European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00035.15A.0616.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert E***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15, 205 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 schuldig erkannt.
Danach hat er am 24. Juli 2012 in P***** Monika D*****, die wegen einer geistigen Behinderung, nämlich einer mittelschweren bis schweren Intelligenzminderung auf Basis einer perinatalen Gehirnschädigung, unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch zu missbrauchen versucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornehmen und von ihr an sich vornehmen lassen wollte, indem er seinen Penis vor ihr entblößte, sie aufforderte, diesen in den Mund zu nehmen und ihr mit seiner Hand unter den Rock griff, um ihre Scheide zu betasten, was infolge einer Abwehrhandlung der Monika D***** misslang.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 4) macht geltend, dass die Vernehmung der Monika K***** in der Hauptverhandlung am 7. Oktober 2013 gegen die Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 MRK) verstoßen habe, weil diese Zeugin über einen nicht von der Anklage umfassten (länger zurückliegenden) sexuellen Übergriff des Angeklagten berichtet habe. Das Rechtsmittel geht schon deshalb ins Leere, weil die Stellung eines für die Beschwerdelegitimation erforderlichen Antrags oder die Erhebung eines Widerspruchs im Sinn des § 281 Abs 1 Z 4 StPO (vgl RIS‑Justiz RS0099244) nicht einmal behauptet wird.
Im Übrigen steht ‑ entgegen der (sich auf Ausführungen des Oberlandesgerichts im Verfahren über den Anklageeinspruch berufenden) Beschwerde ‑ die Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 MRK; § 8 StPO) auch einer Zeugenbefragung in Bezug auf vom Angeklagten verwirklichte Sachverhalte, die allenfalls einem Straftatbestand subsumierbar sind, solange nicht entgegen, als damit nicht strafrechtliche Schuldzuweisungen in gerichtlichen Entscheidungen (vgl Mayer‑Ladewig , EMRK 3 Art 6 Rz 213; Grabenwarter , WK‑StPO § 8 vor Rz 8) verbunden sind.
Das Erstgericht ging in tatsächlicher Hinsicht (US 3) von zwei im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzten sexuellen Angriffen gegen das Tatopfer, nämlich dem Entblößen des Penis samt der Aufforderung, Oralverkehr vorzunehmen (1), sowie einem versuchten Betasten der Scheide, aus (2).
Soweit die ‑ den ersten Handlungsabschnitt (1) betreffende ‑ Mängelrüge (Z 5) die Annahme einer ausführungsnahen Handlung (§ 15 Abs 2 StGB) kritisiert und behauptet, der Angeklagte hätte vor Vollzug des Oralverkehrs noch die zur Herbeiführung einer Erektion erforderlichen, bei einem „76‑jährigen Mann einige Zeit in Anspruch“ nehmenden „Vorarbeiten“ vornehmen und auch noch erhebliche Gewalt gegen das sich widersetzende Tatopfer anwenden müssen, macht sie nicht klar, welche (unberücksichtigt gebliebenen) Verfahrensergebnisse eine solche Tätervorstellung nahe gelegt hätten (zur Anlegung eines ex‑ante Maßstabs auf Basis der konkreten Tätervorstellung vgl Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 21 Rz 19 ff). Solcherart bekämpft die Beschwerde aber bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Soweit der Rechtsmittelwerber Konstatierungen zur Ausführungsnähe (§ 15 Abs 2 StGB) vermisst (der Sache nach Z 9 lit a), gibt er die seiner Ansicht nach zusätzlich erforderlichen Feststellungen nicht bekannt.
Die strafbefreienden Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) reklamierende Beschwerde (nominell auch Z 5, der Sache nach nur Z 9 lit b) erklärt nicht, aus welchem Grund trotz Ablehnung des Ansinnens des Angeklagten, seinen Penis in den Mund zu nehmen, Freiwilligkeit des Rücktritts anzunehmen sein sollte (vgl im Übrigen dazu RIS‑Justiz RS0089864; Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 23 Rz 13 ff).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) neuerlich das Nichtvorliegen einer ausführungsnahen Handlung behauptet, genügt der Verweis auf die Erledigung der gleichgerichteten Mängelrüge.
Ausgehend von den somit erfolglos in Frage gestellten Urteilsannahmen betreffend den ersten sexuellen Angriff (1) spricht die Beschwerde, soweit sie die weiteren Konstatierungen zum versuchten Betasten der Scheide (2) bemängelt, keinen für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand mehr an (RIS‑Justiz RS0127374).
Der Einwand, die konstatierte Unfähigkeit der Monika D***** zu sexueller Diskretion und Disposition im Sinn des § 205 Abs 1 StGB (idF BGBl I 2009/40) stehe im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur Annahme von Abwehrhandlungen des Tatopfers, trifft nicht zu. Insoweit zeigt schon die gesetzliche Berücksichtigung (auch) wehrloser Personen, dass die von § 205 Abs 1 StGB erfasste Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmungsfähigkeit Ausmaße einer (psychischen) Widerstandsunfähigkeit nicht erreichen muss (vgl RIS‑Justiz RS0095091 [T2]; Hinterhofer SbgK § 205 Rz 24).
Der Einwand fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der psychischen Erkrankung der Monika D***** und der damit verbundenen Einschränkungen ihrer sexuellen Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit (der Sache nach Z 9 lit a) geht an den genau dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 4) vorbei.
Indem der Angeklagte unter Hervorkehrung seiner leugnenden Verantwortung in Abrede stellt, den in Rede stehenden Geisteszustand des Tatopfers erkannt zu haben, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer die dem Tatopfer zuerkannte Glaubwürdigkeit unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen betreffend ihre erhöhte Suggestibilität bezweifelt und die Annahme sexueller Übergriffe als im „Widerspruch“ zur (derartige Vorkommnisse nicht enthaltenden) Pflegedokumentation stehend kritisiert.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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