European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00009.15B.0317.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht ließ nachträglich die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO zu, weil ihm von der Klägerin vorgeworfen werde, von der (nicht belegten) „Judikatur zur Einbeziehung der früher zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge und des sonstigen Vertragsinhalts in die Vertragsauslegung abgewichen zu sein“, wodurch es „den Geschäftszweck nicht erfasst und die wahre Interessenlage nicht berücksichtigt habe“.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Der Beschluss kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
1. Grundsätzlich kann mit der Behauptung einer unzureichenden Beweiswürdigung der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht dargetan werden, sofern sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt befasst und nachvollziehbare ‑ wenn auch gegebenenfalls nur kurz begründete ‑ Erwägungen dazu angestellt hat (RIS‑Justiz RS0043150; RS0043371). Es ist nicht notwendig, dass jedes einzelne Beweisergebnis in der Begründung aufgegriffen und behandelt wird (vgl RIS‑Justiz RS0040180 [T1]). Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht die Rede davon sein, dass sich das Berufungsgericht mit der in der Berufung erhobenen Tatsachenrüge nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen zur Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten wurden. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.
2. Soweit die Klägerin der Sache nach versucht, die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu bekämpfen, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel sind (RIS‑Justiz RS0042903 [T1, T2, T10]; RS0069246 [T1, T2]). Soweit die Revision ‑ wie hier in weiten Teilen ‑ nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist es dem Obersten Gerichtshof mangels einer gesetzmäßigen Ausführung des Revisionsgrundes des § 503 Z 4 ZPO verwehrt, auf materiell‑rechtliche Fragen einzugehen (RIS‑Justiz RS0043312 [T3]).
3. Die gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor, weil die Vorinstanzen dazu jeweils Feststellungen trafen. Die von der Klägerin gewünschte Feststellung, mit der Vereinbarung „sollte und konnte keine abschließende Regelung getroffen werden“, ist ‑ abgesehen vom davon abweichenden Verständnis des Erstbeklagten (des Geschäftsführers der Zweitbeklagten) ‑ nicht recht verständlich, leitet sie doch ihren Anspruch gerade aus Punkt 11. der Vereinbarung ab. Dass die Beklagten die aus einem nicht strittigen Vertragspunkt „resultierenden Beträge“ an die Klägerin zahlten, ist für die rechtliche Beurteilung nicht von Relevanz.
4. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042776 [T6]; RS0042936). Das ist hier nicht der Fall.
4.1. Nach Punkt 11. der (vom dazu bevollmächtigten Lebensgefährten der Klägerin formulierten) Vereinbarung vom 23. 12. 2010/10. 1. 2011 tragen die Beklagten und die Klägerin „die noch direkt durch die Parifizierung anfallenden Kosten (durch Verbücherung etc) im Verhältnis 66 zu 34“. Strittig ist, ob dazu auch die danach angefallenen Kosten des Rechtsvertreters der Klägerin für anwaltliche Vertretungs- und Beratungsleistungen zählen.
4.2. Maßgebliche Auslegungskriterien des § 914 ABGB sind der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und die Absicht der Parteien. Unter der „Absicht der Parteien“ ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen (RIS‑Justiz RS0017915 [T2, T31, T34]; 2 Ob 11/10x mwN = SZ 2010/142). Für die Auslegung einer Urkunde ist deren Wortlaut allein maßgeblich, solange nicht behauptet und bewiesen wird, dass sich aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände ein übereinstimmender Parteiwille oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung ergibt (RIS‑Justiz RS0043422 [T13]). Dieser Beweis wurde im vorliegenden Fall nicht erbracht, weshalb der Wille der Vertragsparteien durch Auslegung der Vertragsurkunde zu ermitteln ist.
4.3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass unter Punkt 11. der Vereinbarung nur die Kosten der Neuparifizierung samt Verbücherung ‑ der „Wohnungseigentumsaufhebungs‑ und Begründungsvertrag“ wurde von einem Notar errichtet und grundbücherlich durchgeführt ‑ und die dadurch ausgelösten Abgaben (insbesondere die Grunderwerbsteuer) fallen, nicht jedoch die Kosten des Rechtsvertreters der Klägerin, ist jedenfalls vertretbar. Die „noch direkt durch die Parifizierung anfallenden Kosten“ mit dem zusätzlichen Hinweis „(durch Verbücherung etc)“ umfassen nach redlichem Verständnis nicht zukünftige und für die Beklagten der Höhe nach auch nicht abschätzbare Kosten des Rechtsvertreters der Klägerin für deren Vertretung „im Zusammenhang“ mit einem anhängigen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren und der Neuparifizierung. Zwar erklärten sich die Beklagten in einem anderen Vertragspunkt bereit, zum Teil auch bereits entstandene und der Höhe nach feststehende Kosten des Rechtsvertreters zu ersetzen, jedoch vermag die Klägerin nicht überzeugend aufzuzeigen, warum die Beklagten auch ihre zukünftigen anwaltlichen Vertretungskosten ersetzen sollten. Mangels nachweislich darauf gerichteten gemeinsamen Parteiwillens ist die Beurteilung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Im Übrigen führte auch eine bloß undeutliche Erklärung zum selben Ergebnis, wäre sie doch gemäß § 915 2. Halbsatz ABGB zum Nachteil der Klägerin auszulegen.
5. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
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