OGH 12Os33/15t

OGH12Os33/15t7.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Mai 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilhelm P***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Dezember 2014, GZ 63 Hv 120/14y‑41, und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den unter einem verkündeten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00033.15T.0507.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Verfalls‑ und Einziehungserkenntnis sowie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, diese auch mit ihrer Beschwerde gemäß § 498 Abs 3 StPO, auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten enthaltenden Urteil wurde Wilhelm P***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen; vgl US 11) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt. Danach hat er (zu ergänzen:) in W***** vorschriftswidrig Suchtgift

I./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge gewerbsmäßig einem anderen überlassen, obwohl er wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG schon einmal verurteilt worden war, und zwar von Ende September 2013 bis 29. Mai 2014 Hannes K***** in mehrfachen Angriffen insgesamt 600 Kapseln Substitol à 200 mg mit dem Wirkstoff Morphinsulfatpentahydrat zum Preis von 10 Euro pro Kapsel und 1,3 Gramm Marihuana mit den Wirkstoffen Delta‑9‑THC und THC‑A;

II./ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar von 4. August 2006 bis 29. April 2014 in mehrfachen Angriffen geringe Mengen Haschisch mit den Wirkstoffen Delta‑9‑THC und THC‑A sowie Kokain.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z „4“ StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Kritik (inhaltlich Z 5) an der (sinnstörenden, auf einem offenkundigen Schreibfehler durch Übernahme aus der Anklageschrift [ON 13 S 1] beruhenden) Nennung des „bereits ausgeschiedene[n] Erstangeklagten“ in der Wiedergabe des Urteilsspruchs im Hauptverhandlungs-protokoll vom 10. Dezember 2014 (ON 40 S 7 [„… A./ Leo Gert O***** ...“]) macht weder einen Widerspruch der Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO) noch ein Fehlzitat des (eine entscheidende Tatsache betreffenden) Inhalts einer Aussage oder Urkunde oder (mit Blick auf die nicht bestrittene Verurteilung des Beschwerdeführers in dieser Hauptverhandlung) eine Abweichung des schriftlichen vom verkündeten Urteil (Z 3) geltend und entzieht sich damit mangels Orientierung an den gesetzlich vorgesehenen Anfechtungskategorien einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Behauptung der fehlenden Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der Angaben des Zeugen Hannes K***** zu Tatzeitraum und Menge des überlassenen Suchtgifts übergeht die Würdigung seiner Aussage durch die Tatrichter (US 8 f) und legt unter dem Aspekt mangelnder Begründungstauglichkeit nicht dar, weshalb deren daraus im Zusammenhalt mit den Angaben der Zeugin Simone B***** und den „Telefonüberwachungsprotokollen“ gezogene Schlussfolgerungen den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollten.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) jedoch auf, dass die Feststellungen zum ‑ bei jeder Weitergabe der Tabletten notwendigen ‑ Vorsatz des Angeklagten, dass durch die wiederkehrende Überlassung von für sich genommen kleineren Mengen Suchtgift „sich diese summieren und die Grenzmenge übersteigen würden“ (US 7 dritter Absatz; RIS‑Justiz RS0112225, RS0124018) nicht begründet sind, weil sich die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter zur subjektiven Tatseite auf das ‑ sich aus den Vorstrafen des Beschwerdeführers ergebende ‑ Wissen um die Strafbarkeit seiner Taten beschränken (US 10).

Da alle für die rechtliche Einordnung der Tat erforderlichen Feststellungen zur Willensausrichtung des Angeklagten jedenfalls einer ausdrücklichen Begründung im Urteil bedürfen (RIS‑Justiz RS0128679, RS0098789 [T4]; Danek, WK‑StPO § 270 Rz 40), ist der ‑ mangels getroffener Feststellungen zum Überlassen von einzelnen die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Mengen Suchtgift für die erfolgte Subsumtion hier entscheidende ‑ Vorsatz auf kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt offenbar unzureichend begründet. Der Annahme einer strafbaren Handlung nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG ist damit die Grundlage entzogen.

Muss aber ein Schuldspruch nach § 28a SMG, der eine selbständige Qualifikation des „Grundtatbestands“ nach § 27 Abs 1 SMG darstellt, wegen unzureichender Begründung der subsumtionsrelevanten Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der veräußerten Suchtgiftquanten aufgehoben werden, können jene Annahmen, die einen (hier zu I./ gar nicht erfolgten) Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG stützen würden, gleichfalls nicht bestehen bleiben (RIS‑Justiz RS0115884 [T7 und T8]; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 18). Nichts anderes gilt für Schuldspruch II./ wegen § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG, weil dessen Zulässigkeit davon abhängt, ob dem Angeklagten im zweiten Rechtsgang neuerlich eine weitere, über § 27 Abs 1 und 2 SMG hinausgehende (vgl insoweit § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG) Straftat nach dem Suchtmittelgesetz zur Last fällt (RIS‑Justiz RS0119278).

Da somit bereits dieser zutreffend aufgezeigte Begründungsmangel zur Aufhebung sämtlicher Schuldsprüche (teils gemäß § 289 StPO) zwingt, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen des Rechtsmittels.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten waren daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Schuldsprüchen und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Verfalls‑ und Einziehungserkenntnis sowie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufzuheben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, diese auch mit ihrer Beschwerde gemäß § 498 Abs 3 StPO, auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass eine strafbare Handlung gemäß § 70 StGB gewerbsmäßig begeht, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl demgegenüber jedoch US 10: „… sich dadurch eine wiederkehrende …“).

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