OGH 9ObA55/15a

OGH9ObA55/15a28.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Horst Nurschinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** H*****, vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, *****, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen zuletzt 15.566 EUR brutto sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2015, GZ 9 Ra 75/14m‑19, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 23. Jänner 2014, GZ 20 Cga 41/13i‑15, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00055.15A.0528.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 30. 3. 2009 als Sanitäter im Vertragsbedienstetenverhältnis vollbeschäftigt. Er wurde zum 1. 12. 2009 in die Bedienstetengruppe der Rettungssanitäter der Verwendungsgruppe K6 überstellt. Mit Wirksamkeit zum 1. 8. 2013 wurde er in die Bedienstetengruppe der Notfallsanitäter der Verwendungsgruppe K6 überreiht. Seitdem erhält er auch die für Notfallsanitäter vorgesehene Zulage gemäß Punkt 18. der Beilage E-II/IV/70 des Nebengebührenkatalogs der Beklagten in Höhe von 367,20 EUR brutto monatlich.

Der Kläger hatte die Ausbildung zum Notfallsanitäter bereits im Jahr 2007 erfolgreich absolviert. Im Jahr 2012 erlangte er zusätzlich die Notfallkompetenzen „Arzneimittellehre“ und „Venenpunktion und Infusion“. Seitdem erhält er von der Beklagten die im Nebengebührenkatalog für Notfall‑ und für Rettungssanitäter mit abgeschlossener Ausbildung in den Notfallkompetenzen „Arzneimittellehre“ und „Venenzugang und Infusion“ vorgesehene Zulage gemäß Punkt 19. der genannten Beilage. Diese Zulage betrug im Jahr 2012 47,21 EUR brutto monatlich.

Der Kläger begehrte von der Beklagten auch für den Zeitraum 1. 12. 2009 bis 31. 7. 2013 die Zahlung der Zulage gemäß Punkt 18. der genannten Beilage, weil er zumindest seit 1. 12. 2009 tatsächlich überwiegend als Notfallsanitäter verwendet worden sei. Die Auffassung der Beklagten, dass diese Zulage erst ab der Innehabung einer Planstelle für Notfallsanitäter gebühre, sei unrichtig.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in die Gruppe der Notfallsanitäter eingereiht gewesen sei und auch nur als Rettungssanitäter iSd § 9 SanG eingesetzt gewesen sei. Er habe keine Notfallsanitätertätigkeiten iSd § 10 SanG ausgeübt. Die Zulage gemäß Punkt 18. der Beilage E-II/IV/70 setze nach dem Inhalt des Nebengebührenkatalogs eine Einreihung in die Bedienstetengruppe der Notfallsanitäter/Notfallsanitäterinnen voraus. Die Einreihung in diese Bedienstetengruppe könne nur erfolgen, wenn ein entsprechender Dienstposten frei und der Dienstnehmer zur Ausübung der Tätigkeit als Notfallsanitäter berechtigt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über den unbestrittenen Sachverhalt hinaus stellte es fest, dass der Kläger als Rettungssanitäter bei der MA 70 „regelmäßig Tätigkeiten ausführte, welche gemäß § 10 SanG Notfallsanitätern vorbehalten sind“. Auch wenn er qualitativ Tätigkeiten eines Notfallsanitäters durchgeführt habe, stehe ihm in diesem Zeitraum die Zulage gemäß Punkt 18. nicht zu, weil er nicht den Dienstposten eines Notfallsanitäters besetzt habe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge und hob die Entscheidung des Erstgerichts zur Verfahrensergänzung auf. Nach der Beilage E-II/IV/70 der Nebengebührenkataloge 2010 bis 2013 solle die Zulage nach Punkt 18. Notfallsanitätern/Notfallsanitäterinnen gebühren. Die Zulage nach Punkt 19. solle Notfallsanitätern/Notfallsanitäterinnen und Rettungssanitätern/Rettungssanitäterinnen mit bestimmten Zusatzausbildungen gebühren. Sollte der Kläger überwiegend zu den höherwertigen Tätigkeiten eines Notfallsanitäters herangezogen worden sein, wäre die Beklagte zu einer Einreihung des Klägers in die Bedienstetengruppe der Notfallsanitäter/Notfallsanitäterinnen (K6 Z 3) verpflichtet gewesen. Der Umstand, dass eine solche ‑ bei entsprechender Verwendung gebotene ‑ Einreihung gegebenenfalls unrichtigerweise nicht vorgenommen worden sei, befreie die Beklagte nicht von der Verpflichtung zur Zahlung der bei richtiger Einstufung gebührenden Nebengebühren. Das Erstgericht habe nur festgestellt, dass der Kläger regelmäßig iSd § 10 SanG den Notfallsanitätern vorbehaltene Tätigkeiten ausgeübt habe, woraus aber ein Überwiegen nicht abgeleitet werden könne. Der Rekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen des erhobenen Nebengebührenanspruchs fehle, der eine Vielzahl von Dienstnehmern betreffe.

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Beklagte die Abänderung des Beschlusses des Berufungsgerichts im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben und weiter, im klagsstattgebenden Sinn zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig , jedoch nicht berechtigt .

1. Gemäß § 17 Abs 1 der hier unstrittig anzuwendenden VBO 1995 gilt auch für Vertragsbedienstete grundsätzlich die Besoldungsordnung (BO) 1994 sinngemäß. Gemäß § 33 Abs 1 BO 1994 können dem Beamten neben den Monatsbezügen (§ 3) und den Naturalbezügen (§ 12) unter anderem Nebengebühren gewährt werden. Sie sind in § 33 Abs 2 BO 1994 taxativ (Hutterer/Rath, Dienst‑ und Besoldungsrecht der Wiener Gemeindebediensteten3 § 33 BO 1994 Anm 10) aufgezählt und sind nach § 33 Abs 3 BO 1994 vom Stadtsenat auf Antrag der gemeinderätlichen Personalkommission festzusetzen. Eine solche Festsetzung stellt rechtlich eine Verordnung dar (RIS‑Justiz RS0114997).

Der Stadtsenat erließ jährlich Nebengebührenkataloge für den Magistrat der Stadt Wien, die in Beilage E-II/IV/70 folgende Punkte enthielten:

18.) Zulage

für Notfallsanitäter/Notfallsanitäterinnen des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes, als Abgeltung für die qualitativen Leistungen und die verantwortungsvolle Tätigkeit

monatlich Kz. 887601 367,20 EUR (Wert 2012)

Leistungsentgelt

19.) Zulage

für Notfallsanitäter/Notfallsanitäterinnen und Rettungssanitäter/Rettungssanitäterinnen des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes, welche die Ausbildung in den Notfallkompetenzen „Arzneimittellehre“ und „Venenzugang und Infusion“ (§§ 38 bis 40 Sanitätergesetz ‑ SanG, BGBl I Nr 30/2002, in der Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 57/2008), erfolgreich abgeschlossen haben, als Abgeltung für die qualitativen Leistungen und die verantwortungsvolle Tätigkeit

monatlich Kz. 886701 47,21 EUR (Wert 2012)

Leistungsentgelt.

2. Dass der Kläger grundsätzlich die qualitativen Voraussetzungen für eine Einreihung in die Bedienstetengruppe der Notfallsanitäter/Notfallsanitäterinnen erfüllte, ist nicht weiter strittig. Er stützt sein Begehren darauf, dass er im klagsgegenständlichen Zeitraum tatsächlich die Tätigkeiten eines Notfallsanitäters verrichtet und deshalb einen Anspruch auf die Zulage gemäß Punkt 18. habe.

3. Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich die Einstufung eines Vertragsbediensteten nach den tatsächlich überwiegend geleisteten Diensten (RIS‑Justiz RS0082007 ua; für den Anwendungsbereich der VBO 1995 ebenso 9 ObA 140/13y mwN). Soweit besondere Einstufungserfordernisse festgelegt sind, sind aber auch diese zu beachten (RIS‑Justiz RS0081501; 8 ObA 25/13d ua). Dazu zählen etwa Qualifikationsvorschriften, nach dem Wortlaut der Punkte 18. und 19. aber nicht die Einreihung eines Mitarbeiters in eine bestimmte Bedienstetengruppe. Ebensowenig ist maßgeblich, ob im Stellenplan ein freier Dienstposten der in Frage stehenden Art vorgesehen ist (RIS‑Justiz RS0082007 [T7, T9, T16]; 8 ObA 25/13d). Auch für Nebengebühren gilt der Grundsatz der Verwendungsabhängigkeit ( Hutterer/Rath aaO § 33 BO 1994 Anm 3). Danach kommt es für die strittige Zulage aber nicht auf die Einreihung des Klägers in eine bestimmte Bedienstetengruppe, sondern nur darauf an, wie er tatsächlich verwendet wurde. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, steht es dem öffentlichen Dienstgeber außerhalb von Sonderverträgen auch nicht frei, in einem Dienstvertrag zum Nachteil eines Vertragsbediensteten von den gesetzlichen Rahmenbedingungen abzuweichen (8 ObA 25/13d).

4. Die Beklagte hält dem entgegen, dass andere Zulagen wie jene nach Punkt 21. (Zulage für Notfallsanitäter/ Notfallsanitäterinnen und Rettungssanitäter/Rettungs-sanitäterinnen des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes, die als Lenker/Lenkerin eines Rettungswagens eingesetzt werden) und jene nach Punkt 22. (Zulage für Notfallsanitäter/Notfallsanitäterinnen und Rettungssanitäter/Rettungssanitäterinnen des Rettungs‑ und Krankenbeförderungsdienstes, die als Lehrsanitäterinnen und Lehrsanitäter iSd § 47 SanG eingesetzt werden) sehr wohl auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abstellen. Im Umkehrschluss dürfe es aber für die Zulage nach Punkt 18. nicht auf den tatsächlichen Einsatz, sondern nur auf die Zugehörigkeit eines Sanitäters zu einer Bedienstetengruppe ankommen.

Einer solchen Auslegung steht jedoch entgegen, dass auch die Zulagen nach Punkt 18. und 19. explizit als „Abgeltung für die qualitativen Leistungen und die verantwortungsvolle Tätigkeit“ beschrieben werden und ausdrücklich als „Leistungsentgelt“ bezeichnet sind. Dies spricht dafür, dass es sich um Leistungszulagen nach § 33 Abs 2 Z 5 BO 1994 handelt. Solche Leistungszulagen können nach § 37a Abs 1 BO 1994 für überdurchschnittliche qualitative Leistungen, sofern sich diese Qualität der Leistung bereits über einen längeren Zeitraum erstreckt hat (Z 1), für die Erreichung von schriftlich vereinbarten Leistungszielen (Z 2) oder im Zusammenhang mit der konkret auszuübenden Tätigkeit verbundenen Leistungsanforderungen (Z 3) gewährt werden.

5. Unter der Voraussetzung, dass der Kläger tatsächlich überwiegend Dienste als Notfallsanitäter geleistet hat, stünde ihm danach auch die in Punkt 18. der Beilage zum Nebengebührenkatalog der Beklagten für Notfallsanitäter des Rettungs‑ und Krankenbeförderungsdienstes vorgesehene Zulage zu. Da die Feststellung einer „regelmäßigen“ Tätigkeit jedoch noch keinen eindeutigen Schluss auf ihr tatsächliches Ausmaß im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten des Klägers („überwiegend“) zulässt, ist das Berufungsgericht zum Ergebnis gekommen, dass es noch entsprechender erstgerichtlicher Feststellungen dazu und einer neuerlichen Beurteilung bedarf. Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179).

6. Zusammenfassend erweist sich der Rekurs der Beklagten als nicht berechtigt, sodass ihm keine Folge zu geben ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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