OGH 6Ob43/15i

OGH6Ob43/15i27.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M***** F*****, vertreten durch Dr. Simon Tonini, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Dr. M***** H*****, wegen Nichtigkeit gemäß § 529 ZPO, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Jänner 2015, GZ 3 Nc 8/13a‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung mehrerer im Verfahren 26 C 951/10w des Bezirksgerichts Innsbruck ergangener Entscheidungen, darunter auch der Berufungsentscheidung des Landesgerichts Innsbruck vom 1. 3. 2012 (3 R 249/11f). Eine vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobene Revision wurde vom Landesgericht Innsbruck gemäß § 508 ZPO zurückgewiesen; dieser Beschluss wurde der damaligen rechtsfreundlichen Vertretung des Klägers mit Wirksamkeit 8. 11. 2012 (§ 89d Abs 2 GOG) zugestellt. Seine Nichtigkeitsklage (verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe) übermittelte der Kläger (ohne Beiziehung einer rechtsfreundlichen Vertretung) per Telefax, welches am „Fri 2012-12-07 00:15“ beim Landesgericht Innsbruck einlangte.

Das Landesgericht Innsbruck wies die Nichtigkeitsklage, die nach Bewilligung der Verfahrenshilfe in weiterer Folge vom nunmehrigen Verfahrenshelfer ausgeführt worden war, zurück. Die Frist des § 534 ZPO habe für den Kläger am 6. 12. 2012 um 24:00 Uhr geendet, sein Telefax sei jedoch erst am 7. 12. 2012 bei Gericht eingelangt. An dieser Verspätung vermöge die Bewilligung der Verfahrenshilfe nichts zu ändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (vgl 6 Ob 662/94 SZ 67/234; Jelinek in Fasching/Konecny 2 IV/1 [2005] § 535 ZPO Rz 25); er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger gesteht in seinem Rekurs zwar zu, dass seine Nichtigkeitsklage tatsächlich erst am 7. 12. 2012 um 00:15 Uhr bei Gericht einlangte; er geht aber dennoch von der Einhaltung der vierwöchigen Frist des § 534 ZPO aus. Die Klage (samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe) sei „schon am 6. 12. 2012 noch vor Mitternacht um etwa 23:50 Uhr zur Gänze am Computer (Internet/E‑Mail‑Faxlösung) erfasst und zur Übertragung an das Empfänger-Faxgerät 0512582286 mit dem Befehl senden an das zuständige Gericht versandt“ worden; analog § 89 Abs 1 GOG (Postweg) sei das Schriftstück somit noch vor Mitternacht „auf den Weg geschickt“ worden.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0119013, RS0006955) ist bei Einbringung von Eingaben bei Gerichten ‑ auch von Klagen (1 Ob 41/99g SZ 72/75) ‑ unter bestimmten Umständen die Verwendung eines Telefax in analoger Anwendung des § 89 Abs 3 GOG (Schriftliche Eingaben an das Gericht können auch im telegraphischen Wege erfolgen, insbesondere kann die Erhebung der Berufung, Revision oder des Rekurses telegraphisch geschehen.) auch nach Dienstschluss fristwahrend. Dies gilt auch für ein Computerfax, bei dem eine Datei direkt auf ein Faxgerät übermittelt wird ( Thiele , Form- und Fristwahrung durch elektronische Übermittlung einer Textdatei? MR 1999, 7; ders , Deutsche Gerichte gestatten Eingaben per Computerfax, MR 2000, 281; Konecny in Fasching/Konecny 2 II/2 [2003] § 74 ZPO Rz 31; Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 [2014] § 74 Rz 10).

2. Als eine der Voraussetzungen für eine solche Fristwahrung wird von der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0119013) das Einlangen der Telefaxeingabe vor 24:00 Uhr des letzten Tages der maßgeblichen Frist angesehen; gleichgültig ist es dabei aber, ob das Telefax vor oder erst nach dem Ende der Amtsstunden empfangen wird, werde das Schriftstück doch automatisch mit einem dem Eingangsvermerk gemäß § 102 Geo entsprechenden Vermerk versehen. Diese Auffassung wird von der Literatur geteilt ( Konecny aaO Rz 37; Gitschthaler aaO Rz 7). In diesem Zusammenhang besteht auch darin Übereinstimmung, dass den Einschreiter immer das Risiko eines allfälligen Nichteinlangens der Eingabe bei Gericht trifft; der Einschreiter habe stets das Risiko eines technischen Gebrechens, eines Eingabefehlers und dergleichen, aber auch das Risiko zu tragen, dass das Empfangsgerät gerade belegt ist (in einem solchen Fall wird die Eingabe unter Umständen erst mit einem Eingangsvermerk vom nächsten Tag versehen [dazu Gitschthaler aaO Rz 7 unter Hinweis auf OLG Linz 2 R 51/04i; ebenso Kneihs , Wann ist eine per Telefax eingebrachte Berufung rechtzeitig? ZfV 2000, 2033]).

3. Nach § 89 Abs 1 GOG werden bei der Fristenberechnung unter anderem bei bestimmten gesetzlichen Fristen, wozu auch jene nach § 534 ZPO gehört (vgl im Zusammenhang 3 Ob 232/98h), „die Tage des Postenlaufs in die Frist nicht eingerechnet“. Daraus zieht der Kläger den Schluss, bei einer „verfassungskonformen Interpretation nach Maßgabe von Art 7 B‑VG beziehungsweise Art 2 StGG“ sei diese Bestimmung auch auf die Einbringung von Eingaben mittels Telefax anzuwenden.

Dabei übersieht der Kläger aber, dass auch im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 89 Abs 1 GOG Voraussetzung für die Fristwahrung ein Versenden des Schriftstücks mit dem Postaufgabevermerk dieses Tages ist (RIS‑Justiz RS0059649); das Einwerfen des Schriftstücks in einen Postkasten reicht hingegen nicht aus (RIS‑Justiz RS0059660), sofern es nicht noch rechtzeitig bei einem Postamt einlangt und dort mit dem Postaufgabevermerk versehen wird (vgl 9 ObA 173/00g). Für einen mit dem Telefax insoweit vergleichbaren Fall, den Elektronischen Rechtsverkehr, ist wiederum in § 89d Abs 1 GOG sogar ausdrücklich bestimmt, dass eine Eingabe erst dann als angebracht gilt, wenn die Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind (auf diesen Umstand ausdrücklich hinweisend bereits 7 Ob 94/04f).

Da es somit sowohl bei postalischer als auch bei elektronischer Einbringung bei der Beurteilung der Fristwahrung immer auf außerhalb der Sphäre des Einbringers liegende (Postaufgabevermerk, Einlangen bei der Bundesrechenzentrum GmbH) und deshalb nicht manipulierbare, nicht aber auf im unmittelbaren Einflussbereich des Einbringers liegende Umstände (Einwurf in den Postkasten, Absenden der elektronischen Eingabe) ankommt, ist kein Grund ersichtlich, weshalb dies bei Eingaben mittels Telefax anders sein sollte. Auch hier hat der Einbringer das Risiko des Verlusts, aber auch der Dauer der Übermittlung zu tragen. Es besteht somit kein Grund, von der herrschenden Auffassung abzugehen, wonach nur das Einlangen der Telefaxeingabe vor 24:00 Uhr des letzten Tages der maßgeblichen Frist als fristwahrend angesehen wird.

4. Da die Nichtigkeitsklage somit als erst am 7. 11. 2012 eingebracht anzusehen ist, wurde die Frist des § 534 ZPO nicht gewahrt. Dem Rekurs des Klägers war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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