European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00217.14D.0318.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 838,44 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 139,74 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die ordentliche Revision des Klägers ist ‑ entgegen dem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) nachträglichen Zulässigkeitsausspruch ‑ nicht zulässig , weil die gestellte erhebliche Rechtsfrage bereits von der Judikatur beantwortet wurde. Die Begründung dafür kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Mit seiner am 7. Dezember 2009 erhobenen Klage machte der Kläger als Oppositionsgrund die Verwirkung während aufrechter Ehe entstandener Unterhaltsansprüche (für Oktober 1998 bis Dezember 2000, tituliert mit Teilurteil vom 30. November 2008 im Ausmaß von 11.941,16 EUR, das die Beklagte ua durch Zwangsversteigerung und Fahrnisexekution betrieb) wegen eines nach der Scheidung der Ehe (aus seinem überwiegenden Verschulden mit Urteil vom 31. August 2006, rechtskräftig seit 26. Juni 2007) gesetzten Verhaltens der Beklagten geltend: Im Kern wird dies damit begründet, die Beklagte habe seit 1. August 2008 den gemeinsamen, am 30. März 1994 geborenen Sohn der Streitteile so unter ihre Kontrolle gebracht, dass dieser nach Ende des Ferienbesuchsrechts nicht mehr zum allein obsorgeberechtigten Kläger zurückgekehrt sei, jeglichen Kontakt mit diesem unterlassen habe und für den ihn nicht erreichbar sei; seither werde die Ausübung der Erziehungsrechte des Klägers vollständig vereitelt. Die Beklagte habe dadurch die strafrechtlichen Tatbestände nach § 106 Abs 1 Z 3 StGB und nach § 195 Abs 1 StGB verwirklicht. Diese Vorwürfe hielt der Kläger bis zuletzt (Schluss der Verhandlung erster Instanz: 5. Dezember 2013) ausdrücklich aufrecht; der Sohn der Streitteile vollendete am 30. März 2012 sein 18. Lebensjahr.
Der Kläger vertritt in der Revision ‑ im Gegensatz zur Beurteilung des Berufungsgerichts ‑ die Auffassung, bei Vorliegen eines Verwirkungstatbestands könne es auch zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen eines ehemaligen Ehegatten für in der Vergangenheit liegende Zeiträume kommen, vor allem wenn diese noch nicht erfüllt seien. Daher sei der behauptete Sachverhalt geeignet, ab dem 13. Oktober 2011 (das ist jener Zeitpunkt, bis zu dem im Unterhaltsprozess über die vom Kläger gestellten Zwischenanträge auf Feststellung der Verwirkung rechtskräftig und damit bindend abweisend entschieden wurde) entweder für sich allein oder zusammen mit anderen Gründen zur Verwirkung des betriebenen Unterhaltsrückstands zu führen.
Rechtliche Beurteilung
2. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings schon mehrfach ausgesprochen, dass die Konsequenz einer Unterhaltsverwirkung darin besteht, dass ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterhalts gegeben sind, ein Unterhaltsanspruch für die Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden kann (2 Ob 58/13p [zu § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB]; 6 Ob 549/84, 1 Ob 303/00m, 2 Ob 219/11m, 1 Ob 253/12f [je zu § 74 EheG]). Die Verwirkung bezieht sich daher grundsätzlich nur auf die Zukunft, nicht aber auf Rückstände aus der Zeit vor der Verwirkung ( Zankl/Mondel in Schwimann/Kodek ABGB 4 I § 74 EheG Rz 19; Schwimann in Schwimann ABGB TaKom² § 74 EheG Rz 1; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth EuPR § 74 EheG Rz 15).
3. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass davon abzugehen.
3.1. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass nach der Begründung der Entscheidung 2 Ob 578/95 die böswillige Verweigerung des Besuchsrechts zu den beiden gemeinsamen Kindern durch die Unterhaltsberechtigte seit Juli 1993 zum Anlass genommen wurde, die Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs ab 1. Oktober 1992 anzunehmen, also auch für einige Monate vor Eintritt des Verwirkungstatbestands. Allerdings finden sich in der Begründung dazu keine näheren Ausführungen, obwohl dort ‑ im Sinn der oben angesprochenen Judikatur ‑ festgehalten wird, die Interessen des Unterhaltspflichtigen seien so nachhaltig verletzt worden, dass ihm nicht zugemutet werden könne, in Zukunft eine Unterhaltslast für die Klägerin zu tragen. Abgesehen davon, dass die abweichende Beurteilung im Hinblick auf die dargestellte jüngere Rechtsprechung als überholt anzusehen ist, unterscheidet sich die damalige Tatsachengrundlage ganz wesentlich von den hier zu beurteilenden, weshalb diese Entscheidung auch nicht einschlägig ist. Während nämlich dort ein unmittelbar vor Eintritt des Verwirkungstatbestands liegender Zeitraum betroffen war, liegt hier zwischen der Fälligkeit der rückständigen Unterhaltsbeiträge (Oktober 1998 bis Dezember 2000) und dem ‑ auch vom Kläger in der Revision als frühest möglichen Zeitpunkt der Verwirkung angenommenen ‑ 13. Oktober 2011 nicht nur die Scheidung der Ehe, sondern auch ein Zeitraum von 11 bis 13 Jahren (der selbst im August 2008 schon 8 bis 10 Jahre betrug).
3.2. Dieser lange Zeitraum, auf den auch das Berufungsgericht verwies, kann hier nicht unberücksichtigt bleiben, weil bei der Beurteilung eines Verwirkungstatbestands auch auf das Verhalten des Unterhaltspflichtigen, hier also des Klägers Bedacht zu nehmen ist ( Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth EuPR § 74 EheG Rz 13 mwN und § 94 ABGB Rz 319 mwN). Die Verletzung seiner Unterhaltspflicht in der Vergangenheit fällt aber umso schwerer ins Gewicht, je länger er säumig blieb und je höher ein Rückstand eintrat. Im Rahmen der gebotenen Beurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0047080) kann jedenfalls beim hier gegebenen Verzug des Klägers mit dem Ehegattenunterhalt über insgesamt 27 Monate mit einem Gesamtbetrag von mehr als 11.000 EUR für mehr als 10 Jahre die Durchsetzung dieses Unterhaltsrückstands trotz der behaupteten Verfehlungen des unterhaltsberechtigten Beklagten keinesfalls als grob unbillig angesehen werden, weshalb keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegt.
3.3. Damit sind die weiteren Argumente der Revision rechtlich irrelevant. Ob eine Rückwirkung in den vom Kläger in der Revision angeführten, hier jedoch nicht vorliegenden Extremfällen denkbar wäre, ist als rein theoretische Rechtsfrage nicht zu beantworteten.
4. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und hat daher gemäß §§ 41 und 50 ZPO Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung.
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