OGH 10ObS44/15s

OGH10ObS44/15s30.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Harald Redl, Rechtsanwalt in Bruckneudorf, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2015, GZ 9 Rs 10/15d‑44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 9. Oktober 2014, GZ 12 Cgs 115/13h‑41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00044.15S.0630.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der am 2. Mai 1955 geborene Kläger war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. August 2012) weit über 90 Versicherungsmonate lang als Bankangestellter berufstätig, zuletzt (ab Jänner 2009) als Regionalleiter Wohnbau‑ und Finanzservice. Trotz der bestehenden Gesundheitseinschränkungen kann der Kläger noch Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppen F und E des Kollektivvertrags für Angestellte von Banken und Bankiers ausführen.

Die Beschäftigungsgruppe G umfasst im Wesentlichen Arbeitnehmer, die eigenverantwortlich in einem eigenständigen Wirkungsbereich Tätigkeiten mit komplexer Struktur und entsprechendem Entscheidungsspielraum ausführen, ferner Arbeitnehmer, die mit der dauernden Führung von Arbeitnehmergruppen betraut sind, deren Tätigkeiten den Beschäftigungsgruppen A bis F zugeordnet sind. Als Beispiele werden im Kollektivvertrag Filial‑/Abteilungsleiter, Top‑Experten und gehobene Großkundenbetreuer angeführt.

In die Beschäftigungsgruppe F werden Arbeitnehmer eingereiht, die in ihrem Wirkungsbereich Tätigkeiten mit komplexer Struktur und hoher Verantwortung ausführen, ferner Arbeitnehmer, die mit der dauernden Führung von Arbeitnehmergruppen betraut sind, deren Tätigkeiten den Beschäftigungsgruppen A bis E zugeordnet sind. Als Beispiele werden stellvertretende Filial‑/Abteilungsleiter, gehobene Experten, gehobene Individualkundenberater, gehobene Kommerzkundenbetreuer und Standard Großkundenbetreuer genannt.

Die Beschäftigungsgruppe E umfasst in erster Linie Arbeitnehmer, die schwierigere, mit beträchtlicher Verantwortung versehene Tätigkeiten selbstständig ausführen. Als Beispiele sind im Kollektivvertrag Leiter von Kleinstgeschäftsstellen mit ausschließlichem Privat-kundengeschäft; gehobene Privat‑Kundenbetreuer, Experten, Schalterleiter/Teamleiter, Controller, gehobene Assistenz, Individualkundenberater und Kommerzkundenbetreuer angeführt.

Angesichts der Verweisbarkeit des Klägers ‑ sollte seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit überhaupt der Wertigkeit der Beschäftigungsgruppe G entsprechen ‑ auf Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe F wies das Erstgericht das auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab dem Stichtag gerichtete Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

1. Die behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz (Außerachtlassung eines Privatgutachtens, Unterlassung der Vernehmung des Klägers als Partei) hat das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung verneint; sie können nach ständiger Rechtsprechung ‑ auch in Sozialrechtssachen ‑ nicht mit Erfolg in dritter Instanz geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T25]).

2. Ob eine Verweisung einen unzumutbaren sozialen Abstieg bewirkt oder nicht, ist eine Beurteilung des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0085599 [T30]). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass eine Verweisung des Klägers auf Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe(n) F (und E) nicht mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden sei, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

2.1. Im Rahmen der Verweisung darf der Versicherte nicht auf Berufe verwiesen werden, die für ihn einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten würden. Dabei kommt es auf den sozialen Wert an, den die Ausbildung und die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit von Bedeutung waren, unter den Verhältnissen zur Zeit des Stichtags haben (RIS‑Justiz RS0084890). Wesentlich ist die Stellung in der Betriebshierarchie, die damit verbundene Verantwortung für den Betriebsablauf und das hieraus resultierende Ansehen, das eine bestimmte Tätigkeit in den Augen der Umwelt genießt (RIS‑Justiz RS0085599 [T26]). Der soziale Abstieg ist unzumutbar, wenn die Verweisungstätigkeit in den Augen der Umwelt ein wesentlich geringeres Ansehen genießt (RIS‑Justiz RS0085599 [T20]).

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verweisung von Angestellten auch auf Tätigkeiten der nächstniedrigeren Beschäftigungs‑ oder Verwendungsgruppe eines Kollektivvertrags in der Regel mit keinem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden (RIS‑Justiz RS0085727 [T3]; zuletzt 10 ObS 43/14t). Die Revision geht auf diese Rechtsprechung inhaltlich nicht ein, sondern verweist lediglich auf die Unzumutbarkeit des mit einer Verweisung auf Tätigkeiten in der Beschäftigungsgruppe F verbundenen sozialen Abstiegs. Im Übrigen kann keine Rede davon sein, dass von den Vorinstanzen eine Verweisbarkeit „eines leitenden Bankangestellten zum einfachen Schalterdienst“ bejaht worden wäre.

3. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Stichworte