OGH 17Os46/14i

OGH17Os46/14i9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2015 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Mustafa V***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. September 2014, GZ 113 Hv 61/14i‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00046.14I.0409.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mustafa V***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens der Bestechung nach §§ 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 3. und 29. Mai (richtig [vgl ON 19 S 17]:) 2012

(I) mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinde Wien an ihrem „Recht auf Parkraumbewirtschaftung“ (gemeint [vgl US 5 und 8]: Recht auf Einhebung der Parkometerabgabe) zu schädigen, den als Vertragsbediensteten der Stadt Wien für die Ausstellung von Ausnahmebewilligungen gemäß § 45 Abs 4 StVO iVm § 43 Abs 2a Z 1 StVO („Parkpickerl“) zuständigen Manuel H*****, (zu ergänzen: wissentlich [vgl US 5]) dazu bestimmt, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass er unter Verwendung von Original‑Stanzmaschinen und Original-Rohlingen das gewünschte „Parkpickerl“ für zwei Jahre ohne entsprechenden förmlichen Antrag und ohne Prüfung der materiellen Voraussetzungen (insbesondere der Entrichtung der Parkometerabgabe) ausstellte, indem Mustafa V***** das Kennzeichen seines Pkw, den gewünschten Gemeindebezirk und die gewünschte Gültigkeitsdauer Bernad P***** als Mittelsmann mitteilte, der diese Daten an Manuel H***** weiterleitete;

(II) Bernad P***** durch die zu Punkt (richtig:) I beschriebene Tat dazu bestimmt, einem Amtsträger für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil zu gewähren, indem er ihm die Zahlung von 200 Euro für die Ausstellung des „Parkpickerls“ in Aussicht stellte, wobei er wusste, dass zumindest ein Teil des Betrags an Manuel H***** weitergeleitet würde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Das Erstgericht hat diversionelles Vorgehen schon deshalb für ausgeschlossen erachtet, weil der Beschwerdeführer durch die Tat, die ihm das Parken seines Pkw ohne Entrichtung der Parkometerabgabe über einen längeren Zeitraum ermöglichte (vgl 17 Os 24/14d), eine im Sinn des § 198 Abs 3 StPO nicht mehr geringfügige Schädigung der Gemeinde Wien im Ausmaß von 170 Euro herbeigeführt habe (US 9 f).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823). Diese Anforderungen verfehlt das Rechtsmittelvorbringen, indem es ausschließlich diese Annahme des Erstgerichts (nicht bloß geringfügiger Schädigung) kritisiert. Der Beschwerdeführer unterlässt es, auf Urteilskonstatierungen oder ein durch Ergebnisse der Hauptverhandlung indiziertes ‑ vom Erstgericht jedoch nicht durch Feststellungen geklärtes ‑ Sachverhaltssubstrat hinzuweisen, das für die positive Beurteilung der übrigen Diversionsvoraussetzungen (vgl § 198 Abs 1 und 2 Z 2 StPO) den Ausschlag gäbe (RIS‑Justiz RS0119091; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 659).

Im Übrigen sieht der Oberste Gerichtshof keinen Anlass, von einer höheren Obergrenze geringfügiger Schädigung am Vermögen (§ 198 Abs 3 StPO) als 100 Euro auszugehen, welchen Betrag die Rechtsprechung im Vermögensstrafrecht etabliert hat und den die Gesetzesmaterialien (AB 2457 BlgNR 24. GP , 4) auch im vorliegenden Zusammenhang als maßgeblich bezeichnen (vgl RIS‑Justiz RS0120079; jüngst zu § 142 Abs 2 StGB 13 Os 88/14m).

Bleibt anzumerken, dass Diversion bei ‑ dem Beschwerdeführer zur Last liegender ‑ Konkurrenz von Missbrauch der Amtsgewalt und Bestechung auf Grund des signifikant höheren Unrechts‑ und Schuldgehalts des vorgeworfenen Verhaltens (vgl § 198 Abs 2 Z 2 StPO) in aller Regel nicht in Betracht kommt (17 Os 28/14t; 17 Os 38/14p; 17 Os 52/14x; vgl Schroll , WK‑StPO § 198 Rz 6/3 [dessen Kritik übersieht, dass die Rechtsprechung den Diversionsausschluss des § 198 Abs 3 letzter Halbsatz nicht analog anwendet]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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