OGH 5Ob43/15g

OGH5Ob43/15g24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin R***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Barbara Bauer, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegner 1. M***** E*****, und 2. I***** E*****, beide vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 3 WEG iVm § 30 Abs 1 WEG, über die Revisionsrekurse der Antragstellerin und der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. September 2014, GZ 38 R 126/14g‑32, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 17. März 2014, GZ 12 MSch 9/13x‑26, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00043.15G.0324.000

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weiteren Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Erstantragsgegnerin ist zu 984/1046 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 1266 KG *****, mit der Liegenschaftsadresse *****. Zu ihren Gunsten ist das Wohnungseigentum an mehreren wohnungseigentumstauglichen Objekten einverleibt. Die Zweitantragsgegnerin ist zu 21/1046 Anteilen Miteigentümerin dieser Liegenschaft. Mit ihren Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum an der Wohnung 2/12 verbunden. Zugunsten eines weiteren Miteigentümers ist das Wohnungseigentum an den Wohnungen EG/1 und EG/2 verbüchert.

Zugunsten der Antragstellerin ist zu TZ 4722/2011 die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG 2002 an W23/DG samt Einlagerungsräumen im Keller und Terrassen an dieser Liegenschaft verbüchert.

Im Zeitpunkt der Antragstellung war die Antragstellerin noch Eigentümerin jener Anteile an der Liegenschaft, mit welchen Wohnungseigentum an den Wohnungen EG/1 und EG/2 verbunden ist. Darüber hinaus waren zu ihren Gunsten weitere Zusagen hinsichtlich der Einräumung von Wohnungseigentum an Objekten im Dachgeschoß eingeräumt, die zwischenzeitig an zwei andere Wohnungseigentumsbewerber übertragen wurden.

An der Liegenschaft ist seit 1993 Wohnungseigentum begründet.

Zwischen der Antragstellerin und den beiden Antragsgegnerinnen ist vor dem Erstgericht ein Verfahren anhängig, in dem die Antragstellerin als Klägerin von den Antragsgegnerinnen als Beklagte die Unterfertigung eines Antrags zur Neufestsetzung der Nutzwerte für die Liegenschaft begehrt. Diesem Antrag liegt ein im Auftrag der Antragstellerin von einem Architekten erstelltes Nutzwertgutachten unter Berücksichtigung der bereits fertiggestellten Dachgeschoßwohnungen zugrunde.

Die Antragstellerin begehrte die Durchführung von (näher umschriebenen) Erhaltungsarbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Dazu brachte sie ‑ soweit für das Revisionsrekursverfahren relevant ‑ vor, sie habe von den beiden Antragsgegnerinnen Anteile an der Liegenschaft erworben, um Wohnungen im Dachgeschoß zu errichten. Daran sei Wohnungseigentum nur deshalb noch nicht begründet, weil sich die Antragsgegnerinnen weigerten, die dafür erforderlichen Unterschriften zu leisten. Der von den Antragsgegnerinnen erhobene Einwand der fehlenden Aktivlegitimation sei sittenwidrig.

Die Antragsgegnerinnen bestritten die Notwendigkeit von Erhaltungsarbeiten und wendeten die mangelnde Aktivlegitimation der Antragstellerin ein, weil diese nicht (mehr) Miteigentümerin der Liegenschaft sei.

Mit seinem Sachbeschluss sprach das Erstgericht aus, dass im Haus ‑ näher genannte ‑ Erhaltungsarbeiten durchzuführen seien und führte zur Legitimation der Antragstellerin aus, diese sei bei Einleitung des Verfahrens Miteigentümerin der Liegenschaft gewesen und habe die mit Wohnungseigentum verbundenen Anteile im Zuge des Verfahrens veräußert. Zwar sei § 234 ZPO, wonach die Veräußerung einer streitverfangenen Sache auf den Prozess keinen Einfluss habe, im Verfahren Außerstreitsachen nicht anwendbar, doch sei die Antragstellerin nach wie vor Wohnungseigentumsbewerberin, weil für sie im Grundbuch gemäß § 40 Abs 2 WEG die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum an W23/DG angemerkt sei. Gemäß § 37 Abs 5 Satz 3 WEG komme einem Wohnungseigentumsbewerber die Rechtsstellung eines Miteigentümers zu, wenn sein späterer Miteigentumsanteil bekannt sei, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben habe. Da im Rahmen des Minderheitsrechts nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG (Antrag auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten gemäß § 28 Abs 1 Z 1 WEG) die Bestimmtheit des Anteils des Wohnungseigentumsbewerbers nicht relevant sei, sei die Antragstellerin weiterhin legitimiert. Der neu hinzugetretene Miteigentümer werde dem Verfahren durch Zustellung der Entscheidung beigezogen werden.

Das Rekursgericht hob den Sachbeschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die Ergänzung des Verfahrens auf. Dazu führte es in rechtlicher Hinsicht aus, in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG sei die Parteistellung des jeweiligen Mit- und Wohnungseigentümers an das aufrechte bücherliche Eigentum geknüpft. Mit der Veräußerung der Miteigentumsanteile gehe daher die Legitimation zur Antragstellung verloren, weil die Bestimmung des § 234 ZPO nicht anzuwenden sei. Der Außerstreitrichter sei deshalb in einem Verfahren nach § 52 WEG verpflichtet, bei einem in die Zukunft weisenden Begehren, wie hier einem solchen auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG, von Amts wegen alle jeweiligen Mit- und Wohnungseigentümer beizuziehen. Bei einem Antragsteller, der nicht (mehr) Miteigentümer aber (nach wie vor) Wohnungseigentumsbewerber sei, richte sich die Legitimation nach § 37 Abs 5 WEG. Danach würden für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG gelten, sobald eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt sei und zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben habe. Satz 3 dieser Bestimmung räume jenen Wohnungseigentumsbewerbern, die noch nicht Miteigentümer seien, zu deren Gunsten aber eine solche Zusage angemerkt sei, ab dem Zeitpunkt, zu dem ein späterer Miteigentumsanteil ‑ insbesondere durch ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten ‑ bekannt sei, die Rechte eines Miteigentümers ein, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben habe. Die vom Erstgericht unter Berufung auf Vonkilch (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 30 WGG Rz 5; § 37 WEG Rz 54) vertretene Ansicht, dass die genannte Bestimmung um das Erfordernis der Bestimmtheit des späteren Mindesteigentumsanteils teleologisch zu reduzieren sei, werde nicht geteilt. Im vorliegenden Fall liege zwar bereits ein neues Nutzwertgutachten unter Berücksichtigung der fertiggestellten Dachgeschoßwohnungen vor. Zwischen den Streitteilen sei jedoch ein Verfahren anhängig, in dem die Antragsgegnerinnen auf Unterfertigung eines Antrags zur Neufestsetzung der Nutzwerte in Anspruch genommen würden. Damit fehlten Feststellungen, ob die künftig auf die Antragstellerin entfallenden Miteigentumsanteile entsprechend dem erstellten Nutzwertgutachten trotz des anhängigen Verfahrens unstrittig und damit als bekannt vorauszusetzen seien, weswegen die Legitimation der Antragstellerinnen noch nicht abschließend beurteilt werden könne. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die künftigen Miteigentumsanteile bereits als bekannt anzusehen seien, werde diesem Umstand auch im Hinblick auf die übrigen Wohnungseigentumsbewerber durch Beiziehung zum Verfahren Rechnung zu tragen sein. Fehle es danach aber an der Legitimation der Antragstellerin, werde deren Rechtsnachfolger durch Beiziehung zum Verfahren die Möglichkeit zu geben sein, den Antrag durch Beitritt aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus werde im fortgesetzten Verfahren zu beachten sein, dass ein Antrag nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten sei, weswegen eine Beiziehung des Rechtsnachfolgers der Antragstellerin als sonstiger Verfahrensbeteiligter, der weder Antragsteller noch Antragsgegner sei, hier nicht in Frage komme.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob allenfalls § 37 Abs 5 Satz 3 WEG um das Erfordernis der Bestimmtheit des späteren Mindesteigentumsanteils teleologisch zu reduzieren sei, sodass auch einem Wohnungseigentumsbewerber, der nicht Miteigentümer der Liegenschaft sei, ein Antragsrecht nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG zukomme.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richten sich die Revisionsrekurse der Streitteile, jener der Antragstellerin erkennbar mit dem Begehren, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen, der der Antragsgegnerinnen mit dem Abänderungsbegehren, den Antrag abzuweisen.

Die Parteien beantragen, dem Rechtsmittel der jeweils anderen Seite keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; sie sind im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Parteistellung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 WEG grundsätzlich an das aufrechte bücherliche Eigentum geknüpft (RIS-Justiz RS0083100; RS0083106; RS0083185; RS0083224 ua). § 234 ZPO ist im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht anwendbar (vgl RIS-Justiz RS0005786; RS0005764), weshalb ein Wechsel in der Parteistellung vor der Entscheidung in erster Instanz beachtlich ist (RIS-Justiz RS0005764; für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren: 5 Ob 59/11d; Klicka in Fasching/Konecny² III § 234 ZPO Rz 27 mwN).

Bei Eigentumsübergang scheidet der frühere Eigentümer aus dem Verfahren aus und tritt der Erwerber ein (5 Ob 59/11d).

2. Die Antragstellerin ist aufgrund von Veräußerungsvorgängen vor der Entscheidung in erster Instanz nicht mehr Miteigentümerin der Liegenschaft. Zu ihren Gunsten ist aber die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum im Grundbuch angemerkt. Im Revisionsrekursverfahren ist daher allein die Frage strittig, ob die zu ihren Gunsten einverleibte Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG der Antragstellerin die Legitimation für ein Begehren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG iVm § 30 Abs 1 WEG gibt.

3. § 37 Abs 5 WEG 2002 regelt die Anwendung von Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes, insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltung, zugunsten der Wohnungseigentumsbewerber im Stadium vor Wohnungseigentumsbegründung. Diese abschließende (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²² § 37 WEG Rz 18; Pittl, Der Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers: Änderungen durch das WEG 2002, wobl 2002, 149) Regelung enthält folgende voneinander zu unterscheidende Anknüpfungspunkte (vgl 5 Ob 173/08i SZ 2008/17):

a) Sobald zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat, gelten für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG 2002 (Satz 1).

b) Ein Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer ist, hat ab Bezug des wohnungseigentumstauglichen Objekts die Rechte nach § 16 und § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 sowie den Anspruch auf Rechnungslegung gemäß § 34 WEG 2002 (Satz 2).

c) Ein solcher Wohnungseigentumsbewerber [Anm: der noch nicht Miteigentümer ist] hat ab dem Zeitpunkt, zu dem sein späterer Miteigentumsanteil ‑ insbesondere durch ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten ‑ bekannt ist, die Rechte eines Miteigentümers, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat (Satz 3).

Voraussetzung ist in allen Fällen, dass bereits eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist (Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 18; Dirnbacher, WEG 2002, 280; Palten, Wohnungseigentumsrecht³ Rz 335; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 37 WEG Rz 50 f), und zwar nach Satz zwei und drei zugunsten des konkreten Wohnungseigentumsbewerbers.

4. Mit der Bestimmung des § 37 Abs 5 WEG hat sich der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung 5 Ob 173/08i ausführlich auseinandergesetzt und dabei mit Bezug auf Satz 3 dieser Bestimmung festgehalten, dass dieser „die Frage nach den Rechten eines konkreten Wohnungseigentumsbewerbers betrifft, der noch nicht Miteigentümer ist, zu dessen Gunsten aber bereits die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum angemerkt ist. Diesem Wohnungseigentumsbewerber stehen bei bereits bestehender Miteigentumsgemeinschaft die in den §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG 2002 geregelten Rechte nur dann zu, wenn sein späterer Miteigentumsanteil ‑ in der Regel durch das bereits vorliegende Nutzwertgutachten ‑ bekannt ist. Dieses Erfordernis wird damit begründet, dass in der Praxis Regelungen über die Willensbildung nicht angewendet werden könnten, solange die Anteile der Wohnungseigentumsbewerber und damit das Ausmaß ihres Stimmrechts nicht feststehen“.

5. Der erste in § 37 Abs 5 WEG 2002 geregelte Fall stellt inhaltlich eine Fortsetzung des mit der WRN 1999 neu geschaffenen Absatz 4 des § 23 WEG 1975 dar, der bereits die Geltung der §§ 13 bis 20, 22 und 26 WEG 1975 (inhaltlich entsprechend nunmehr §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG 2002) auf die Miteigentumsgemeinschaft angeordnet hatte, sobald eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts im Grundbuch angemerkt war (5 Ob 173/08i; Illedits in Illedits - Lohr , Wohnungseigentum 5 Rz 121). In den Materialien (RV 989 BlgNR 21. GP , 76 ff) zum WEG 2002, BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2002/114, wird dazu ausgeführt:

„Der mit der Wohnrechtsnovelle 1999 beschrittene Weg, die Rechte der Miteigentümer, die Willensbildung, die Verwaltung der Liegenschaft, die Aufteilung der Aufwendungen und Erträgnisse sowie die Ausschließung von Miteigentümern betreffenden Bestimmungen samt dem zugehörigen Verfahrensrecht auf das Vorstadium der Wohnungseigentumsbegründung auszudehnen und damit den Schutz des Wohnungseigentums-bewerbers ‑ weiter ‑ zu verbessern, wird in Abs 5 fortgesetzt und verfeinert. […] Zum anderen werden über die bisherige Rechtslage hinaus unter bestimmten Voraussetzungen auch Rechte für Wohnungseigentumsbewerber vorgesehen, die noch nicht schlichte Miteigentümer sind, und zwar graduell differenziert danach, ob bereits der spätere Miteigentumsanteil des Wohnungseigentumsbewerbers bekannt ist oder nicht. […] Der dritte Satz statuiert zwar ebenfalls 'vorgezogene' Rechte eines angemerkten Wohnungseigentumsbewerbers, setzt aber an gänzlich anderen Voraussetzungen an: Der Bezug des zugesagten Objekts spielt hier keine Rolle; mit einem 'solchen' Wohnungseigen-tumsbewerber ist ein Wohnungseigentumsbewerber gemeint, der noch nicht Miteigentümer, zu dessen Gunsten aber eine Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum angemerkt ist. Zeitlich knüpft der dritte Satz an einen anderen Umstand an als der zweite Satz, nämlich an das Wissen darüber, welcher Miteigentumsanteil dem Wohnungseigentumsbe-werber später zukommen wird. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der spätere Miteigentumsanteil des Wohnungseigentumsbe-werbers ‑ in der Regel wohl durch das bereits vorliegende Nutzwertgutachten ‑ bekannt ist, hat dieser Wohnungseigentumsbewerber die durch das Wohnungseigentumsgesetz vorgesehenen Rechte eines Miteigentümers. Dies gilt aber nur unter der weiteren Voraussetzung, dass zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat.“

6. Gegenüber der früheren Rechtslage (§ 23 Abs 4 WEG 1975) normiert § 37 Abs 5 WEG 2002 erstmals explizit, welche Bestimmungen des WEG ab welchen Zeitpunkten und unter welchen Voraussetzungen auf welche Wohnungseigentumsbewerber anzuwenden sind (5 Ob 30/09m; Pittl aaO). Ob einem konkreten Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer ist, die Regelungen der §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG zugute kommen, hängt danach davon ab, ob sein späterer Miteigentumsanteil ‑ insbesondere durch ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten ‑ prognostizierbar ist, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat. Soweit es sich nicht aus den Sätzen zwei und drei des § 37 Abs 5 WEG ergibt, besteht zwischen den Wohnungseigentumsbewerbern keine gesetzliche Rechtsbeziehung (Palten aaO)

7. In der Literatur wird die Ausübung von Verwaltungsrechten durch Wohnungseigentumsbewerber, die zwar durch eine Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG gesichert sind, sonst aber ‑ mangels Vorliegens eines Nutzwertgutachtens ‑ noch keine Kenntnis über ihre späteren Nutzwertanteile haben, für möglich erachtet. Abstimmungen müssten dann nach den prognostizierten Miteigentumsanteilen erfolgen, wenn diese einvernehmlich nicht festgestellt werden könnten bzw werde, wenn aufgrund der persönlichen Abstimmung der Wohnungseigentumsbewerber nicht ohnehin von einer eindeutigen relativen Mehrheit auszugehen sei, ein vorläufiges Nutzwertgutachten zu erstellen sein (Gartner in Illedits/Reich-Rorwig, Wohnrecht² § 37 WEG Rz 29). Nach Vonkilch (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³, § 37 WEG Rz 54) ließe sich eine beträchtliche Anzahl von Individualrechten (die beispielhaft angeführt werden) ohne weiteres auch angemerkten Wohnungseigentumsbewerbern praktikabel zubilligen, deren späterer Miteigentumsanteil noch nicht ausreichend bestimmt sei. Da dem Gesetzgeber eine unnötig weite Beschränkung des Erwerberschutzes nicht zugesonnen werden könne, sei es in diesen Fällen naheliegend, § 37 Abs 5 Satz 3 WEG um das Erfordernis der Bestimmtheit des späteren Miteigentumsanteils teleologisch zu reduzieren. Dazu beruft er sich darauf, dass derartige Befugnisse bereits von der Rechtsprechung vor der WRN 1999 angenommen worden seien.

8. Dem Verlangen nach einer teleologischen Reduktion ist entgegenzuhalten, dass § 37 Abs 5 WEG 2002 gegenüber der Rechtslage nach § 23 Abs 4 WEG 1975 eine bewusste Klarstellung dahin anstrebte, dass die Geltung der in die Vorgründungsphase „vorgezogenen“ Bestimmungen nicht nur die Anmerkung der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG, sondern zusätzlich auch den Erwerb von Miteigentum durch zumindest einen Wohnungseigentumsbewerber voraussetzt und über die bis dahin bestehende Rechtslage hinaus, ausdrücklich abgestuft danach, ob der Miteigentumsanteil bekannt ist oder nicht, Rechte für die Wohnungseigentumsbewerber vorgesehen wurden, die noch nicht schlichte Miteigentümer sind (vgl RV 989 BlgNR 21. GP , 76). Wollte man dessen ungeachtet im Anwendungsbereich des § 37 Abs 5 Satz 3 WEG vom Erfordernis der Prognostizierbarkeit des Miteigentumsanteils absehen und dem angemerkten Wohnungseigentumsbewerber, dessen Miteigentumsanteil noch nicht eingeschätzt werden kann, (weitgehend) dieselben Rechte einräumen, wie dem angemerkten Bewerber, der bereits schlichter Miteigentümer ist, wäre die vom Gesetzgeber in § 37 Abs 5 WEG angeordnete Differenzierung weitestgehend ausgehöhlt. Dem Wohnungseigentumsbewerber, dessen Anteil noch nicht bekannt ist, kämen dann im Wesentlichen die gleichen Rechte zu wie demjenigen, dessen Miteigentum bereits einverleibt ist. Ähnliches würde auch für den Wohnungseigentumsbewerber gelten, der sonst in den Anwendungsbereich des zweiten Satzes dieser Bestimmung fiele. Diesem kämen dann nicht bloß die Rechte nach §§ 16, 52 Abs 1 Z 2 WEG und § 34 WEG, sondern ‑ sofern bloß ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat ‑ ebenfalls weitestgehend die Rechte nach Satz eins des § 37 Abs 5 WEG zu. Den vom Gesetzgeber angeordneten unterschiedlichen Rechtsfolgen nach den Sätzen zwei und drei des § 37 Abs 5 WEG wäre dann nahezu zur Gänze der Boden entzogen. Zweck der teleologischen Reduktion ist es, der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut zur Durchsetzung zu verhelfen; es ist jedoch nicht zulässig, durch teleologische Reduktion eine gesetzliche Vorschrift (beinahe) zur Gänze ihres Inhalts zu entkleiden (RIS-Justiz RS0008979 [T13]). Genau das wäre hier aber für den Anwendungsbereich der Sätze zwei und drei des § 37 Abs 5 WEG der Fall, wollte man von dem in Satz drei angeordneten Erfordernis der Kenntis des Miteigentumsanteils eines Wohnungseigentumsbewerbers absehen. Die von Vonkilch (aaO Rz 54) vorgeschlagene teleologische Reduktion ist damit nach Ansicht des erkennenden Senats schon aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen.

9.1 Der in § 37 Abs 5 Satz 3 WEG gewählte Anknüpfungspunkt besteht darin, dass der Miteigentumsanteil des angemerkten Wohnungseigentumsbewerbers – zumindest vorläufig ‑ bekannt ist (vgl RV 989 BlgNR 21. GP , 78). Solange das nicht der Fall ist, kann sich der Wohnungseigentumsbewerber nicht auf die nach Satz 1 dieser Bestimmung in das Stadium vor Wohnungseigentumsbegründung vorgezogenen Rechte berufen. Auf die Überlegungen des Rekursgerichts, wonach es bei einer Entscheidung, die die Willensbildung der Miteigentümer ersetzen solle, zwar nicht auf die Anteile für die Ausübung des Stimmrechts ankomme, bei Ausübung des Minderheitsrechts nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG aber auf die Beiträge zur Rücklage abzustellen und hiefür die Kenntnis der Anteilsgröße erforderlich sei, kommt es hier daher nicht an.

9.2 Das Gesetz nennt in § 37 Abs 5 Satz 3 WEG als Möglichkeit, dass der Miteigentumsanteil des bücherlich angemerkten Wohnungseigentumsbewerbers bekannt ist, insbesondere ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten und stellt damit auf § 9 Abs 1 WEG ab. Danach sind die in § 8 WEG definierten Nutzwerte durch das Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder das Immobilienwesen zu ermitteln. Liegt ein Gutachten in diesem Sinne vor, sind die sich daraus für das Objekt des angemerkten Wohnungseigentumsbewerbers ergebenden Miteigentumsanteile als bekannt gemäß § 37 Abs 5 Satz 3 WEG anzusehen. Darauf, ob dieses auch unstrittig ‑ im Sinne einer allseitigen Akzeptanz ‑ ist, wie das Rekursgericht offenbar meint, kommt es nicht an, solange das Gutachten nicht gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstößt (vgl § 9 Abs 2 Z 1 WEG), die aus dem Gutachten erkennbar sind.

9.3 Ob das hier der Fall ist, kann noch nicht abschließend beurteilt werden, da bislang lediglich feststeht, dass zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnerinnen ein Verfahren über die Unterfertigung eines Antrags zur Neufestsetzung der Nutzwerte für die Liegenschaft anhängig ist und diesem Antrag ein im Auftrag der Antragstellerin erstelltes Nutzwertgutachten eines Architekten zugrunde liegt. Allein der Hinweis auf ein Nutzwertgutachten, ohne nähere Feststellungen, die eine Beurteilung erlauben, ob die dagegen allenfalls vorgetragenen Gründe der Antragsgegner einer Festsetzung der Nutzwerte auf Basis dieses Gutachtens entgegenstünden, reicht für eine abschließende Klärung der Frage, ob der Miteigentumsanteil der Antragstellerin bekannt gemäß § 37 Abs 5 Satz 3 WEG ist, noch nicht aus. Im Ergebnis hat es daher bei der vom Rekursgericht beschlossenen Aufhebung des Ersturteils zu bleiben, wobei das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren seine Feststellungen im dargelegten Sinn zu ergänzen haben wird.

10. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hingewiesen, dass der Außerstreitrichter im Verfahren nach § 52 WEG verpflichtet ist, von Amts wegen alle aktuellen Mit- und Wohnungseigentümer beizuziehen, wobei den Käufern des Miteigentumsanteils eines Antragstellers, der sein Antragsrecht verloren hat, die Möglichkeit zu geben ist, den Antrag aufrecht zu erhalten (vgl RIS-Justiz RS0083185; RS0083106). Sollte sich im fortgesetzten Verfahren daher ergeben, dass der Miteigentumsanteil der Antragstellerin nicht im Sinne des § 37 Abs 5 Satz 3 WEG bekannt ist und auch sonst keine ausreichend gesicherte Basis für dessen Beurteilung als bekannt festgestellt werden kann, wird daher das Erstgericht dem Rechtsnachfolger der Antragstellerin hinsichtlich jener Miteigentumsanteile, mit welchen bereits Wohnungseigentum verbunden ist, Gelegenheit zu geben haben, den Antrag an deren Stelle aufrechtzuerhalten.

11. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Voraussetzungen des § 37 Abs 5 Satz 3 WEG aufgrund eines Gutachtens nach § 9 Abs 1 WEG gegeben sind, wird zu prüfen sein, ob danach auch der Miteigentumsanteil der übrigen Wohnungseigentumsbewerber bekannt ist, weil dann auch diesen Parteistellung zukäme. Dafür spricht nach dem derzeitigen Verfahrensstand, dass das in den Feststellungen angesprochene Gutachten unter Berücksichtigung der im Dachgeschoß errichteten Wohnungen erstellt worden ist. Sollte diese Annahme auch im weiteren Verfahren Bestand haben, wären sie einem über den Antrag der Antragstellerinnen fortgesetzten Verfahren daher ebenso beizuziehen wie deren Rechtsnachfolger im Wohnungseigentum. Insoweit kann auf die Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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