European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00019.15Z.0324.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Das Berufungsgericht ist ‑ in Bejahung eines allerdings nicht relevanten Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens ‑ zum Ergebnis gelangt, dass die Beklagte auch mit ihrem (vom Erstgericht nach § 179 ZPO zurückgewiesenen) Schriftsatz vom 14. 8. 2014 zu den eingewendeten Gegenforderungen, die sich auf Provisionsrückforderungen beziehen, kein schlüssiges Vorbringen im Sinn der Vorgaben des § 9 Abs 3 HVertrG erstattet habe. Auf den erwähnten Schriftsatz wurde somit Bedacht genommen.
2.1 Aus der Bezugnahme auf § 9 Abs 3 HVertrG ergibt sich eindeutig, dass das Berufungsgericht davon ausgeht, dass alle von der Beklagten zurückgeforderten Provisionen von der Klägerin bereits verdient waren. Dies wird vom Berufungsgericht auch begründet: Nach dem Vorbringen der Beklagten würden die ‑ nunmehr wieder zurückgeforderten ‑ (Abschluss‑)Provisionen dem Verrechnungskonto des Agenten erst dann gutgeschrieben, wenn tatsächlich ein Vertrag zwischen dem Kunden und der Produktgesellschaft zustande gekommen sei und die Beklagte die Provision von der Produktgesellschaft erhalten habe. Die Beklagte habe zudem vorgebracht, dass sie bei erfolgreicher Vermittlung nach Zahlung der ersten Prämie durch den Kunden von ihrem jeweiligen Produktpartner eine (die gesamte) Provision gutgeschrieben erhalte. Auch aus der Ermittlung der Rückbuchungsquote bzw Stornoquote durch die Beklagte ergebe sich, dass die Produktgesellschaft der Beklagten nicht eine Provision aus der jeweiligen (Prämien‑)Zahlung des Kunden zeitlich anteilsmäßig, sondern die gesamte Provision aus dem Geschäftsfall (nach der ersten Prämienzahlung des Kunden) überwiesen habe.
2.2 Im gegebenen Zusammenhang führt das Berufungsgericht ‑ zur Frage der Teilnichtigkeit bzw geltungserhaltenden Reduktion der gegen § 9 Abs 2 HVertrG verstoßenden Regelung in Pkt I.2 der Vergütungsordnung vom 7. 9. 2005 und in Ablehnung der Ansicht der Beklagten, in einem solchen Fall sei die entstandene Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen zu schließen ‑ aus, dass die Bindung des Entstehens des Provisionsanspruchs an den Ablauf der Stornohaftungszeit laut Vergütungsordnung rechtsunwirksam sei, während die Bestimmung, wonach das Entstehen des Provisionsanspruchs nur die Rechtswirksamkeit des (vermittelten) Geschäfts und die Zahlung der Provision dafür an die Beklagte durch die Produktgesellschaft vorsehe, nach dem Günstigkeitsprinzip von der Nichtigkeitssanktion nicht betroffen sei.
Diese Schlussfolgerung des Berufungsgerichts ist mit der Maßgabe zutreffend, dass es für das Entstehen des Provisionanspruchs auf die Zahlung der Provision an die Beklagte dann nicht ankommt, wenn die Prämienzahlung des Kunden an die Produktgesellschaft zeitlich früher erfolgt.
2.3 Den oben dargestellten Ausführungen des Berufungsgerichts tritt die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision nicht mit nachvollziehbaren Argumenten entgegen. Vielmehr lässt sich ihren Ausführungen nur die allgemeine, nicht näher dargelegte Behauptung entnehmen, dass sie zwischen den Rückforderungsfällen, die sich auf Vorschüsse einerseits und auf verdiente Provisionen andererseits beziehen, ausreichend unterschieden und die Rückforderungsfälle diesen beiden Gruppen konkret zugeordnet habe. Der Hinweis der Beklagten, dass „grundsätzlich sämtliche gegenständlichen Verträge der ratierlichen Prämienzahlung durch den Kunden unterliegen“, vermag die Begründung des Berufungsgerichts nicht zu entkräften.
3.1 Damit verbleibt die Frage, ob die Beklagte für die Rückforderung bereits verdienter bzw entstandener Provisionen nach den einseitig zwingenden Vorgaben des § 9 Abs 3 bzw des § 26b Abs 2 letzter Satz HVertrG ein ausreichendes und schlüssiges Vorbringen erstattet hat.
Die Anforderungen an die Behauptungs‑ und Beweislast nach § 9 Abs 3 und § 26b HVertrG sind in der Rechtsprechung geklärt. In der Entscheidung 8 ObA 20/14w hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Unternehmer nachweisen muss, dass die Gründe für die (gänzliche oder teilweise) Stornierung oder die Vertragsänderung (Prämienherabsetzung oder Prämienaussetzung) nach objektiven Gesichtspunkten nicht in seine Sphäre fallen. Ist ‑ so wie hier ‑ zwischen Produktgesellschaft und Handelsvertreter ein Hauptvertreter eingeschaltet, so trifft die Behauptungs‑ und Beweislast den Hauptvertreter (hier die Beklagte). In einem solchen Fall ist die Sphäre des Hauptvertreters jener der Produktgesellschaft gleichgestellt.
Im Anlassfall hätte die Beklagte demnach zu jedem einzelnen Rückforderungsfall konkret darzulegen, aus welchem konkreten Grund der jeweilige vermittelte Vertrag von wem storniert (aufgelöst) oder geändert wurde, weiters dass die Gründe für die Stornierung oder Vertragsänderung nicht ihrer Sphäre oder der Sphäre der Produktgesellschaft zuzuordnen sind, also der Grund nicht von der Produktgesellschaft ausgegangen und diese die Stornierung oder Vertragsänderung nicht durch ihr Verhalten veranlasst hat, bzw dass der Grund von der Produktgesellschaft sonst nicht zu vertreten ist. Für den Fall des Zahlungsverzugs des Kunden müsste konkret dargelegt werden, dass die Produktgesellschaft alle zumutbaren Schritte unternommen hat, um den Kunden zur Leistung zu veranlassen.
Die Beklagte unterscheidet in dieser Hinsicht (zutreffend) nicht zwischen Provisionen aus vermittelten Versicherungsverträgen und sonstigen Rechtsgeschäften. In der Entscheidung 8 ObA 20/14w wurde dazu klargestellt, dass das Abstellen auf gerechtfertigte Gründe in § 26b Abs 2 HVertrG einer Sphärenzuordnung entspricht und insofern mit der Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG vergleichbar ist. Gerechtfertigte Gründe nach § 26b Abs 2 HVertrG sind also solche, die außerhalb der Sphäre des Versicherers gelegen oder die vom Versicherer sonst nicht zu vertreten sind.
3.2 Das Berufungsgericht ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist bei einer Kündigung eines Vertrags durch den Kunden (auch „auf Wunsch eines Kunden“) nicht zu vermuten, dass die Umstände dafür nicht in der Sphäre des Unternehmers liegen. Vielmehr müsste der Unternehmer einen konkreten Sachverhalt behaupten, aus dem sich diese Konsequenz schlüssig ableiten lässt. Dies gilt gleichermaßen für die Fälle einer „Ablaufkündigung“. Auch die Behauptung, eine Prämienfreistellung oder eine Prämienreduktion liege objektiv nicht in der Sphäre der Beklagten oder der Produktgesellschaft, begründet keine Vermutung und enthebt die Beklagte nicht von ihrer Behauptungslast. Die allgemeine Behauptung, dass die Produktgesellschaft jeweils alle zumutbaren Schritte zur Einbringung der Prämien unternommen habe, genügt ebenfalls nicht, um nachvollziehbar darzulegen, dass die Produktgesellschaft ihrer Rettungspflicht entsprochen hat.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte auch in ihrem Vorbringen laut Schriftsatz vom 14. 8. 2014 auf die Vorgaben nach § 9 Abs 3 HVertrG nicht ausreichend Bedacht genommen und ihr Vorbringen zur Darlegung der geltend gemachten Rückforderungsansprüche in Bezug auf die bereits verdienten Provisionen unschlüssig gebliebenen sei, erweist sich damit insgesamt als nicht korrekturbedürftig.
4. Da es der Beklagten nicht gelungen ist, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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