OGH 12Os9/15p

OGH12Os9/15p5.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rabah M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. September 2014, GZ 21 Hv 38/14f‑42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00009.15P.0305.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rabah M***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./) und mehrerer Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

I./ am 17. Juli 2013 Claudia H***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen genötigt, indem er sie am Oberkörper erfasste, zu Boden drückte, ihr die Hose hinunterzog, mit seinem Glied anal und vaginal in sie eindrang, sie umdrehte und ihr seinen Penis in den Mund steckte;

II./ am 30. Mai, am 1. Juni und am 13. August 2013 jeweils eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, nämlich einen total gefälschten bulgarischen Reisepass, lautend auf Angel Todorov A*****, zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, indem er sich damit gegenüber Polizeibeamten anlässlich von Identitätsfeststellungen nach § 35 SPG auswies.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) steht das Unterbleiben der im § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO bezeichneten Angaben im Protokoll über die Hauptverhandlung (§ 271 Abs 1 Z 7 StPO) nicht unter Nichtigkeitssanktion. Solcherart geschützt ist nur das ‑ hier zu Recht gar nicht behauptete ‑ gänzliche Fehlen der Protokollierung (Danek, WK‑StPO § 271 Rz 4 f).

Der weiteren Beschwerde (Z 4) zuwider verletzte die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin Daniela W***** zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte und das Opfer sich näher kannten und dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgt ist, zumal die Zeugin anwesend war, als der Angeklagte der Zeugin H***** sagte, ob sie mit ihm mitgeht, um Sex zu haben“ (ON 41 S 27), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht. Denn der Angeklagte gab nicht bekannt, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis haben werde. Zu einem solchen Vorbringen wäre der Antragsteller aber angesichts dessen, dass es sich bei Daniela W***** schon nach dem Antragsvorbringen um keine Tatzeugin handelte, verpflichtet gewesen (RIS‑Justiz RS0107040).

Die in der Beschwerde zur Antragsfundierung nachgetragene Argumentation stellt eine unzulässige Neuerung dar (RIS‑Justiz RS0099618).

Mit der Kritik an der Begründung des abweisenden Beschlusses entfernt sich die Beschwerde vom Prüfungsmaßstab des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0116749).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) pauschal „zusätzlich andere Gründe“ verlangt, die „eine Vergewaltigung als naheliegender erscheinen lassen als einen bloß freiwillig durchgeführten Geschlechtsverkehr“, wendet sie sich gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Ob sich das Tatopfer „gewehrt“ hat oder sich zu „wehren versuchte“, spielt für die Lösung der Schuldfrage keine Rolle (zum auch bei Überwindung eines vermuteten Widerstands vorliegenden Nötigungsmittel der Gewalt vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0095260, RS0095232), sodass die darauf gestützte Behauptung sich ausschließender Urteilsannahmen (Z 5 dritter Fall) keine entscheidenden Tatsachen anspricht.

Dies gilt gleichermaßen für den vom Beschwerdeführer erblickten Widerspruch hinsichtlich der Konstatierungen zum Ausmaß der Verletzungsfolgen des Tatopfers (Abschürfungen an beiden Knien und Ellenbögen oder nur rechts).

Weshalb es einen Begründungsmangel (Z 5 dritter Fall) darstellen soll, dass das Erstgericht seine Konstatierungen zur objektiven Tatseite (unter anderem) auf das DNA‑Gutachten stützte (US 6 vierter Absatz), während es diesem Gutachten keine Beweisrelevanz hinsichtlich der subjektiven Tatseite zuerkannte (US 7 vierter Absatz), bleibt unerfindlich.

Die Behauptung undeutlicher Urteilsannahmen (Z 5 erster Fall) zur „Intensität des Niederdrückens“ geht schon deshalb ins Leere, weil das Erstgericht ‑ insoweit von der Beschwerde unbekämpft ‑ die Gewaltanwendung zusätzlich im Festhalten des Tatopfers erblickte (US 5; zum Gewaltbegriff erneut RIS‑Justiz RS0095260, RS0095232).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit ihrer Kritik an den Erwägungen des Erstgerichts hinsichtlich der Überzeugungskraft der Angaben der Zeugin Claudia H***** vor der Polizei keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer erneut in unbeachtlicher Weise gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben der Vernehmung der Polizeibeamtin Sabine T***** pauschal als Hinweis für mangelndes Bemühen des Erstgerichts um vollständige Wahrheitserforschung interpretiert, ohne Kritik an der Abweisung eines diesbezüglichen Beweisantrags zu üben (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass die vom Erstgericht herangezogene (vgl US 8) Bestimmung des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (Strafrahmen ein bis zu zehn Jahre) zum Tatzeitpunkt noch nicht in Geltung stand. Vielmehr wäre die günstigere Vorschrift des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (Strafrahmen sechs Monate bis zu zehn Jahre) anzuwenden gewesen. Dieser Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) kann im Rahmen des Berufungsverfahrens Rechnung getragen werden (statt vieler RIS‑Justiz RS0119220).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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