosmetika im Wert von ca 1.000 Euro,
c) Heinz-Günter E***** Golfschuhe im Wert von ca 80 Euro,
d) Reinhold Le***** Bekleidung, Kosmetika und Golfartikel im Wert von ca 872 Euro,
e) Helmut So***** Bekleidung, Kosmetika und Golfartikel im Wert von ca 400 Euro,
f) Gerhard Z***** Bekleidung, Kosmetika und Golfartikel im Wert von ca 850,56 Euro,
g) Franz Ma***** Bekleidung im Wert von ca 190 Euro,
e) Andre K***** Bekleidung im Wert von ca 560,68 Euro,
indem er die Tür zum Lagerraum aufbrach und versperrte Spinde in der Umkleide aufbrach;
10) „auf den“ 25. August 2014 in S***** Michael Pr***** Sonnenbrillen, Bekleidung, diverse Elektronikgeräte und einen Regenschirm im Gesamtwert von ca 370 Euro, wobei er die linke vordere Seitenscheibe von dessen PKW einschlug;
11) „auf den“ 31. August 2014 in K***** Gewahrsamsträgern der Freiwilligen Feuerwehr K***** eine hydraulische Handpumpe, einen hydraulischen Spreizer, einen hydraulischen Rettungszylinder, eine hydraulische Schere, einen Koffer mit Glasschneider und einen Kanister mit 20 Liter Benzin im Gesamtwert von 16.370 Euro, wobei er zwei Zylinderschlösser abdrehte und eine Tür aufbrach;
12) „auf den“ 11. September 2014 in W***** Gewahrsamsträgern des Hotels R***** Schlüssel, Automatenmünzen und Briefmarken unerhobenen Gesamtwerts sowie ca 60 Euro Bargeld, wobei er zwei Kassenladen samt Halterung aus dem Tresen herausbrach;
13) „auf den“ 12. September 2014 in S*****
a) Gewahrsamsträgern des Gasthofs Sc***** drei Bilder, eine Festplatte, Zigaretten und diverse Kleingeräte unerhobenen Werts sowie 450 Euro Bargeld,
b) Christine W***** ein Mobiltelefon unerhobenen Werts,
wobei er einen Schließzylinder abdrehte und mehrere Schubladen aufbrach;
14) „auf den“ 13. September 2014 in M***** Gewahrsamsträgern der G***** GmbH & Co KG ca 16.000 Euro Bargeld, ein Überbringersparbuch mit einem Einlegestand von ca 10.000 Euro sowie Golfkleidung, Schlüssel und Alkoholika im Gesamtwert von zumindest 20.000 Euro, wobei er einen Schlosszylinder abdrehte sowie mehrere Türen und Behältnisse aufbrach oder aufzwängte;
15) „auf den“ 15. September 2014 in E***** (Golf‑ und Country‑Club Lä*****) Golfkleidung und Golfutensilien von zahlreichen im Urteil genannten Geschädigten, wobei er 45 Metallspinde und 14 Kästchen aufbrach sowie sämtliche Golfbags durchsuchte;
16) „auf den“ 17. September 2014 in S***** Gewahrsamsträgern des Hotels Pi***** eine digitale Spiegelreflexkamera, eine Digitalkamera, Schlüssel, ein Geldprüfgerät, ein Mobiltelefon, ein Beschriftungsgerät und weitere Gegenstände unerhobenen Werts sowie ca 2.600 Euro Bargeld, wobei er Schlosszylinder mehrerer Türen abdrehte und Schubladen aufbrach;
17) am 6. Oktober 2014 in S***** (Gasthof W***** K*****)
a) Peter F***** eine Kellnergeldtasche unerhobenen Werts,
b) Petra Sch***** ein Notebook und zwei Banktaschen im Gesamtwert von ca 500 Euro sowie ca 550 Euro Bargeld,
wobei er den Schließzylinder der Bürotür abdrehte;
18) am 13. Oktober 2014 in E***** Gewahrsamsträgern des Golfclubs E***** („Go*****“) Kleidung und Schuhe im Gesamtwert von ca 13.770,59 Euro, wobei er ein Fenster aufzwängte und mehrere Türen und Behältnisse aufbrach;
19) am 20. Oktober 2014 in W***** Gewahrsamsträgern der Freiwilligen Feuerwehr W***** Glasschneider, zwei Hebekissen, einen Pedalschneider, einen Rettungszylinder, eine Schlagbohrmaschine, ein Stromaggregat und eine Wärmebildkamera im Gesamtwert von zumindest 28.000 Euro, wobei er ein Fenster aufbrach und in das Gebäude einstieg;
B) Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder eine Tatsache gebraucht werden, und zwar
1) „auf den“ 9. Mai 2014 in G***** einen Zulassungsschein des Joachim M***** (K***** M*****);
2) „auf den“ 24. Mai 2014 in K***** Kennzeichentafeln des Konrad D*****;
3) „auf den“ 25. Mai 2014 in R*****
a) Kennzeichentafeln der Christine M*****,
b) Kennzeichentafeln der Monika B*****;
4) zwischen 28. und 31. Mai 2014 in L***** Kennzeichentafeln der Renate Gf*****;
5) „auf den“ 16. Juli 2014 in W***** Kennzeichentafeln des Willibald Br*****;
6) „auf den“ 25. August 2014 in S***** diverse Kundenkarten des Michael Pr*****;
7) „auf den“ 11. September 2014 in W***** zwanzig Gästekarten des Tourismusverbands P*****;
8) „auf den“ 17. September 2014 in S***** zwei Typenscheine und diverse Kundenkarten von Berechtigten des Hotels P*****;
C) am 7. Mai 2014 M*****/S***** zwei Euroshell-Tankkarten der St***** GmbH, mithin unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Zahlungsverkehr zu verhindern.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Innsbruck einer Beschwerde des Andrzej S***** samt Ergänzung (ON 322 und ON 324) gegen den vom Landesgericht Innsbruck am 29. April 2015 nach Haftverhandlung gefassten Beschluss (ON 314) auf Fortsetzung der über ihn am 19. Dezember 2014 verhängten Untersuchungshaft nicht Folge und setzte diese seinerseits aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, b und c StPO fort. Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts verwies das Beschwerdegericht auf die am 19. Mai 2015 erfolgte (wenn auch zufolge Anmeldung von Rechtsmitteln durch den Angeklagten nicht rechtskräftige) erstinstanzliche Verurteilung wegen des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Mai 2015 (ON 349) richtet sich die von seinem Verfahrenshilfeverteidiger am 10. Juni 2015 eingebrachte Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten vom 9. Juni 2015 (ON 368).
Die Dringlichkeit des Tatverdachts ist ab Fällung des Urteils in erster Instanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen. Die Beurteilung, ob das angefochtene Urteil mit formellen oder materiellen Mängeln behaftet ist und inwieweit Einwände dagegen berechtigt sind, bleibt dem Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten, weshalb sich die umfangreichen Einwände gegen den dringenden Tatverdacht einer Erörterung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren entziehen (RIS‑Justiz RS0108486, RS0061107).
Die Zuständigkeit des Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Verhängung der Untersuchungshaft und deren Fortsetzung richtete sich im Ermittlungsverfahren nach der das Verfahren führenden Staatsanwaltschaft (§§ 36 Abs 1, 33 Abs 1 Z 1 StPO); im Hauptverfahren wiederum kann ab der Rechtswirksamkeit der Anklage (hier: mit 25. März 2015; ON 250) vermeintlich örtliche Unzuständigkeit des in der Anklageschrift angerufenen Gerichts zufolge eingetretener „perpetuatio fori“ nicht mehr eingewendet werden (vgl §§ 213 Abs 5, 216 Abs 6 StPO).
Eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) durch die Unterinstanzen vermag die Beschwerde mit ihrer Kritik am ‑ vom Oberlandesgericht nicht beanstandeten (ON 349 S 4 f) ‑ Unterbleiben einer Ladung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen, der schriftliche Gutachten über spurenkundliche molekulargenetische Untersuchungen erstattet hatte, zu dem für 20. April 2015 anberaumten Hauptverhandlungstermin nicht darzulegen: Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklageschrift die Verlesung der Gutachten beantragt (ON 197 S 8). Dass der Angeklagte vor der Hauptverhandlung demgegenüber die persönliche Vorladung des betreffenden Sachverständigen begehrt hätte (§ 222 Abs 1 iVm 55 Abs 1 StPO), behauptet die Beschwerde nicht einmal. Der dem Erstgericht am 17. April 2015 (einem Freitag) bekannt gewordene Schriftsatz der Verteidigung (ON 295a) begehrte demgegenüber in Ansehung der Gutachten bloß den gerichtlichen Ausspruch, dass diese „gegenständlich nicht verwertet werden dürfen“ (ON 295a S 2 ff, 9). Im Übrigen ist eine ins Gewicht fallende Verfahrensverzögerung fallbezogen schon deshalb nicht auszumachen, weil die am 20. April 2015 von 8:30 Uhr bis 18:05 Uhr stattgefundene Hauptverhandlung auch zur Ladung weiterer Zeugen vertagt werden musste und in der Folge drei weitere Verhandlungstage (am 15. Mai 2015 von 13:00 Uhr bis 18:55 Uhr, am 18. Mai 2015 von 11:00 Uhr bis 18:47 Uhr und am 19. Mai von 08:40 Uhr bis 17:55 Uhr) in Anspruch nahm. Im Hinblick auf die im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochene Freiheitsstrafe von sieben Jahren führte die kritisierte Vertagung auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Dauer der Untersuchungshaft.
Da im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nur eine Ausführung der Beschwerdegründe zulässig ist, war auf die vom Verteidiger nachgereichten, als „Ergänzungen“ titulierten Eingaben (ON 371 und 373) nicht weiter Bedacht zu nehmen (vgl RIS‑Justiz RS0061430, RS0097055, RS0061478).
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).
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