OGH 13Os19/15s

OGH13Os19/15s10.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Hannes K***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und § 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. November 2014, GZ 4 Hv 64/14t‑848, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00019.15S.0610.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Hannes K***** wurde mit ‑ auch Teilfreisprüche enthaltendem ‑ Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Februar 2012 (ON 720) jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG, des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und § 15 StGB sowie der ‑ als leitender Angestellter im Sinn des § 161 Abs 1 StGB begangenen ‑ Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und 4 Z 1 StGB und nach § 159 Abs 2 und 4 Z 2 StGB schuldig erkannt. Mit Erkenntnis vom 23. April 2014 (ON 788) gab der Oberste Gerichtshof den dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft teilweise Folge, erkannte hinsichtlich der Anklagevorwürfe nach dem FinStrG in der Sache selbst, hob einen Freispruch sowie den Strafausspruch nach dem StGB auf und verwies die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz.

Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung verurteilte dieses Gericht als Schöffengericht Hannes K***** wegen der ‑ als leitender Angestellter im Sinn des § 161 Abs 1 StGB begangenen ‑ Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und 4 Z 1 StGB (D/I/1) und nach § 159 Abs 2 und 4 Z 2 StGB (D/I/2) sowie des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und § 15 StGB (D/III) gemäß § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat. Zugleich sprach es im Sinn des § 266 Abs 1 StPO aus, dass eine Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest (§ 156b StVG) für den in § 46 Abs 1 StGB genannten Zeitraum nicht in Betracht kommt.

Dem Strafausspruch liegen jene Schuldsprüche nach dem StGB zugrunde, die durch das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 23. April 2014 (ON 788) in Rechtskraft erwachsen sind.

Danach hat

(D) Hannes K*****

(I) als Präsident und faktischer Geschäftsführer des SK *****

1) vom Jahresanfang 1998 bis zum 30. Juni 2002 grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit des Vereins dadurch herbeigeführt, dass er entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens durch die Verpflichtung von Profifußballspielern sowie die Bezahlung überhöhter Gehälter an die Mitglieder des zu umfangreichen Spielerkaders und die Trainer einen übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des SK ***** in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, und hiedurch einen 800.000 Euro übersteigenden Befriedigungsausfall der Vereinsgläubiger bewirkt und

2) vom 1. Juli 2003 bis zum 22. Oktober 2006 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des SK ***** grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines Vereinsgläubigers dadurch vereitelt oder geschmälert, dass er durch die Verpflichtung von Profifußballspielern sowie die Bezahlung überhöhter Gehälter an die Mitglieder des zu umfangreichen Spielerkaders und die Trainer einen übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des SK ***** in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, und hiedurch einen 800.000 Euro übersteigenden zusätzlichen Befriedigungsausfall der Vereinsgläubiger bewirkt sowie

(III) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen, die diese oder Dritte in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten und schädigen sollten, verleitet und dies versucht, nämlich

2) vom 18. April 2006 bis zum 4. Juli 2006 Mitglieder der Steiermärkischen Landesregierung und Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag durch die Vorgaben, der SK ***** sei in der Lage, mit Hilfe entsprechender Fremdmittel die Lizenzierungsbestimmungen der österreichischen Fußballbundesliga für die Saison 2006/2007 einzuhalten und sei ein zur Finanzierung des Spielbetriebs fähiger und williger Verein, die Verträge über die Transferrechte des Vereins seien vollständig offengelegt worden, die Verbindlichkeiten des SK ***** gegenüber dem Finanzamt Graz‑Stadt würden rund 1,2 Millionen Euro betragen und sich aufgrund eines Nachsichtansuchens mit großer Wahrscheinlichkeit auf etwa 900.000 Euro reduzieren, wobei er Abgabenausstände in der Gesamthöhe von etwa 8 Millionen Euro verschwieg und inhaltlich unrichtige Prüfberichte sowie einen ebenso unrichtigen Zwischenabschluss vorlegte, und durch die Täuschungshandlungen versucht (§ 15 StGB), die Haftungsübernahme für ein Darlehen in der Höhe von 1,2 Millionen Euro zu erreichen, sowie

3) vom 14. Juli 2004 bis zum 22. Oktober 2006 in zahlreichen Angriffen durch die Vorgaben, der SK ***** sei ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Verein und habe die Lizenz der österreichischen Fußballbundesliga für die Saison 2006/2007 unter Einhaltung der für das Lizenzierungsverfahren geltenden Bestimmungen erhalten, mehrere Personen zur Erbringung von Dienstleistungen und zur Lieferung von Waren im Gesamtwert von insgesamt rund 200.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den nunmehr vom Landesgericht für Strafsachen Graz als Schöffengericht zu diesen Schuldsprüchen gefällten Strafausspruch aus Z 11 (teils nominell verfehlt „iVm Z 10“) des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht ‑ wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt ‑ fehl.

Wie dargelegt wurde mit der angefochtenen Entscheidung (bloß) die Sanktion zu den durch das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 23. April 2014 (ON 788) in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen des Beschwerdeführers nach dem StGB festgesetzt. Die Feststellungsbasis zu diesen Schuldsprüchen ist daher dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Februar 2012 (ON 720) zu entnehmen. Dieses konstatiert den durch die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit des SK ***** (D/I/1) entstandenen Gläubigerschaden mit rund 6,5 Millionen Euro (ON 720 S 174), den danach durch weiteres kridaträchtiges Handeln (D/I/2) bewirkten Befriedigungsausfall mit etwa 3,3 Millionen Euro (ON 720 S 174 f).

Hievon ausgehend trifft der Einwand der Sanktionsrüge, die aggravierende Wertung des „Kridaschadens“ (US 6) verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB (Z 11 zweiter Fall), nicht zu, weil der konstatierte Schaden die Wertgrenzen des § 159 Abs 4 Z 1 und 2 StGB (je 800.000 Euro) jeweils um ein Vielfaches übersteigt und solcherart gerade nicht schon die diesbezügliche Strafdrohung bestimmt.

Die Behauptung, das Erstgericht hätte das Herbeiführen der Zahlungsunfähigkeit als erschwerend gewertet (Z 11 zweiter Fall), entfernt sich vom Urteilsinhalt (siehe US 6).

Mit dem (auf Z 11 zweiter und dritter Fall gestützten) Einwand, das Erstgericht habe die „Bedeutung und Tragweite für die Öffentlichkeit“ aggravierend herangezogen, gibt die Beschwerde die angesprochene Urteilspassage zusammenhanglos und solcherart sinnentstellend wieder. Das Erstgericht verweist nämlich insoweit im Rahmen der allgemeinen Erwägungen zur Strafbemessung ‑ in Übereinstimmung mit § 32 Abs 3 StGB ‑ auf das Gewicht der Taten und erläutert dies unter anderem mit dem Hinweis auf die außertatbestandlichen Folgen, was unter dem Aspekt gesetzeskonformer Strafzumessung nicht zu beanstanden ist (vgl Ebner in WK² StGB § 32 Rz 85).

Die Behauptung, die Einbeziehung generalpräventiver Überlegungen in den Vorgang der Strafbemessung stelle generell einen unvertretbaren Verstoß iSd Z 11 dritter Fall dar, trifft nicht zu (eingehend Ebner in WK² StGB § 32 Rz 23 bis 26 mwN).

Hinzugefügt sei, dass der Einwand, das Erstgericht habe die Strafe aufgrund generalpräventiver Überlegungen verschärft, im Urteilswortlaut nicht Deckung findet.

Aus welchem Grund in dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer vom 7. Mai 2007 bis zum 9. Juli 2007 in Verwahrungs‑ und Untersuchungshaft befunden hat, ein Verstoß gegen Art 5 Abs 3 MRK gelegen sein soll, wird nicht klar. Das von einem solchen Verstoß ausgehende Beschwerdevorbringen hat daher auf sich zu beruhen.

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe durch den Ausspruch nach § 266 Abs 1 StPO mit Blick auf §§ 1, 61 StGB seine Strafbefugnis überschritten (Z 11 erster Fall), wird die Beschwerde nicht zugunsten des Angeklagten ausgeführt (siehe aber § 282 StPO):

Die angesprochene Bestimmung wurde durch BGBl I 2010/64 gemeinsam mit den Regelungen über den Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest (§§ 156b bis 156d StVG) in das Gesetz eingefügt. Dabei stellen § 266 StPO und §§ 156b bis 156d StVG insoweit eine Einheit dar, als der Gesetzgeber eine dem Verurteilten vorteilhafte Vollzugsvariante schuf, gleichzeitig aber dem erkennenden Gericht die Möglichkeit gab, (aus im Gesetz definierten Gründen) die konkrete Anwendung dieser Vollzugsvariante einzuschränken (vgl EBRV 772 BlgNr 24. GP 11). Anders ausgedrückt ist § 266 Abs 1 StPO zwar Sanktionsnorm (§ 266 Abs 1 letzter Satz StPO), zugleich aber auch ‑ §§ 156b bis 156d StVG ergänzende ‑ Strafvollzugsnorm (vgl Bertel/Venier , StPO § 266 Rz 6). In den nach § 61 zweiter Satz StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich sind daher ‑ wie in gewissen Fällen außerstrafrechtlicher Ausfüllungsnormen (hiezu Höpfel in WK² StGB § 61 Rz 10‑11a, Triffterer SbgK § 61 Rz 8, jeweils mwN) ‑ hier die Bestimmungen der §§ 156b bis 156d StVG einzubeziehen, weil andernfalls unzulässigerweise eine fiktive Rechtslage geschaffen würde (vgl RIS‑Justiz RS0088736 und RS0088953, Höpfel in WK² StGB § 61 Rz 6, Triffterer SbgK § 61 Rz 23). Die Annahme, § 61 zweiter Satz StGB hindere fallbezogen einen Ausspruch nach § 266 Abs 1 StPO, würde somit zu einem ‑ dem Beschwerdeführer nachteiligen ‑ Ausschluss des Strafvollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest führen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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