European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00053.15G.0624.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im von der klagenden Partei angefochtenen Umfang (Zurückweisung der Klage im Umfang der geltend gemachten Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag vom 28. 3. 2008 / 7. 3. 2012) dahin abgeändert, dass die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen wird. Dem Erstgericht wird die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.752,73 EUR (darin 958,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Zuständigkeitsstreits, die mit 2.459,43 EUR (darin 409,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 2.246,47 EUR (darin 374,41 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurs-verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Der am 15. 12. 2014 in Konkurs verfallene Schuldner (vormals Kläger) war Alleingesellschafter der Beklagten, bis er im Jahr 2008 die Hälfte seines Geschäftsanteils an einen Investor abtrat. Am 28. 3. 2008 schloss er mit der Beklagten einen Geschäftsführervertrag (Anstellungsvertrag) ab.
Mit schriftlichen Unternehmenskaufvertrag vom 7. 3. 2012 trat der Schuldner um einen Kaufpreis von 1.450.000 EUR fix und maximal 50.000 EUR schwankend seinen restlichen Geschäftsanteil an der Beklagten an die E***** (kurz: Holding) ab. Darin vereinbarten die Vertragsparteien, dass alle Auseinandersetzungen, Streitfälle oder Ansprüche, die sich aus der gegenständlichen Vereinbarung oder im Zusammenhang damit ergeben bzw die Verletzung, Beendigung oder Ungültigkeit der Vereinbarung betreffen, endgültig durch Schiedssprechung gemäß der Schiedsordnung des Schiedsgerichtsinstituts der Handelskammer Stockholm geschlichtet werden. Weiters verpflichteten sich die Vertragsparteien im Unternehmenskaufvertrag, „einen Arbeitsvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Verkäufer als Geschäftsführer der Gesellschaft“ in der Form laut dem Anhang zum Unternehmenskaufvertrag zu unterzeichnen. Dieser „Arbeitsvertrag“ wurde ‑ so ausdrücklich bezeichnet ‑ als „Anhang zum Dienstvertrag zwischen der Beklagten und ... (dem Schuldner) als Geschäftsführer“ als Anhang dem Unternehmenskaufvertrag angeschlossen und vom Schuldner und der Käuferin des Unternehmenskaufvertrags unterzeichnet. Mit diesem „Anhang zum Dienstvertrag“ wurde der Anstellungsvertrag vom 28. 3. 2008 in einigen Punkten geändert (so wurde etwa die Kündigungsfrist von 6 auf 12 Monate erweitert), im Übrigen aber ausdrücklich unberührt gelassen.
Am 12. 3. 2012 schlossen der Schuldner als Darlehensgeber und die Beklagte als Darlehensnehmerin, unterzeichnet durch ihren selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer G***** L*****, einen Darlehensvertrag ab. Darin wurde vereinbart, dass das grundsätzlich spätestens am 12. 3. 2014 zur Rückzahlung fällige Darlehen dann sofort zur Rückzahlung fällig wird, wenn der Darlehensgeber als Dienstnehmer der Beklagten aus deren Unternehmen ausscheidet oder diese Gesellschaft ‑ aus welchem Grund immer ‑ aufgelöst wird. Für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag wurde gemäß § 104 JN die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Wels vereinbart.
Der Schuldner legte die Geschäftsführung der Beklagten mit Schreiben vom 12. 3. 2013 zurück.
Mit der am 12. 9. 2013 beim Landesgericht Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht eingebrachten Klage machte der Schuldner mit der Behauptung, er sei am 26. 6. 2013 von der Beklagten unbegründet entlassen worden, Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung von (ausgedehnt) insgesamt 141.833,20 EUR gegen die Beklagte geltend. Weiters begehrt er von der Beklagten die Rückzahlung des der Beklagten als deren Dienstnehmer gewährten Darlehens von 300.000 EUR.
Die Beklagte wandte die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Sämtliche vom Schuldner geltend gemachten Ansprüche unterlägen der vereinbarten Schiedsklausel.
Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.
Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Kläger - nunmehr der Masseverwalter des Schuldners ‑ erhobenen Rekurs teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es die Einrede der Unzuständigkeit hinsichtlich der Darlehensforderung verwarf. Hinsichtlich der Zurückweisung der Ansprüche aus der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsvertrags bestätigte es das Erstgericht. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Wirksamkeit der von einem ehemaligen Geschäftsführer abgeschlossenen Schiedsklausel fehle.
Gegen die teilweise Zurückweisung der Klage richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers. Gegen die teilweise Verwerfung der Einrede richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten. Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt, jener der Beklagten nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Revisionsrekurs des Klägers:
Eine Schiedsgerichtsvereinbarung begründet nach ständiger Rechtsprechung die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts (RIS‑Justiz RS0039844; RS0045292 ua). Die Zurückweisung der Klage nach § 584 Abs 1 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass eine Klage vor einem staatlichen Gericht in einer Angelegenheit erhoben wurde, die Gegenstand einer zwischen diesen Parteien (vgl 6 Ob 15/12t mwN) wirksam abgeschlossenen Schiedsvereinbarung ist. Dies ist hier nicht der Fall.
Der Kläger stützt die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Schuldners auf den Anstellungsvertrag vom 28. 3. 2008 und die ebenfalls zwischen dem Schuldner und der Beklagten abgeschlossene Ergänzung des Geschäftsführungsvertrags vom 7. 3. 2012. Weder der Anstellungsvertrag vom 28. 3. 2008 noch dessen Ergänzung vom 7. 3. 2012 enthält aber eine Schiedsklausel. Dass mit der zwischen dem Schuldner und der Holding unterzeichneten Vereinbarung (Anhang) bereits die Ergänzung des Geschäftsführungsvertrags zwischen dem Schuldner als Geschäftsführer und der beklagten Gesellschaft (vgl RIS‑Justiz RS0059354) vereinbart worden wäre, also der (künftige) Gesellschafter nicht im eigenen Namen, sondern (bereits) als Vertreter und im Namen der Beklagten aufgetreten wäre, lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Firmenbuchauszug ihrer Gesellschaft (./ 47), dass am 7. 3. 2012 ein weiterer Geschäftsführer die Beklagte vertreten hätte können. Beide Parteien des Kaufvertrags wollten den Unternehmenskauf mit ihrer (Zusatz‑)Vereinbarung erkennbar ua auch von noch zwischen den Parteien des Geschäftsführungsvertrags abgeschlossenen geänderten Dienstvertragsbestimmungen abhängig machen. Da eine Schiedsvereinbarung schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossen werden muss (§ 583 Abs 1 ZPO), ist für die Beklagte auch mit der von ihr gewünschten Auslegung der Schiedsklausel nach dem Parteiwillen bzw dem Zweck der Vereinbarung nichts zu gewinnen (vgl RIS‑Justiz RS0017285; RS0017284; Hausmaninger in Fasching/Konecny 2 § 583 ZPO Rz 93 mwN).
Mangels Vereinbarung eines Schiedsgerichts zwischen Schuldner und Beklagte für die in der Klage geltend gemachten arbeitsrechtlichen Ansprüche ist das angerufene Gericht sachlich zuständig. In Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen war die Einrede der Beklagten daher zu verwerfen.
Die Entscheidung über die Kosten des Zuständigkeitsstreits gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
II. Zum Revisionsrekurs der Beklagten:
Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die behauptete Darlehensforderung wird vom Kläger zum einen auf das Vorliegen einer Arbeitsrechtssache nach § 50 Abs 1 Z 1 ASGG, zum anderen auf den Gerichtsstand des Zusammenhangs gemäß § 8 Abs 2 ASGG gestützt.
Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulassungsausspruch des Rekursgerichts nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Die Beklagte zeigt in ihrem Revisionsrekurs mit den von ihr angesprochenen Rechtsfragen zur Anwendbarkeit der Schiedsklausel auf den zwischen dem Schuldner und der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag sowie zum Vorliegen einer Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 Z 1 ASGG keine für den gegenständlichen Rechtsstreit präjudiziellen Rechtsfragen im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0088931 [T2, T4, T8]).
Wie bereits bei Behandlung des Revisionsrekurses des Klägers dargelegt, wurde zwischen dem Schuldner und der Beklagten keine Schiedsabrede getroffen, weshalb für die Entscheidung über die vom Schuldner geltend gemachten arbeitsrechtlichen Ansprüche das angerufene Gericht sachlich zuständig ist.
Gemäß § 8 Abs 2 ASGG kann unter den Voraussetzungen des Abs 1 ‑ somit der gegebenen Identität zumindest einer Partei in beiden Rechtsstreitigkeiten und des Vorliegens eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs ‑ auch ein anderer zivilrechtlicher Anspruch zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer, sowie zwischen einem Arbeitgeber und einem Dritten oder einem Arbeitnehmer und einem Dritten bei dem nach Abs 1 zuständigen Gericht eingeklagt werden, sofern für die Geltendmachung dieses Anspruchs eine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts nicht gegeben ist, die auch durch eine Parteienvereinbarung nicht geändert werden könnte. Ziel der ‑ aus diesem Grund sehr weit gefassten und weit auszulegenden (Kuderna, ASGG² 98) ‑ Bestimmung, die einen Wahlgerichtsstand schafft, ist es, alle in einem weiteren Sinn zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten bei einem Gericht nach den Regeln des für Arbeitsrechtssachen vorgesehenen Verfahrens zu konzentrieren (Neumayr in ZellKomm2 § 8 ASGG Rz 1). Daher liegt ein tatsächlicher Zusammenhang auch schon dann vor, wenn die den beiden Ansprüchen zugrundeliegenden rechtserzeugenden Sachverhalte nicht zur Gänze, sondern nur teilweise deckungsgleich sind (8 ObA 246/95 = SZ 68/188). In diesem Sinne ist das Begehren des Schuldners auf Rückzahlung des von ihm der Beklagten gewährten Darlehens schon wegen der Verknüpfung der Fälligkeit des Darlehens mit der Beendigung seines Anstellungsvertrags, also wegen des mit seinen arbeitsrechtlichen Ansprüchen insofern deckungsgleichen rechtserzeugenden Sachverhalts als ein den Gerichtsstand nach § 8 Abs 2 ASGG begründender tatsächlicher Zusammenhang zu sehen. Die Vereinbarung zwischen Schuldner und Beklagte über den Gerichtsstand des Bezirksgerichts Wels nach § 104 JN steht diesem Ergebnis nicht entgegen (vgl RIS‑Justiz RS0046791).
Der ordentliche Revisionsrekurs der Beklagten, der sich mit dieser Rechtsfrage nicht beschäftigt, war daher zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 4 iVm § 528a ZPO).
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