OGH 3Ob181/14k

OGH3Ob181/14k18.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Bernhard Astner, Rechtsanwalt, Graz, Schlögelgasse 1, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der D***** GmbH *****, vertreten durch hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S***** Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller & Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen 138.721,29 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 1. August 2014, GZ 2 R 117/14i‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Mai 2014, GZ 15 Cg 52/13i‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass sie zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 115.863,98 EUR samt 4 % Zinsen seit 7. August 2013 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei 22.857,31 EUR samt 4 % Zinsen seit 7. August 2013 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die folgenden Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar

für das Verfahren erster Instanz 6.081,97 EUR (darin enthalten 647,77 EUR an USt und 2.195,35 EUR an Barauslagen),

für das Berufungsverfahren 5.444,30 EUR (darin enthalten 341,88 EUR an USt und 3.393,04 EUR an Barauslagen) und

für das Revisionsverfahren 6.000,63 EUR (darin enthalten 246,19 EUR an USt und 4.523,50 EUR an Barauslagen).

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 7. August 2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die Schuldnerin, deren Unternehmensgegenstand im Wesentlichen in der Ausübung des Baumeister‑ sowie des Zimmereigewerbes bestand, war Beitragsschuldnerin der Beklagten. Ihre Beitragszahlungen beliefen sich durchschnittlich auf etwa 40.000 EUR monatlich; in Monaten mit Sonderzahlungen fielen höhere Beträge an, so im November 2011 85.412,03 EUR.

Der Beitragsrückstand der Schuldnerin zum Jahresende 2011 betrug 80.209,08 EUR.

Am 3. Jänner 2012 leistete die Schuldnerin eine Pauschalzahlung von 70.000 EUR, die den Debetsaldo auf 10.574,68 EUR reduzierte. Mit 16. Jänner 2012 wurden der Beitrag für Dezember 2011 von 46.190,24 EUR und eine Nachverrechnung für November 2011 von 5.988,11 EUR fällig, sodass der offene Saldo (abzüglich einer Rückverrechnung von 750,97 EUR) zunächst 62.002,06 EUR betrug. Am 27. Jänner 2012, als der Debetsaldo nach Zahlungen der BUAK 49.789,77 EUR ausmachte, richtete die Schuldnerin ein Schreiben an die Beklagte:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Durch eine unerwartete Zahlungsverzögerung (kein Ausfall) unserer Ausgangsrechnungen sind wir unsere Abgaben per 15. 1. 2012 säumig. [...] Wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir uns ehestmöglich bemühen, unserer offene Schuld nachzukommen, falls es möglich ist würden wir auch um Ratenzahlung bitten. […] Wir bedauern diesen Umstand sehr, da wir ein seriöses Unternehmen mit guter Auftragslage sind, die Saison beginnt für uns jedoch erst wieder im März, ab da sollten alle Zahlungen wieder lt. Plan funktionieren [...] .

Mitte Februar wurde der Beitrag für Jänner 2012 von 23.211,30 EUR fällig, weshalb sich der Debetsaldo auf 73.159,61 EUR erhöhte.

Am 1. März 2012, als der Debetsaldo am Beitragskonto der Schuldnerin 72.697,13 EUR betrug, fand ein Gespräch zwischen der Schuldnerin und einer Referentin der Beklagten statt. Diese ging damals aufgrund der bisherigen Entwicklung des Beitragskontos und mangels Aufscheinens der Schuldnerin auf der Exekutionsvorschlagsliste (dies tritt ein, wenn nach Fälligkeit und nach folgender einmaliger Mahnung keine Zahlung erfolgt) davon aus, dass es sich bei dieser um eine „unauffällige“ Beitragsschuldnerin handelt. Damals wurde vereinbart, dass der Beitrag für Dezember 2011 (neben den laufenden Beitragszahlungen) bis 15. Juli 2012 in etwa gleich großen monatlichen Teilzahlungen beglichen wird. Im Falle dieser Zahlungen wurde der Schuldnerin ein Aufschub gerichtlicher Betreibungsmaßnahmen (sogenannter „befristeter Exekutionsstopp“) für diesen Beitragsmonat gewährt. Diese Vereinbarung erforderte monatlich eine händische Zuordnung der Zahlungen der Schuldnerin durch die Referentin. Irgendwelche Nachforschungen über die wirtschaftliche Situation der Gemeinschuldnerin veranlasste die Referentin der Beklagten (aufgrund ihrer Einschätzung der Schuldnerin) damals nicht.

Nach der Beitragsvorschreibung für Februar 2012 in der Höhe von 32.148,26 EUR erreichte der Debetsaldo 106.408,89 EUR zum 15. März 2012. Am 19. März 2012 bezahlte die Schuldnerin 27.280,81 EUR, am 21. März 2012 12.857,31 EUR und am 22. März 2012 10.000 EUR. Zum 1. April 2014 machte der Saldo 47.517,66 EUR aus.

Am 12. April 2012 bezahlte die Schuldnerin 11.500 EUR; nachdem der Beitrag für März 2012 am 16. April 2012 mit 36.094,59 EUR fällig geworden war, betrug (auch) zum 1. Mai 2012 der Debetsaldo 69.166,09 EUR.

Am 2. Mai 2012 leistete die Schuldnerin weitere 34.412,89 EUR, sodass sich der Saldo auf 35.161,32 EUR reduzierte. Am 15. Mai 2012 trat die Fälligkeit des Beitrags für April 2012 von 41.143,05 EUR ein, was zur Erhöhung des Debetsaldos auf 70.697,02 EUR führte. Am 29. Mai 2012 bezahlte die Gemeinschuldnerin 35.603,24 EUR, sodass sich der Debetsaldo zum 1. Juni 2012 auf 35.093,78 EUR belief.

Der Beitrag für Mai 2012 wurde am 15. Juni 2012 mit 44.244,89 EUR fällig und führte zu einem Debetsaldo von 79.421,79 EUR. Am 22. Juni 2012 erfolgte die letzte Zahlung der Schuldnerin von 34.347,85 EUR, was einen Debetsaldo von 45.073,94 EUR ‑ auch für den 1. Juli 2012 ‑ ergab.

Am 22. Juni 2012 richtete die Gemeinschuldnerin folgendes E-Mail an die Beklagte:

Sehr geehrte [Referentin]! Bezüglich unseres Aussenstandes wollte ich um Ratenzahlung bitten und danke im Voraus für Ihr großzügiges Verständnis! Bitte geben Sie mir Bescheid!"

Zum 1. Juli 2012 wies das Beitragskonto der Schuldnerin einen Stand von minus 45.073,94 EUR auf, der sich zum 16. Juli 2012 auf minus 85.643,23 EUR erhöhte.

Die Schuldnerin war (bereits) ab 21. März 2012 zahlungsunfähig iSd § 66 IO.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagten ein gegen die Schuldnerin geführtes Exekutionsverfahren der BUAK bekannt war.

Die eben dargelegten letzten sechs Zahlungen (von 12.857,31 EUR, 10.000 EUR, 11.500 EUR, 34.412,89 EUR, 35.603,24 EUR und 34.347,85 EUR) leistete die Schuldnerin - entsprechend einem Rat ihres Steuerberaters ‑ jeweils mit der Widmung, zunächst eine Buchung auf Dienstnehmeranteile und erst danach auf Dienstgeberanteile vorzunehmen.

Der Kläger macht mit seiner Klage die Deckungsanfechtung gemäß § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall IO für die von der Schuldnerin am 21. und 22. März 2012, 12. April 2012, 2. und 29. Mai 2012 sowie 22. Juni 2012 geleisteten Zahlungen an die Beklagte von insgesamt 138.721,29 EUR geltend und begehrt die Zahlung dieses Betrags sA. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der Erlangung der Zahlungen (zumindest) in fahrlässiger Unkenntnis über die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewesen. Es hätten ua folgende Insolvenzindikatoren vorgelegen: das Bestehen längst fälliger Rückstände für November und Dezember 2011, die im Schreiben der Schuldnerin vom 27. Jänner 2012 enthaltene Bekanntgabe weder definierter noch bescheinigter Zahlungsverzögerung verbunden mit dem Ersuchen um Ratenzahlung und der Aussage, dass vor März 2012 keine Zahlungen zu erwarten seien, das Ersuchen um Stundung/Ratenzahlung vom 1. März 2012 für sechs Monate ab Fälligkeit, dem für unangemessen lange Dauer stattgegeben worden sei, keine ordnungsgemäße Bedienung der laufenden Beitragsschulden ab Jänner 2012, die Widmungen der Teilzahlungen vorrangig für Dienstnehmerbeiträge und die „Insolvenzvorgeschichte“ der beiden Geschäftsführer der Schuldnerin.

Die Beklagte bestritt und wendete im Wesentlichen ein, ihr seien keine Insolvenzindizien (insbesondere Exekutionen gegen die Schuldnerin) bekannt gewesen. Widmungswünsche von Beitragsschuldnern auf Dienstnehmeranteile seien kein Insolvenzindikator. Ein Zahlungsaufschub sei lediglich für den Beitrag Dezember 2011 gewährt worden; dieses Ersuchen sei im Hinblick darauf, dass Bauunternehmen in den Wintermonaten regelmäßig von Liquiditätsengpässen betroffen seien, nicht verdächtig gewesen. Die vereinbarten Teilzahlungen seien fristgerecht geleistet worden. Dem Schreiben vom 27. Jänner 2012 habe aufgrund der damals unverdächtigen Situation keine besondere Bedeutung beigemessen werden müssen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen aus, die aus dem seinem Inhalt nach unstrittigen Kontoauszug der Beklagten (Beilage ./F) geringfügig ergänzt (RIS‑Justiz RS0040083; RS0121557 [T3]) und insoweit unterstrichen wurden und verneinte das Vorliegen von Insolvenzindikatoren. Der Wortlaut des Schreibens der Schuldnerin an die Beklagte vom 27. Jänner 2012 sei „unverdächtig“; da in der Baubranche im Winter generell mit Liquiditätsengpässen zu rechnen sei und der damalige Debetsaldo nur etwas mehr als eine durchschnittliche monatliche Beitragsleistung) betragen habe, lege auch die „Situation“ nicht den Verdacht einer schon bestehenden Zahlungsunfähigkeit nahe. Der Ratenvereinbarung vom 1. März 2012 sei die Schuldnerin mit den Zahlungen im März, im April und Anfang Mai im Wesentlichen nachgekommen. Sie habe Ende Mai und im Juni 2012 zwar etwas weniger als ihre laufenden Monatsbeiträge, nicht jedoch Raten bezahlt, dennoch habe der Rückstand wieder nur etwa einen Monatsbeitrag betragen. Die Widmung der Zahlungen auf Dienstnehmeranteile decke sich im Ergebnis mit der von § 1416 ABGB angeordneten Rechtsfolge.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen für nicht zulässig. Es verwarf die Beweisrüge und schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an (§ 500a ZPO). Die Schuldnerin, die von sich aus den Kontakt zur Beklagten gesucht habe, habe jeweils innerhalb weniger Wochen ihren Beitragsrückstand bei der Beklagten auf ein Ausmaß reduzieren können, das nur unwesentlich über den durchschnittlich monatlich anfallenden Beiträgen gelegen sei, ohne dass es exekutiver Eintreibungsmaßnahmen der Beklagten bedurft habe. Dass die Schuldnerin auf Anraten ihres Steuerberaters ihre Beitragszahlungen zunächst auf Dienstnehmeranteile und erst danach auf Dienstgeberanteile gewidmet habe, um eine zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung ihrer Organe zu vermeiden, sei angesichts der jeweils verbleibenden geringen Beitragsrückstände nicht ausreichend, um eine Nachforschungspflicht, ob die Schuldnerin insolvent sei, auszulösen. Gerade in der Baubranche mit ihren notorischen Umsatzrückgängen in der kalten Jahreszeit seien die relativ geringen Rückstände der Schuldnerin, die durch relativ regelmäßige Zahlungen den Eindruck erweckt habe, um Einhaltung der Ratenvereinbarung bemüht zu sein, kein ausreichender Insolvenzindikator.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagestattgebung; hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung an die 2. oder 1. Instanz begehrt. Erhebliche Rechtsfragen erblickt der Kläger in der anfechtungsrechtlichen Bewertung der Widmung von Teilzahlungen auf Dienstnehmeranteile und von Ratenansuchen für drei Monate weit übersteigende Fristen.

Inhaltlich macht der Kläger im Wesentlichen geltend, aus der Widmung von Zahlungen durch Organe einer Kapitalgesellschaft auf Dienstnehmeranteile zur Vermeidung persönlicher zivilrechtlicher Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG und von Strafverfolgung nach § 153c StGB sei zu erschließen, dass die Organe um die Zahlungsunfähigkeit der Kapitalgesellschaft wüssten und es zumindestens für ernsthaft möglich hielten, die Kapitalgesellschaft werde auch in Zukunft nicht in der Lage sein, diese Verbindlichkeiten zu bezahlen. Das stelle einen ganz wesentlichen Insolvenzindikator dar. Der Verweis auf die gesetzliche Widmungsregelung des § 1416 ABGB verfange nicht, weil dementsprechend die für den Zahlungspflichtigen, also die Kapitalgesellschaft, beschwerlichste Schuld bedeutend und die Sphäre von Organen daher nicht einzubeziehen sei. Wegen der Widmung komme § 1416 ABGB aber ohnehin nicht zur Anwendung.

Nachdem die Schuldnerin bereits am 27. Jänner 2012 gegenüber der Beklagten zugestanden habe, bis März 2012 zu keinen Zahlungen in der Lage zu sein, sei der Schuldnerin über deren Ersuchen mit der Ratenvereinbarung vom 1. März 2012 eine Zahlungsfrist von jedenfalls sechs Monaten eingeräumt worden. Damit sei die Beklagte in Kenntnis davon gewesen, dass die Schuldnerin erst nach insgesamt sechs bis sieben Monaten in der Lage sein werde, im Dezember 2011 und Jänner 2012 fällige Beitragsrückstände zur Gänze zu bedienen, also erst lange nach der maximalen Frist von drei Monaten. Das stelle einen deutlichen Hinweis auf materielle Insolvenz der Schuldnerin dar.

Außerdem rügt der Kläger sekundäre Feststellungsmängel zu den geleisteten Zahlungen, deren Zuordnung und Widmung und zum Vorgehen der Beklagten.

Die Schuldnerin habe entgegen der Vereinbarung weder die laufenden Beiträge noch die Raten vollständig und fristgerecht bezahlt. Obwohl der Beklagten die Insolvenzvorgeschichte der beiden Geschäftsführer der Schuldnerin ‑ aus der Insolvenzdatei ‑ bekannt gewesen sei, habe sie Nachforschungen (durch Erkundigungen bei der Geschäftsführung der Schuldnerin) über die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin unterlassen.

Die Beklagte erachtet in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision wegen der hier notwendigen Einzelfallbeurteilung für unzulässig und tritt ihr auch inhaltlich entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Verneinung jeder Nachforschungspflicht der Beklagten trotz bestehender Insolvenzindikatoren eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen darstellt. Sie ist teilweise auch berechtigt.

1. Der vom Kläger ausschließlich geltend gemachte Anfechtungstatbestand nach §

31 Abs 1 Z 2

IO

stellt als

Anfechtungsvoraussetzung auf die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ab (vgl 3 Ob 33/12t).

Er dient dem Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger (par conditio creditorum): Der Anfechtungserfolg soll die Konkursmasse so stellen, als ob der Konkurs schon bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (der relevanten Überschuldung) eröffnet worden wäre. Dementsprechend soll ein Gläubiger jene Zahlung (oder Sicherstellung), die er von seinem Schuldner nach Eintritt der Insolvenzvoraussetzungen (aber noch vor Einleitung des gesetzlichen Verfahrens, das die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherstellen soll) erlangt hat, wieder in den der Befriedigung aller Gläubiger dienenden Fonds (die Konkursmasse) der Schuldnerin zurückstellen (RIS‑Justiz RS0064417 [T2]).

2. Die materielle Insolvenz der Schuldnerin ab dem Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung vom 21. März 2012 ist unstrittig. Daher ist der Vorwurf des Klägers, der Beklagten falle fahrlässige Unkenntnis davon zur Last, zu prüfen.

3.

Der im § 31 Abs 1 Z 2 KO normierte Tatbestand des Kennenmüssens ist dann erfüllt, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht; es genügt leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners (RIS‑Justiz RS0064672; RS0064379). Die Frage, ob dem Anfechtungsgegner fahrlässige Unkenntnis zur Last fällt, ist nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, dem Maß ihrer ihm vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung zu beantworten (RIS‑Justiz RS0064794). Die Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise müssen Anlass sein, mit zumutbaren Mitteln Erkundigungen einzuziehen (RIS‑Justiz RS0064794 [T2]).

An die Sorgfaltspflicht bestimmter Großgläubiger, zu denen grundsätzlich auch die Krankenversicherungsträger gehören, ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil sie über entsprechende Ressourcen zur Bonitätsüberwachung ihrer Schuldner verfügen (RIS‑Justiz RS0064682 [T12]). Sie sind nach der Rechtsprechung ua zu Nachforschungen verpflichtet, wenn getroffene Ratenvereinbarungen nicht mehr eingehalten werden (8 Ob 37/00z; 10 Ob 90/04i; 4 Ob 93/06i).

Liegen Insolvenzindikatoren vor, darf sich der Anfechtungsgegner nicht mit der Behauptung des Schuldners über eine bloße Zahlungsstockung zufrieden geben, sondern muss diese überprüfen. Als jedenfalls zumutbares Auskunftsmittel ist der Schuldner anzusehen, der zu seinen Behauptungen über eine bloße Zahlungsstockung, die offenen Kundenforderungen und die vorhandenen liquiden Mittel, die Liquiditätsplanung und insbesondere über den Stand der fälligen Schulden sowie auch zur Vorlage von Urkunden (Liquiditätsbilanz; offene Postenlisten; allenfalls letzte Bilanz) aufgefordert werden kann (3 Ob 99/10w SZ 2011/2).

4. Dem Kläger ist einzuräumen, dass die Schuldnerin mit ihrem Schreiben vom 27. Jänner 2012 zugestanden hat, erst wieder im März 2012 zu weiteren Zahlungen in der Lage zu sein. Damals lag ein Debetsaldo am Beitragskonto bei der Beklagten von 49.789,77 EUR vor, der zum ganz überwiegenden Teil aus dem erst am 16. Jänner 2012 fällig gewordenen Beitrag für Dezember 2011 von 46.190,24 EUR resultierte. Es stellt daher dieses Schreiben die Bekanntgabe einer Zahlungsstockung bis März 2012, im Wesentlichen also für etwa zwei Monate, dar, die zwar nicht bescheinigt wurde, aber ‑ mit den Vorinstanzen ‑ schon wegen ihrer nicht unplausiblen Begründung (verzögerte Eingänge) in Verbindung mit der bisherigen Unauffälligkeit der Schuldnerin gegenüber der Beklagten (keine Exekutionsmaßnahmen bis dahin; Kenntnis von einer anderen Exekution nicht erwiesen) als unverdächtig qualifiziert werden konnte. Abgesehen davon bestand damals ‑ nach dem dazu unstrittigen Sachverhalt ‑ noch gar keine materielle Insolvenz. Dennoch darf diese Erklärung der Schuldnerin im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben.

5. Einen weiteren Insolvenzindikator erblickt der Kläger in der Ratenvereinbarung vom 1. März 2012. Damals lag ein Debetsaldo am Beitragskonto der Schuldnerin von 72.697,13 EUR vor, in dem der Rückstand für Dezember 2011 von 46.190,24 EUR (fällig seit 16. Jänner 2012) enthalten war, sodass sich ein Rest von 26.506,89 EUR errechnete. Dieser Rest umfasst zum überwiegenden Teil den erst knapp davor (am 15. Februar 2012) fällig gewordenen Beitrag für Jänner 2012 von 23.211,30 EUR, weshalb die verbleibenden 3.295,59 EUR offensichtlich auf die Nachverrechnung für November 2011 (fällig seit 16. Jänner 2012) entfielen.

5.1. Inhaltlich betrifft die Ratenvereinbarung ausdrücklich nur den Beitrag für Dezember 2011 (also 46.190,24 EUR), der in betraglich nicht fixierten, in „etwa gleich großen“ monatlichen Raten bis 15. Juli 2012 bezahlt werden sollte, und zwar neben den laufenden Beitragszahlungen, worunter offensichtlich auch der damals schon fällige Betrag von 26.506,89 EUR verstanden wurde.

Die Schuldnerin hat damit Folgendes zugesagt:

‑ Zahlung von 46.190,24 EUR in fünf Monatsraten in der Größenordnung von 9.200 EUR mehr oder weniger, deren Fälligkeit mangels näherer Festlegung im Zweifel mit dem jeweiligen Monatsletzten (ausgenommen für die letzte Rate) anzunehmen ist,

‑ umgehende Abdeckung, also noch im März 2012, des weiteren fälligen Rückstands von 26.506,89 EUR und

‑ pünktliche Leistung der künftig (ab Mitte März 2012) fällig werdenden Beiträge.

Bis zum 31. März 2012 hätte die Schuldnerin daher sowohl die 1. Rate für den Beitrag Dezember 2011 von etwa 9.200 EUR als auch die bis dahin fällig gewordene Beitragsschuld (abzüglich des Rests für Dezember 2011) bezahlen müssen. Mit anderen Worten hätte zum 1. April 2012 nur der um die geleistete Rate verminderte Beitrag für Dezember 2011 offen sein dürfen. Diese Zusagen enthielten zwar ohnehin gesetzlich Geschuldetes, ihre Bedeutung im konkreten Zusammenhang liegt aber vor allem in der Bekräftigung der Schuldnerin, künftig ihren gesetzlichen Verpflichtungen rechtzeitig nachkommen zu können.

Die Gegenleistung der Beklagten war die Zusage eines ‑ an die Einhaltung der Zusagen der Schuldnerin geknüpften ‑ vorläufigen Exekutionsverzichts zum Beitrag für Dezember 2011.

5.2. Der Kläger beruft sich auf 3 Ob 99/10w, wo zur Unterscheidung zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung ausgeführt wurde, dass der

Nachweis der Zahlungsstockung nur gelingt, wenn eine ex ante-Prüfung ergibt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestand, der Schuldner werde in einer kurzen, für die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel erforderlichen Frist, die im Durchschnittsfall drei Monate nicht übersteigen darf, in der Lage sein, alle seine Schulden pünktlich zu zahlen. Er leitet daraus ab, dass das im Ratenzahlungsansuchen dargelegte Zugeständnis, eine vollständige Bedienung von fälligen Verbindlichkeiten sei erst weit nach Ablauf der Dreimonatsfrist möglich, einen deutlichen Hinweis auf die materielle Insolvenz der Schuldnerin darstelle.

Diese Schlussfolgerung übersieht, dass es bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nur auf die fälligen Forderungen ankommt, weshalb vereinbarte Stundungen zu beachten sind (3 Ob 99/10w mwN). Zwar handelt es sich bei der hier zu beurteilenden Ratenvereinbarung nicht um eine die Fälligkeit ändernde Stundung, sondern nur um einen bedingten Exekutionsverzicht; wirtschaftlich war die von der Beklagten der Schuldnerin gewährte Zahlungserleichterung damit aber gleichwertig, weil sie bedeutete, dass die Schuldnerin einen Teil der (wenn auch schon fälligen) Schuld doch später und in Raten erfüllen konnte, ohne Exekutionsschritte befürchten zu müssen. Der Abschluss der ‑ bei lebensnaher Betrachtung zweifellos auf Ersuchen der Schuldnerin zustande gekommenen ‑ Ratenvereinbarung belegt somit zwar deren Liquiditätsprobleme, stellt aber gleichzeitig eine innerhalb der Dreimonatsfrist ab Fälligkeit des Beitrags für Dezember 2011 (am 16. Jänner 2012) getroffene Maßnahme dar, die zur Behebung der Liquiditätsschwäche beitrug/beitragen konnte. Deshalb ist im Abschluss der Ratenvereinbarung per se kein ‑ für sich allein tragender ‑ Insolvenzindikator zu erblicken. Andernfalls wäre es ausgeschlossen mit Hilfe von Stundungsvereinbarungen für eine Frist von mehr als drei Monaten ab Fälligkeit, Liquiditätsschwächen zu beheben und so den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.

5.3. Obwohl im Abschluss dieser Ratenvereinbarung (auch) das Zugeständnis der Schuldnerin erblickt werden muss, die Ende Jänner 2012 behauptete Zahlungsstockung nur bis März 2012 betreffend den Rückstand für Dezember 2011 doch nicht im zugesagten Zeitraum beheben zu können, wurde dadurch noch nicht die Nachforschungspflicht der Beklagten ausgelöst:

Zum einen ist nämlich davon ja nur ein noch nicht lange (für etwa sechs Wochen) fälliger Rückstand betroffen, zum anderen bestand schon am Ende des Monats die Möglichkeit zur Kontrolle der Einhaltung der Zusagen der Schuldnerin durch Beobachtung der Zahlungseingänge. Diese Kontrolle hatte die Beklagte schon im Eigeninteresse zwecks Überprüfung, ob die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Exekutionsverzichts weiter vorlagen, durchzuführen und stellte gar keinen organisatorischen Mehraufwand für sie dar, weil die Ratenvereinbarung ohnehin eine händische Bearbeitung erforderte.

6. In diesem Sinn macht der Kläger auch geltend, die Schuldnerin habe entgegen der Vereinbarung weder die laufenden Beiträge noch die Raten vollständig und fristgerecht bezahlt.

6.1. Dem ist beizupflichten, weil sich die Nichteinhaltung der Ratenvereinbarung vom 1. März 2012 in ihrer Gesamtheit bereits Anfang April 2012 herausstellte; dies unabhängig davon, ob man (wie das Erstgericht) von einer Ratenzahlung im März 2012 ausgeht, oder davon, dass im März 2012 keine Rate auf den Rückstand für Dezember 2011 geleistet wurde (wie dies der Kläger ‑ nach der Zeugenaussage der Referentin der Beklagten ‑ festgestellt haben möchte).

Im ersten Fall wäre wohl die Zahlung vom 22. März 2012 über exakt 10.000 EUR als Ratenleistung anzusehen, die die offene Schuld für Dezember 2011 vereinbarungsgemäß auf 36.190,24 EUR reduzierte. Vom dem am 1. April 2012 offenen Debetsaldo (47.517,66 EUR) fiele diesfalls ein Teilbetrag von 11.327,42 EUR auf die restliche fällige Schuld. In diesem Fall läge die Nichteinhaltung der Ratenvereinbarung darin, dass entgegen der ausdrücklichen Zusage die bis zum 31. März 2012 fällig gewordene Beitragsschuld (abzüglich des Rests für Dezember 2011) nicht vollständig bezahlt wurde, dass also zum 1. April 2012 nicht nur der um die geleistete Rate verminderte Beitrag für Dezember 2011 offen blieb.

Im zweiten Fall läge der klare Verstoß gegen die Ratenvereinbarung in der unterbliebenen Leistung einer Rate.

Da in beiden Fällen von der nicht vollständigen Erfüllung der mit der Ratenvereinbarung gegebenen Zusagen der Schuldnerin auszugehen ist, bedarf es der vom Kläger gewünschten ergänzenden Feststellungen zu den geleisteten Zahlungen und deren Zuordnung und Widmung durch die Beklagte nicht.

6.2. Am dargestellten Ergebnis der nicht vollständigen Erfüllung vermag auch eine neuerliche Prüfung zum Ende des nächsten Monats April 2012 nichts zu ändern. Die Schuldnerin leistete nämlich nur 11.500 EUR am 12. April 2012. Stellt dies eine Ratenzahlung dar, unterblieb jede Zahlung auf den laufenden, für März 2012 am 16. April 2012 fällig gewordenen Beitrag von 36.094,59 EUR; handelt es sich um eine Zahlung auf die restliche Schuld, erreichte sie nicht einmal den März‑Beitrag.

7. Anfang April 2012 traf die Beklagte daher die Pflicht, umgehend Nachforschungen darüber anzustellen, ob bei der Schuldnerin nicht doch Zahlungsunfähigkeit besteht, die sie jedoch zur Gänze unterlassen hat: Waren doch, wenn sich schon bis Ablauf des ersten Monats der Geltung der Zahlungserleichterung offenbarte, dass die abgegebenen Zusagen (wieder) nicht vollständig eingehalten wurden, massive Zweifel an diesen Zusagen der Schuldnerin angebracht, die bereits ein zweites Mal nicht halten konnte, was sie versprach. Es wären daher bei dieser Erkundigungen verbunden mit der Aufforderung, ihre Behauptungen zu bescheinigen, einzuholen gewesen.

8. Die von der Klägerin kritisierte Widmung (auch) der ersten beiden angefochtenen Zahlungen vom 21. und 22. März 2012 auf (primär) Dienstnehmeranteile bietet hingegen keinen Anlass, die fahrlässige Unkenntnis der Beklagten von der materiellen Insolvenz der Schuldnerin bereits im Zeitpunkt dieser beiden Zahlungen der Schuldnerin anzunehmen.

8.1. Soweit der Kläger § 67 Abs 10 ASVG ins Treffen führt, ist die Relevanz einer Widmung auf Dienstnehmeranteile nicht erkennbar; diese, die Haftung ua der zur Vertretung juristischer Personen berufener Personen für Beitragsschuldigkeiten regelnde Norm unterscheidet nämlich nicht zwischen Dienstgeber- und Dienstnehmeranteilen.

8.2. § 153c StGB (Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung) sieht im Abs 2 als Täter auch alle natürlichen Personen vor, die dem zur Vertretung ua einer juristischen Person befugten Organ angehören. Nach der strafrechtlichen Judikatur hat die Beurteilung, ob im Fall von Beitragsrückständen ein Vorenthalten gegeben ist, unter Berücksichtigung des Grundsatzes zu erfolgen, dass ungewidmete Zahlungen iSd § 1416 ABGB auf die beschwerlichste Schuld anzurechnen sind, was für den Bereich des Strafrechts ‑ unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Buchung ‑ in der Regel die mit Strafsanktion bewehrte ist (vgl 12 Os 9/07a mwN; Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153c Rz 20). Das Argument des Klägers, die Beschwerlichkeit der Schuld, sei nicht an der Person des Organs einer juristischen Person zu messen, geht daher ins Leere. Eine Zahlungswidmung, die im Ergebnis ohnehin den gesetzlichen Vorgaben (und jener der höchstgerichtlichen Judikatur) entspricht, stellt aber keine Auffälligkeit dar und kann deshalb auch nicht als Insolvenzindikator eingestuft werden.

9. Die zuletzt vom Kläger behauptete (negative) „Insolvenzvorgeschichte der Geschäftsführung der Schuldnerin“ (zwei Insolvenzverfahren gegen Kapitalgesellschaften in den Jahren 2010 und 2011) stellt kein tragfähiges Indiz auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin dar, weil darin ein unzulässiger Pauschalverdacht zu erblicken wäre, der jeden Bezug zu den tatsächlichen Gegebenheiten im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Schuldnerin vermissen lässt.

10. Die Unterlassung jeglicher Überprüfungsschritte geht zu Lasten der Anfechtungsgegnerin (3 Ob 99/10w). Angesichts der unstrittig schon seit 21. März 2012 bestehenden materiellen Insolvenz der Schuldnerin kann auch nicht unterstellt werden, diese hätte der Beklagten Anfang April 2012 das Vorliegen einer bloßen Zahlungsstockung plausibel machen können.

Die Beklagten war daher bereits ab Anfang April 2012 in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, sodass das Leistungsbegehren des Klägers für die angefochtenen Zahlungen vom 12. April 2012, vom 2. und 29. Mai 2012 sowie vom 22. Juni 2012 im Gesamtumfang von 115.863,98 EUR samt 4 % Zinsen ab Klageeinbringung (vgl 3 Ob 99/10w) berechtigt ist.

In teilweiser Stattgebung der Revision waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher in diesem Sinn abzuändern.

11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Der Kläger drang schlussendlich in allen drei Instanzen mit etwa 83 % durch, weshalb ihm die Beklagte 66 % seiner Vertretungskosten und 83 % seiner Barauslagen zu ersetzen hat.

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