OGH 10ObS58/15z

OGH10ObS58/15z30.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und ADir. Sabine Duminger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. A*****, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84‑86, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. September 2012, GZ 9 Rs 92/12h‑26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 16. März 2012, GZ 37 Cgs 118/11f‑19, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00058.15Z.0630.000

 

Spruch:

Das unterbrochene Revisionsverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.

Begründung

Mit Bescheid der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 2. 5. 2011 wurde gemäß § 117a GSVG festgestellt, dass der Kläger bis 31. 3. 2000 (richtig: 2011) insgesamt 513 Versicherungsmonate, darunter unter anderem acht Monate Ersatzzeit aus Arbeitslosengeldbezug von September 1971 bis einschließlich April 1972 und zwei Monate Ersatzzeit aus Arbeitslosengeldbezug von September 1972 bis einschließlich Oktober 1972, in der österreichischen Pensionsversicherung erworben habe. Für die Monate Mai bis einschließlich Juli 1972 und November 1972 bis einschließlich April 1973 wurden keine Versicherungszeiten festgestellt.

Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig Klage zunächst mit dem Begehren, die Zeiten von Mai 1972 bis Juli 1972 und von November 1972 bis April 1973 als weitere Versicherungszeiten (Ersatzzeiten nach § 227 Abs 1 Z 5 ASVG) festzustellen. In der Folge modifizierte der Kläger sein Klagebegehren dahin, dass er die Feststellung der Zeiten von September 1971 bis Juni 1972 und von September 1972 bis April 1973 als weitere Beitragszeiten der Pflichtversicherung iSd § 20 Abs 2 lit c AMFG (Umschulung im Rahmen des AMFG‑Arbeiter) begehrte. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, er habe im Zeitraum von September 1971 bis Juni 1972 und von September 1972 bis April 1973 eine Beihilfe gemäß § 20 Abs 2 lit c AMFG für den Besuch der Höheren Grafischen Bundes‑, Lehr‑ und Versuchsanstalt in Wien erhalten, wobei er den Lehrgang „Reproduktions‑ und Drucktechnik“ absolviert habe. Gemäß § 25 AMFG sei er weiterhin in der Arbeitslosen‑, Kranken‑, Unfall‑ und Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass für den klagsgegenständlichen Zeitraum keine Versicherungszeiten nach dem ASVG vorliegen würden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass der Kläger mit 2. 9. 1971 ein zuvor bestandenes Dienstverhältnis beendete. Von 3. 9. bis 5. 9. 1971 bezog er Krankengeld; von 9. 9. 1971 bis 5. 4. 1972 und von 6. 9. bis 15. 10. 1972 bezog er Arbeitslosengeld. Der Kläger besuchte im Zeitraum von September 1971 bis 30. 4. 1974 die Höhere Grafische Bundes‑, Lehr‑ und Versuchsanstalt Wien und schloss diese am 12. 6. 1974 mit der Reifeprüfung ab. Für den gesamten Zeitraum dieses Schulbesuchs bezog der Kläger (außer während der Sommerferien jeweils im Juli und August) eine Beihilfe nach § 20 Abs 2 lit c AMFG. Während des Schulbesuchs lag weder ein Urlaub ohne Entgeltzahlung vor, noch endete der Anspruch des Klägers auf Entgelt aus dem zuvor bestandenen Beschäftigungsverhältnis, weil er sich der Schulung unterzog.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass gemäß der bis zum 30. 4. 1973 in Kraft gestandenen Bestimmung des § 25 Abs 1 AMFG idF BGBl 1969/31 Personen, die von den in § 19 Abs 1 lit b AMFG genannten Maßnahmen erfasst sind und hiefür eine Beihilfe gemäß § 20 Abs 2 lit c AMFG beziehen, sofern entweder ihr Anspruch auf Entgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis, weil sie sich einer solchen Maßnahme unterziehen, oder ihre Pflichtversicherung wegen Urlaubs ohne Entgeltzahlung erloschen ist, weiterhin in der Arbeitslosen‑, Kranken‑, Unfall‑ und Pensionsversicherung pflichtversichert sind, sofern diese Versicherungen nicht aufgrund anderer Voraussetzungen bestehen. Nach dem zitierten Wortlaut des § 25 Abs 1 AMFG idF BGBl 1969/31 bestehe daher die Pflichtversicherung bei Bezug von Beihilfen nach § 20 Abs 2 lit c AMFG nur dann weiter, wenn entweder die Pflichtversicherung wegen Urlaubs ohne Entgeltzahlung oder der Anspruch auf Entgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis erloschen sind, weil der Bezieher der Beihilfe sich einer solchen Maßnahme unterziehe. Der Besuch der Ausbildungsmaßnahme müsse somit kausal dafür sein, dass der Entgeltanspruch nicht weiter bestehe (und nicht umgekehrt). Da der Kläger die Schulung aber erst nach Beendigung des zuvor bestandenen Dienstverhältnisses begonnen habe bzw zwischenzeitig lediglich Beschäftigungen während der Sommerferien nachgegangen sei, sei er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht weiterhin pensionsversichert gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass die vom Kläger erworbenen Versicherungszeiten in gleicher Weise wie im Bescheid der beklagten Partei festgestellt wurden und das weitere Begehren des Klägers auf Feststellung der Zeiten von September 1971 bis Juni 1972 und von September 1972 bis April 1973 als weitere Beitragszeiten der Pflichtversicherung iSd § 20 Abs 2 lit c AMFG (Umschulung im Rahmen des AMFG‑Arbeiter) abgewiesen wurde. Es schloss sich in seiner rechtlichen Beurteilung der Rechtsansicht des Erstgerichts an und verwies insbesondere darauf, dass auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. 6. 1999, 94/08/0232, zu dem Ergebnis gelangt sei, dass nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 25 AMFG idF BGBl 1969/31 und auch nach den Gesetzesmaterialien nur Personen, die in einem Dienstverhältnis stehen und sich Schulungsmaßnahmen gemäß § 19 Abs 1 lit b AMFG unterziehen und hiefür eine Beihilfe zur Deckung ihres Lebensunterhalts erhalten, den erforderlichen sozialversicherungsrechtlichen Schutz genießen, während Personen, die, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, eine Beihilfe zur Deckung ihres Lebensunterhalts erhalten, nur unfall‑ und krankenversichert seien. Da das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nach dessen eigenen Vorbringen bereits vor der verfahrensgegenständlichen Ausbildung beendet worden sei, komme ihm die Vollversicherung iSd § 25 Abs 1 AMFG idF BGBl 1969/31 nicht zu Gute.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Auslegung der Bestimmung des § 25 Abs 1 AMFG idF BGBl 1969/31 keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts geltend, wonach gemäß § 25 Abs 1 AMFG idF BGBl 1969/31 nur solche Personen in den Genuss der Vollversicherung gelangten, deren Dienstverhältnis bei Ergreifung einer Weiterbildungsmaßnahme iSd § 19 Abs 1 lit b AMFG ‑ wenngleich ein Entgeltanspruch hieraus wegen Teilnahme an einer solchen Maßnahme oder wegen einer Karenzierung erloschen sei ‑ noch aufrecht sei.

Der Kläger begründet somit das von ihm erhobene Begehren ausschließlich damit, dass vom Bestehen einer Pflichtversicherung (auch in der Pensionsversicherung) gemäß § 25 Abs 1 iVm § 20 Abs 2 lit c AMFG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl 1969/31 während des fraglichen Zeitraums auszugehen sei.

Mit Beschluss vom 29. 1. 2013, 10 ObS 173/12g, SSV‑NF 27/4, hat der erkennende Senat das Revisionsverfahren gemäß § 74 Abs 1 ASGG unterbrochen, bis über die Vorfrage der Versicherungspflicht des Klägers in der Pensionsversicherung während der noch strittigen Monate von September 1971 bis einschließlich Juni 1972 und von September 1972 bis einschließlich April 1973 als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist.

Im daraufhin eingeleiteten Verwaltungsverfahren hat die Wiener Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 11. 9. 2013 ausgesprochen, dass der Kläger in den strittigen Zeiträumen nur der Teilversicherung in der Unfallversicherung und der Teilversicherung der Krankenversicherung unterliegt.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 23. 1. 2015, AZ W151 2002993‑1/12E, die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Klägers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei. Das Erkenntnis wurde am 28. 1. 2015 zugestellt.

Die beklagte Partei legte mit Eingabe vom 12. 5. 2015 dem Obersten Gerichtshof dieses Erkenntnis mit der Mitteilung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 5. 5. 2015 vor, wonach weder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof noch eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof aktenkundig sind.

1. Das Revisionsverfahren war nach der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und nach ergebnislosem Verstreichen der Frist für die Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen wiederaufzunehmen (vgl 10 ObS 150/91, SSV‑NF 5/73).

2. Die Revision ist nicht zulässig.

Die in der Revision ausschließlich gestellte Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs 1 AMFG idF BGBl 1969/31 ist nicht mehr entscheidungswesentlich, steht doch aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Verwaltungsverfahren, gegen die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht erhoben wurde, bindend und endgültig fest, dass der Kläger in den strittigen Zeiträumen in der Pensionsversicherung nicht versichert war. Wie schon im Beschluss des Senats vom 29. 1. 2013, 10 ObS 173/12g, SSV‑NF 27/4, festgehalten, kann der Oberste Gerichtshof hinsichtlich des § 25 AMFG idF BGBl 1969/31 beim Verfassungsgerichtshof keinen Antrag gemäß § 89 Abs 3 B‑VG stellen, weil diese Norm nicht von ihm, sondern von den Behörden anzuwenden ist, die über die im unterbrochenen Verfahren als Vorfrage strittige Frage der Versicherungspflicht des Klägers in der Pensionsversicherung als Hauptfrage in Verwaltungssachen zu entscheiden haben.

Die Revision war daher mangels der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (§ 508a Abs 2 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Aus dem Akt ergibt sich nicht, dass die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit vorliegen.

Stichworte