Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der einschreitende Gläubiger und die Schuldnerin haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.
Begründung
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 10. 1. 2014 zu 5 S 1/14m wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Die Eigenverwaltung wurde der Schuldnerin nicht entzogen.
Die Schuldnerin bewohnt gemeinsam mit ihrem Ehegatten, über dessen Vermögen ebenfalls das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet wurde, eine Mietkaufwohnung, die eine Größe von rund 98 m 2 aufweist und aus vier Zimmern samt Nebenräumen besteht. Das monatliche Entgelt für die Wohnung inklusive Betriebs- und Heizkosten betrug im Jahr 2010 rund 550 EUR. Anlässlich der Inventarisierung der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher wurden nur geringwertige Einrichtungsgegenstände vorgefunden.
Mit Antrag vom 19. 9. 2014 begehrte die Schuldnerin ‑ so wie auch ihr Ehegatte in dessen Schuldenregulierungsverfahren ‑ von der Verwertung ihrer Mietkaufwohnung in ***** K*****, abzusehen und die Miet- und sonstigen Nutzungsrechte an dieser Wohnung aus der Insolvenzmasse auszuscheiden. Dazu führte sie aus, dass die Größe der Wohnung dem gewöhnlichen Wohnungsbedarf zweier Personen entspreche. Eine kostengünstigere Wohnung sei nicht zu erlangen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass durch die Anmietung einer neuen Mietwohnung beträchtliche Kosten etwa für den Umzug oder die Leistung einer Kaution entstehen. Aus diesem Grund sei von der freiwerdenden Anzahlung (anteilig 4.258 EUR) kaum ein Betrag lukrierbar. Die Verwertung der Mietrechte erweise sich daher als unwirtschaftlich.
Von den 21 Gläubigern sprachen sich nur zwei davon, darunter auch der hier einschreitende Gläubiger, gegen die Ausscheidung aus. Letzterer begehrte zum Beweis dafür, dass die Mietkaufwohnung für die begehrte Ausscheidung „in jedem Fall deutlich zu groß und überdimensioniert“ sei, überdies die Durchführung eines Ortsaugenscheins. Dazu führte er aus, dass eine Wohnung in einer den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Schuldnerin angepassten Größe kostengünstiger zu haben sei. Anfallende Kosten, wie Umzugskosten, seien nicht zu berücksichtigen.
Das Erstgericht gab dem Antrag der Schuldnerin statt und schied die Miet‑ und sonstigen Nutzungsrechte an der Mietkaufwohnung in ***** K*****, gemäß § 119 Abs 5 IO aus der Insolvenzmasse aus und überließ diese der Schuldnerin zur freien Verfügung. Der Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins wurde abgewiesen. Unentbehrliche Mietrechte seien dem Schuldner gemäß § 5 Abs 4 IO zu überlassen. Darüber hinaus komme gemäß § 119 Abs 5 IO auch die Ausscheidung von Bestandrechten in Bezug auf nicht unentbehrliche Wohnräume in Betracht, wenn die Verwertung keinen Erlös für die Masse erwarten lasse. Dieser Fall liege hier vor. Das gezahlte Mietentgelt entspreche unter Zugrundelegung der üblichen Wohnungspreise einer Wohnung mit rund 63 m 2 . Zunächst sei fraglich, ob eine Ersatzwohnung um die derzeit bezahlte Miete von 502 EUR überhaupt verfügbar sei. Hinzu komme, dass nach Abzug der mit der Anmietung einer neuen Wohnung verbundenen Kosten vom auszuzahlenden Finanzierungsbetrag für die Masse nichts mehr lukriert werden könne. Die Mietrechte seien daher auszuscheiden. Der Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins sei abzuweisen.
Das Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Gläubigers Dr. G***** N***** zurück. Nach ständiger Rechtsprechung könnten einzelne Insolvenzgläubiger eine Ausscheidung gemäß § 119 Abs 5 IO nur anregen, aber nicht im Sinn eines Erledigungsanspruchs beantragen. Sie seien daher im gesamten Verwertungsverfahren auch nicht rekurslegitimiert. In der Judikatur sei umstritten, ob diese Grundsätze auch im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung gelten. Dies sei vor allem deshalb fraglich, weil dem Insolvenzgericht für die Entscheidung im Wesentlichen nur die Informationen des Schuldners zur Verfügung stehen. Dieses Argument sei im Anlassfall allerdings nicht schlagend, weil das Erstgericht sämtlichen Gläubigern die Möglichkeit eingeräumt habe, zum Ausscheidungsantrag Stellung zu nehmen. Es bestehe daher keine Veranlassung von der bisher ständigen Rechtsprechung abzugehen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Frage, ob im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung dem einzelnen Insolvenzgläubiger ein subsidiäres Rekursrecht gegen Ausscheidungsbeschlüsse zukomme, bisher nicht entschieden habe.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Gläubigers Dr. G***** N*****, der auf eine Abweisung des Ausscheidungsantrags abzielt. Der einschreitende Gläubiger bezieht sich auch darauf, dass ihm die Rechtsmittellegitimation zukommen müsse, weil durch die Ausscheidung die Insolvenzmasse geschmälert und in die Rechte des Insolvenzgläubigers eingegriffen werde.
Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Schuldnerin, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Klarstellung zur Frage der Rechtsmittellegitimation der einzelnen Insolvenzgläubiger gegen einen Ausscheidungsbeschluss des Insolvenzgerichts im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung durch den Obersten Gerichtshof geboten ist. Der Revisionsrekurs des Gläubigers gegen den Zurückweisungsbeschluss ist aber nicht berechtigt.
1.1 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der einzelne Insolvenzgläubiger im Verwertungsverfahren kein Individualmitwirkungsrecht hat. Er kann eine Ausscheidung gemäß § 119 Abs 5 IO nur anregen, aber nicht im Sinn eines Erledigungsanspruchs beantragen. In solchen Angelegenheiten steht ihm daher auch keine Rechtsmittelbefugnis zu. Ein Rekursrecht haben nur der Insolvenzverwalter, der Schuldner und die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses. Dies gilt auch dann, wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist (RIS‑Justiz RS0102114; vgl auch RS0065218) und daher das Insolvenzgericht allein über die Bewilligung einer Ausscheidung zu entscheiden hat (vgl 8 Ob 2085/96t).
Die Verneinung der Rechtsmittelbefugnis des einzelnen Insolvenzgläubigers wird vor allem mit einer Vermeidung unabsehbarer Verfahrensverzögerungen durch die Verfolgung von Einzelinteressen der Gläubiger begründet (8 Ob 332/98a; 8 Ob 333/98y). Hinzu kommt, dass der einzelne Insolvenzgläubiger im Verwertungsverfahren durch den Gläubigerausschuss (§ 88 IO) mediatisiert ist (siehe dazu 8 Ob 2085/96t), sodass diesem selbst nur ein wirtschaftliches Interesse (hier) im Zusammenhang mit einem Ausscheidungsbeschluss zuerkannt werden kann. Ein solches Interesse genügt für die Begründung der Rechtsmittellegitimation ganz allgemein aber nicht (vgl RIS‑Justiz RS0065135).
1.2 In der Entscheidung 8 Ob 4/10m hat der Oberste Gerichtshof im Fall eines Schuldenregulierungsverfahrens mit Eigenverwaltung eingeräumt, dass bei Bewilligung eines Ausscheidungsantrags des zur Eigenverwaltung berechtigten Schuldners ein Rechtsschutzdefizit besteht, weil kein zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimierter Verfahrensbeteiligter vorhanden ist. Dazu wurde die Überlegung angestellt, dass eine mögliche Lösung in der Anerkennung eines subsidiären Rekursrechts der einzelnen Insolvenzgläubiger gegen den Ausscheidungsbeschluss bestehen könnte. Diese Frage wurde in dieser Entscheidung allerdings nicht abschließend geklärt.
1.3 Im Schrifttum hat sich vor allem Schneider (Zum Rekursrecht einzelner Gläubiger gegen die Ausscheidung von Vermögensgegenständen, ZIK 2010/309, 202 ff) mit der zitierten Entscheidung befasst. Sie begrüßt „den Vorschlag“ des Obersten Gerichtshofs zur Lockerung des Rechtsmittelausschlusses. In der Ausgestaltung dieses Rekursrechts ergäben sich allerdings Schwierigkeiten und Unklarheiten, vor allem dann, wenn nachträglich ein Masseverwalter bestellt werde. Hier könnte die Regelung über den Parteiwechsel herangezogen werden, wobei der Masseverwalter dann in die Position einer Vielzahl von Gläubigern trete, denen ein jeweils eigenes Rekursrecht zustehe. Der Masseverwalter könne aber nur ein Verfahren weiterführen; die anderen Rechtsmittel seien nachträglich mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen.
Nach Kodek (in Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht 4 § 119 KO Rz 216) gilt der Ausschluss des Rekursrechts der einzelnen Gläubiger wohl auch bei Eigenverwaltung. Sofern man die amtswegige Prüfungspflicht des Insolvenzgerichts für nicht ausreichend ansehe, könne allenfalls die These vom Ausschluss des Rekursrechts einzelner Gläubiger überdacht und der Grundgedanke des § 189 KO (stellvertretende Wahrung der Interessen der Gläubigerschaft durch einzelne Insolvenzgläubiger) fruchtbar gemacht werden. An anderer Stelle (Privatkonkurs 2 Rz 297) führt Kodek aus, dass bei Fehlen eines Insolvenzverwalters und Gläubigerausschusses mangels Vorhandenseins eines Rekursberechtigten der Ausscheidungsbeschluss in der Regel überhaupt nicht angefochten werden könne. Zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken wäre in Erweiterung des Grundgedankens des § 189 IO bei Eigenverwaltung ein ausnahmsweises subsidiäres Rekursrecht einzelner Gläubiger zu erwägen. Dazu wird auf die Entscheidung 8 Ob 4/10m (ZIK 2010/361) verwiesen.
2. Aus Anlass der vorliegenden Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die Frage der Rechtsmittellegitimation der einzelnen Insolvenzgläubiger im Verwertungsverfahren bei einem Schuldenregulierungs-verfahren mit Eigenverwaltung einer neuerlichen Überprüfung unterzogen. Trotz des in der Entscheidung 8 Ob 4/10m aufgezeigten Rechtsschutzdefizits wird den dort angestellten Überlegungen zur Anerkennung eines subsidiären Rekursrechts der einzelnen Gläubiger nicht näher getreten.
Der Umstand, dass ‑ mangels Entziehung der Eigenverwaltung (§ 186 Abs 2 IO) ‑ kein Insolvenzverwalter bestellt wurde, ändert an der Rechtsposition des Gläubigers an sich nichts. Das bloß wirtschaftliche Eigeninteresse im Zusammenhang mit einem Ausscheidungsbeschluss kann systemkonform nicht zur Begründung einer ‑ wenn auch nur subsidiären ‑ Rechtsmittellegitimation führen. In einem Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung kommt die Verwertungsbefugnis hinsichtlich der Insolvenzmasse auch nicht den einzelnen Gläubigern, sondern dem Schuldner zu, der insofern eine Doppelfunktion innehat ( Schneider, ZIK 2010/309, 202). Auch dies spricht gegen eine Beteiligung der einzelnen Gläubiger. Auf das Anfechtungsrecht des einzelnen Insolvenzgläubigers nach § 189 IO kann im gegebenen Zusammenhang ebenfalls nicht referiert werden, weil es sich dabei um eine vom Gesetzgeber bewusst getroffene Sonderregelung handelt, die nicht verallgemeinerungsfähig ist (siehe dazu 4 Ob 99/97f). Da es sich im gegebenen Zusammenhang um keinen gesetzlichen Rechtsmittelausschluss handelt, kann es nicht darauf ankommen, ob eine Situation vorliegt, die für einen gesetzlichen Rechtsmittelausschluss typisch ist. Letztlich lassen sich auch dem Schrifttum keine überzeugenden Argumente entnehmen, die eindeutig für die Bejahung einer Rechtsmittellegitimation des einzelnen Insolvenzgläubigers sprechen würden. Statt dessen wurde eine Reihe von Schwierigkeiten aufgezeigt. Ungeklärt bliebe schon die Frage des Beginns der Rechtsmittelfrist, zumal die Zustellung eines Ausscheidungsbeschlusses an die einzelnen Gläubiger nicht stattfindet.
3. Nach den angestellten Überlegungen bleibt es im Ergebnis dabei, dass im Verwertungsverfahren weiterhin kein Individualmitwirkungsrecht und kein Individualrechtsschutz für den einzelnen Insolvenzgläubiger besteht. Auch im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung steht dem einzelnen Insolvenzgläubiger daher kein subsidiäres Rekursrecht gegen einen Ausscheidungsbeschluss zu.
4. Angemerkt wird, dass das Rekursgericht die Rechtsmittellegitimation des einschreitenden Gläubigers mit dem Argument verneint hat, dass das Erstgericht den Gläubigern die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Ausscheidungsantrag und daher rechtliches Gehör eingeräumt habe. Hat das Insolvenzgericht in diesem Sinn Bedenken dagegen, dass ihm zur Entscheidung über einen Ausscheidungsantrag des Schuldners (mangels Möglichkeiten zur amtswegigen Nachforschung) nur dessen Informationen zur Verfügung stehen, so kann es durch die Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit zugunsten der Insolvenzgläubiger dagegen Abhilfe schaffen.
5. Im Ergebnis ist die Entscheidung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden, weshalb dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen war.
Ein Kostenersatz kommt im Insolvenzverfahren nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0065227; 8 Ob 13/11m).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)