OGH 3Ob136/15v

OGH3Ob136/15v15.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wider die verpflichtete Partei R*****, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.699,27 EUR sA über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. März 2015, GZ 63 R 16/15s‑40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 10. November 2014, GZ 9 C 175/14f‑24, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00136.15V.0715.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die bekämpfte Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei werden mit 1.185,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR an USt und 441 EUR an Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

 

Begründung:

Die Klägerin verlangte von der Beklagten 7.699,27 EUR sA aus einem Darlehensvertrag mittels Klage, der das Erstgericht mit Urteil vom 12. September 2014, ON 17, stattgab. Am letzten Tag der Berufungsfrist stellte die Beklagte den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang, auch durch Beigabe eines Rechtsanwalts, zur Einbringung der Berufung gegen dieses Urteil, den das Erstgericht bewilligte.

Am 7. November 2014 begehrte die Klägerin (im Weiteren: Betreibende), ihr hinsichtlich der im Ersturteil zuerkannten Kapitalforderung samt kapitalisierter Zinsen von 262,35 EUR sowie der Kosten des Exekutionsantrags von 492,41 EUR und der Berufungsbeantwortung von 1.082,93 EUR, zusammen 9.536,96 EUR, die Exekution zur Sicherstellung durch Drittverbot bezüglich einer Forderung der Beklagten gegenüber ihrer namentlich genannten Arbeitgeberin gemäß § 370 EO, hilfsweise gegen Erlag einer Sicherheitsleistung gemäß § 371a EO, für eine Sicherheitsdauer bis einem Monat ab Vollstreckbarkeit des Urteils ON 17 zu bewilligen.

Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden mit Beschluss vom 10. November 2014, ON 24, gemäß § 371a EO gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 3.000 EUR zur Sicherung der Forderung von 7.699,27 EUR sA sowie zur Sicherung der mit 492,41 EUR bestimmten Kosten des Exekutionsantrags die Exekution zur Sicherstellung durch das an die Verpflichtete gerichtete Verbot, über alle pfändbaren Ansprüche, die ihr aus dem aufrechten Dienstverhältnis gegenüber ihrer Dienstgeberin zustehen, insbesondere Auszahlung des laufenden pfändbaren Entgelts und der pfändbaren Sonderzahlungen des 13. und 14. Monatsentgelts sowie aus der Beendigung dieses Dienstverhältnisses, insbesondere Abfertigungsansprüche zu verfügen und diese Ansprüche einzuziehen. Der Drittschuldnerin wurde verboten, alle pfändbaren Bezüge aus dem Dienstverhältnis mit der Verpflichteten und aus dessen Beendigung bis zu einer gegenteiligen gerichtlichen Anordnung an die Verpflichtete auszuzahlen; als Exekutionsgericht wurde das Bezirksgericht Favoriten genannt; die Exekution zur Sicherstellung wurde bis zu dem Zeitpunkt bewilligt, zu dem die betreibende Partei Exekution zur Hereinbringung jener Forderung führen kann, zu deren Sicherstellung die gegenständliche Exekution bewilligt wurde; das darüber hinausgehende Antragsbegehren (also der Hauptantrag auf Bewilligung der Sicherungsexekution nach § 370 EO, die Bewilligung auch zur Sicherung der Kosten der Berufungsbeantwortung von 1.082,93 EUR und die Gewährung eines Sicherungszeitraums von einem Monat über den Eintritt der Vollstreckbarkeit hinaus) wurde ‑ rechtskräftig ‑ abgewiesen.

Dagegen erhob (nur) die Beklagte (in Hinkunft: Verpflichtete) am 24. November 2014 Rekurs, mit dem sie geltend machte, es fehle an der Voraussetzung für eine Bewilligung nach § 371a EO, weil sie noch gar keine Berufung erhoben habe, und die Sicherheitsleistung sei nicht hoch genug bestimmt worden.

Erst am 3. Dezember 2014 brachte die Verpflichtete gegen das Ersturteil auch eine Berufung ein.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung nicht Folge, dem Rekurs hingegen Folge, und wies den Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung ab; die ordentliche Revision und der ordentliche Revisionsrekurs wurden nicht zugelassen. Nach § 371a EO sei die Exekution zur Sicherstellung erst zulässig, wenn Berufung erhoben worden sei. Dass bereits einem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung ebendieser Berufung stattgegeben worden sei, genüge nicht, weil dies nicht zwingend die spätere Erhebung des Rechtsmittels zur Folge habe und eine analoge Anwendung des § 371a EO mangels planwidriger Lücke ausscheide. Die Rechtsmittelentscheidung wurde den Parteien am 16. April 2015 zugestellt, sodass die Vollstreckbarkeit des Ersturteils mit Ablauf des 14. Mai 2015 eintrat. Die Berufungsentscheidung blieb unbekämpft.

Über Antrag der Betreibenden vom 30. April 2014 ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die Exekution zur Sicherstellung auch dann bewilligt werden könne, wenn nur Verfahrenshilfe zur Einbringung der Berufung bewilligt worden sei.

Die Betreibende erhob einen Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutions-bewilligung. Darin argumentiert sie zusammengefasst, eine Analogie sei zulässig und zu bejahen. Ein Verfahrenshilfeantrag zögere die Rechtskraft der Entscheidung ebenso hinaus, wie die Erhebung der Berufung. Seine Erledigung dauere ‑ insbesondere in Fällen der Erhebung eines Rechtsmittels ‑ mitunter genauso lang wie die Erledigung der Berufung, deren Einbringung in solchen Fällen geradezu evident sei, insbesondere weil Verfahrenshilfeanträge in der Regel positiv beschieden würden. Damit sei die potentielle Gefährdungslage der obsiegenden Partei als Voraussetzung für die Sicherstellungsexekution bereits mit der Stellung des Verfahrenshilfeantrags verwirklicht und nicht erst dann, wenn ein Rechtsmittel auch tatsächlich ausgeführt werde.

Die Verpflichtete bestritt in ihrer von der zweiten Instanz freigestellten Revisionsrekursbeantwortung sowohl die Zulässigkeit als auch die inhaltliche Berechtigung des gegnerischen Rechtsmittels.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Zunächst ist klarzustellen, dass die Betreibende durch die Abweisung ihres Antrags in zweiter Instanz trotz des Umstands beschwert bleibt, dass sie in Folge eingetretener Rechtskraft des Ersturteils bereits Exekution zur Hereinbringung führen könnte. Denn das durch die Zustellung des Zahlungsverbots an den Drittschuldner begründete Pfandrecht besteht weiter, auch wenn der Exekutionsantrag später infolge eines Rekurses abgewiesen wird; es verliert gegebenenfalls erst rückwirkend mit der Rechtskraft der Rekursentscheidung seine Grundlage (RIS‑Justiz RS0002140), die hier noch nicht eingetreten ist. Außerdem werden die Exekutionshandlungen, die aufgrund der bewilligten Exekution zur Sicherstellung vollzogen wurden, nach Ablauf des Zeitraums, für dessen Dauer die Sicherung gewährt wurde, nicht von selbst unwirksam, sondern sie müssen nach § 377 Abs 2 EO mit Beschluss des Exekutionsgerichts aufgehoben werden, was nur zulässig ist, wenn die Vollstreckbarkeit der sichergestellten Geldforderung noch nicht eingetreten ist. Hier ist weder aktenkundig, dass die Exekutionshandlungen über Antrag der Verpflichteten zwischenzeitlich aufgehoben worden wären, noch sind die Voraussetzungen für die Aufhebung der Exekutionshandlungen erfüllt. Um den im Rahmen der Sicherstellungsexekution erreichten Pfändungsrang auch zur Befriedigung ausnützen zu können (mit dem Zeitpunkt, in dem der zu sichernde Anspruch vollstreckbar wird, geht die Sicherungsexekution ja nahtlos in eine Befriedigungsexekution über [3 Ob 72/83 SZ 56/99]), ist der Betreibenden weiterhin ein Interesse an der aufrechten Erledigung ihres Exekutionsantrags und damit ein Rechtsschutzinteresse zuzubilligen (vgl 3 Ob 104/87 SZ 60/278; RIS‑Justiz RS0002392).

2. Die Auslegung von Gesetzen hat zunächst mit der Wortinterpretation zu beginnen, worunter die Erforschung des Wortsinns, der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RIS‑Justiz RS0008896). Der äußerst mögliche Wortsinn steckt die Grenzen jeglicher Auslegung ab, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (RIS‑Justiz RS0008788 [T1]; RS0008796; RS0016495).

Der Wortlaut des § 371a EO macht die Zulässigkeit der Sicherstellungsexekution gegen Sicherheitsleistung allein davon abhängig, dass gegen Endurteile erster oder zweiter Instanz Berufung oder Revision erhoben wurde. Die Stellung eines Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe samt Beigabe eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines Rechtsmittels darunter zu subsumieren, würde den äußerst möglichen Wortsinn überschreiten, daher scheidet eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung aus.

Es kommt aber eine ergänzende Rechtsfindung durch Analogie in Betracht.

3. Ein Analogieschluss setzt eine Gesetzeslücke voraus, bei der ein Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch einer Beurteilung bedarf; es muss eine planwidrige Unvollständigkeit, das heißt eine nicht gewollte Lücke, vorliegen (RIS‑Justiz RS0098756). Eine „Gesetzeslücke“ setzt voraus, dass die Unvollständigkeit innerhalb eines Gesetzes vom Standpunkt der Zwecke und Werte des konkreten Gesetzes selbst festgestellt werden kann. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner Absicht und Teleologie, ergänzungsbedürftig sein, ohne dass diese Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS‑Justiz RS0008866; RS0008826 [T1]). Ob dies der Fall ist, ist aufgrund der Rechtsordnung einschließlich aller auch als Auslegungskriterien heranzuziehenden Maßstäbe zu beurteilen. Eine „teleologische“ Lücke liegt vor, wenn die - mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte - ratio legis (das höhere Rechtsprinzip) in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung (bzw der Werttendenz) einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert (RIS‑Justiz RS0008866 [T17]). Bei der Ermittlung der ratio legis ist auf die Rechtsentwicklung Bedacht zu nehmen; dies kann zur Feststellung einer „nachträglichen“ Gesetzeslücke führen (4 Ob 224/00w; F. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 7 Rz 2; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 7 Rz 9 mwN).

4. Zur hier zu beurteilenden Frage, ob die Stellung eines Verfahrenshilfeantrags samt Beigabe eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines Rechtsmittels eine analoge Anwendung des § 371a EO rechtfertigt, besteht bisher keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs.

In der Lehre finden sich folgende Standpunkte:

4.1. Schimik (Die Exekution zur Sicherstellung [1994] 108 f) geht davon aus, der Gläubiger sei nach der Intention des Gesetzgebers dann besonders schützenswert, wenn der normale Lauf des Verfahrens durch Prozesshandlungen des Verpflichteten verzögert werde. Da die Anbringung eines Verfahrenshilfeantrags die Berufungs- bzw Revisionsfristen unterbreche und die bevorstehende Erhebung des Rechtsmittels ‑ anders als bei Verlängerung der Rechtsmittelfrist durch die Gerichtsferien ‑ geradezu evident sei, sei eine analoge Anwendung zu befürworten.

Dieser Ansicht tritt ‑ aus teleologischen Erwägungen ‑ Sailer (in Burgstaller/Deixler‑Hübner [1999] § 371a EO Rz 7) bei.

4.2. Zechner (Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung [2000] § 371a EO Rz 2) lehnt eine Analogie hingegen ab. Der Ansicht Schimiks hält er den Gesetzeswortlaut und damit das Fehlen eines Tatbestandsmerkmals entgegen sowie den Umstand, dass die Einbringung des Rechtsmittels bei Erhebung eines Verfahrenshilfeantrags keineswegs evident sei. Der Titelgläubiger sei bis zur allfälligen Erhebung eines Rechtsmittels auch nicht schutzlos, weil er im Gefährdungsfall eine Exekutionsbewilligung gemäß § 370 EO erwirken könne.

Dem schließen sich Feil/Marent (Exekutionsordnung [2008] § 371a Rz 8) an.

4.3. Klicka (in Angst² [2008], § 371a Rz 2) verweist auf Schimik, bezieht selbst jedoch nicht Stellung.

4.4. Für den ‑ ebenfalls in § 371a EO nicht ausdrücklich erwähnten ‑ Fall einer Zulassungsbeschwerde nach § 508 ZPO wird in der Lehre vertreten, für den Zeitraum zwischen Antragstellung und Entscheidung des Berufungsgerichts darüber sei § 371a EO analog anzuwenden, weil § 505 Abs 3 ZPO auch dem Überprüfungsantrag aufschiebende Wirkung zuerkenne und sonst eine Rechtsschutzlücke entstünde; es wäre ein Wertungswiderspruch, bei einer zugelassenen (ordentlichen) Revision Sicherstellung nach § 371a möglich zu machen, nicht aber bei einer nicht zugelassenen Revision, bei der die Bestandswahrscheinlichkeit für das Berufungsurteil noch größer sei (Klicka aaO Rz 2; Sailer aaO Rz 5).

5. Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

5.1. § 371a EO wurde mit der 5. Gerichtsentlastungsnovelle (5. GEN BGBl 1925/183) als Maßnahme gegen der Verzögerung der Vollstreckung dienende Rechtsmittel in die Exekutionsordnung eingefügt (Sailer aaO Rz 1). Es wurde konstatiert, dass das Exekutionsverfahren nicht von unlauteren Verschleppungsmanövern verschont geblieben sei und als gerechtfertigtes Bedürfnis anerkannt, dass der Gläubiger vor Verlusten geschützt werden müsse, die sich aus einer übermäßigen Hinausschiebung der Exekution ergeben könnten; die Neuregelung sei ein wichtiger Schritt ua zur Abwehr mutwilliger Rechtsmittel im Prozess (EB zur RV 304, 2. GP, 21 f).

Darin kommt sehr klar die seinerzeitige gesetzgeberische Intention zum Ausdruck, den Schutz des § 371a EO allgemein gegen aktive Handlungen des Beklagten (arg: „Verschleppungsmanöver“, „mutwillige Rechtsmittel“) zu gewähren, die zu einer Hinauszögerung der (formellen) Rechtskraft führen; es sollte aktiv betriebener Prozessverzögerung vorgebeugt werden.

Damit steht der (im Jahr 1926 geschaffene) Rechtssatz, trotz Verlängerung der Rechtmittelfrist gemäß § 225 ZPO könne aufgrund noch nicht rechtskräftiger Endurteile die Sicherungsexekution nach § 371a EO nur dann bewilligt werden, wenn gegen die Urteile schon die Berufung oder Revision ergriffen worden sei (1 Ob 886/26 SZ 8/301 RIS‑Justiz RS0004857) nicht im Widerspruch, weil die Hinausschiebung des Eintritts der Rechtskraft in diesem Fall nicht Folge einer Prozesshandlung des Beklagten ist.

5.2. Zum Zeitpunkt des In‑Kraft‑Tretens des § 371a EO stand § 464 Abs 3 ZPO, der die Unterbrechung der Berufungsfrist für den Fall der Beantragung von Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwalts anordnet, noch nicht in Geltung. Dem Gesetzgeber der 5. Gerichtsentlastungsnovelle kann daher schon deshalb nicht unterstellt werden, er habe die Stellung eines Verfahrenshilfeantrags mit der Intention, ein Rechtsmittel zu erheben, bewusst nicht als Möglichkeit für die Bewilligung der Sicherstellungsexekution gegen Sicherheitsleistung in das Gesetz aufgenommen.

Die Bestimmung des § 464 Abs 3 ZPO wurde erst im Jahr 1956 mit BGBl 282/1955 eingeführt. Auch die Gesetzesmaterialien dazu lassen nicht erkennen, der Gesetzgeber habe bei Schaffung des § 464 Abs 3 ZPO bewusst keine Anpassungen des § 371a EO vornehmen wollen (vgl die ErläutRV 565 BlgNR 7. GP  10 f, die dazu überhaupt nicht Stellung nehmen). Es besteht daher kein Anlass, darin eine vom Gesetz gewollte Beschränkung zu erblicken.

5.3. Durch die rechtzeitige Erhebung einer Berufung/Revision wird die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils bis zur Erledigung des Rechtsmittels gehemmt (§§ 466 und 505 Abs 3 ZPO). Dem Gesetzgeber des § 371a EO genügte erkennbar diese Rechtsfolge als Rechtfertigung dafür, dem obsiegenden Kläger die Möglichkeit einzuräumen, Exekution zur Sicherstellung gegen Leistung einer Sicherheit zu führen; denn es wurde eine Prüfung weder der Bestandswahrscheinlichkeit des bekämpften Endurteils noch der Erfolgsaussichten des erhobenen Rechtsmittels vorgesehen. Es reicht also das bloße Tätigwerden der unterlegenen Partei, das zum Hinausschieben der (formellen) Rechtskraft führt.

Die Stellung eines Verfahrenshilfeantrags samt Beigabe eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines Rechtsmittels hat ‑ wie bereits erwähnt ‑ die Unterbrechung der Berufungs‑/Revisionsfrist zur Folge (§§ 464 Abs 3, 505 Abs 2 letzter Satz ZPO); dies auch dann, wenn der Verfahrenshilfeantrag abgewiesen werden sollte, weil auch in diesem Fall die Rechtsmittelfrist neu zu laufen beginnt. Damit stellt sich diese Prozesshandlung als eine Aktion des Unterlegenen dar, die jedenfalls zu einer Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit führt und unter diesem Gesichtspunkt dieselben Folgen hat wie die Erhebung der Berufung oder Revision.

Eine Ungleichbehandlung der beiden unterschiedlichen, aber dieselben, hier relevanten Konsequenzen auslösenden Prozesshandlungen entspricht daher keinesfalls der ratio legis des § 371a EO.

5.4. Der Umstand, dass die bloße Stellung eines Verfahrenshilfeantrags oder auch dessen Bewilligung noch nicht zwingend die Erhebung eines Rechtsmittels zur Folge haben müssen, hindert eine Analogie nicht.

Jedenfalls für den ‑ hier zu beurteilenden ‑ Fall der Bewilligung wird nämlich entsprechend der gerichtlichen Praxis regelmäßig das angestrebte Rechtsmittel eingebracht. Es ist daher eine Gleichbehandlung der Verfahrensstadien Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rechtsmittels und bereits erfolgte Erhebung eines Rechtsmittels geboten, um dem (vermeintlichen) Gläubiger die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Sicherung eines Befriedigungsrangs bei identer Interessenlage zu eröffnen.

Das gilt auch schon für die Stellung des Verfahrenshilfeantrags: Wäre es doch ein Wertungswiderspruch, eine Aktion des Unterlegenen, die zwar (noch) nicht die Erhebung eines Rechtsmittels darstellt, dies jedoch unzweifelhaft anstrebt, und dieselbe Rechtsfolge auslöst (nämlich das Hinausschieben des Eintritts der [formellen] Rechtskraft), wie die vom Gesetz als Voraussetzung für eine Bewilligung nach § 371a EO anerkannte Prozesshandlung, anders zu behandeln, obwohl in beiden Fällen dieselbe Interessenlage des (vermeintlichen) Gläubigers vorliegt. Dazu kommt noch, dass das Verfahren bis zur rechtskräftigen Bewilligung der Verfahrenshilfe ‑ sowohl wegen häufig notwendiger Verbesserungsaufträge als auch wegen erhobener Rechtsmittel ‑ viel länger als die vierwöchige Berufungs‑/Revisionsfrist dauern kann und so eine Rechtsschutzlücke des Obsiegenden unter Umständen auch für mehrere Monate bestehen könnte.

Demgegenüber ist die Position des (vermeintlichen) Schuldners jedenfalls stets ausreichend geschützt, weil der Vollzug der Sicherstellungsexekution von der Leistung einer Sicherheit für den möglichen Schaden (§ 376 Abs 2 EO) abhängig ist.

5.5. Der gegenteiligen Lehrmeinung Zechners ist ergänzend zu erwidern, dass die durch § 370 EO eröffnete Möglichkeit einer Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung, das Rechtsschutzdefizit in den hier zu beurteilenden Fällen deshalb nicht zu beseitigen vermag, weil sie von der Bescheinigung einer objektiven Gefährdung des Anspruchs abhängt. Diese muss aber ‑ wie der vorliegende Fall zeigt ‑ auch dann nicht immer gelingen, wenn beim Unterlegenen die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe gegeben sind.

6. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das In‑Kraft‑Treten des § 464 Abs 3 ZPO (der auch für die Revision sinngemäß anzuwenden ist [§ 505 Abs 2 ZPO]) nachträglich zu einer planwidrigen Unvollständigkeit des § 371a EO geführt hat. Bereits die Stellung eines Verfahrenshilfeantrags samt Beigabe eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines Rechtsmittels ist daher der in § 371a EO geforderten Einbringung des Rechtsmittels gleichzuhalten, um die vom Gesetz bezweckte Sicherung des (vermeintlichen) Gläubigers auch für vergleichbare Prozesshandlungen des (noch nicht rechtskräftig) Unterlegenen zu gewährleisten.

7. Die zutreffende erstgerichtliche Exekutionsbewilligung ist somit wiederherzustellen. Da der Rekurs der Verpflichteten gegen die vom Erstgericht mit 3.000 EUR festgesetzte Sicherheitsleistung keine beachtenswerten Argumente aufzuzeigen vermag, hat es dabei zu bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 74, 78 EO, §§ 50, 41 ZPO.

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