OGH 12Os10/15k

OGH12Os10/15k5.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Nora I***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 16. September 2014, GZ 6 Hv 72/14h‑55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00010.15K.0305.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der Nora I***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer hebephrenen Schizophrenie, beruht, am 20. April 2014 in R***** H***** ihren Bruder Ismael I***** mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie sich ihm mit einer Schrotflinte näherte, aus einer Entfernung von rund zwei Metern einen Schuss abgab und sodann den Lauf des Gewehres gegen seinen Kopf richtete, also eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen, die ihr, wäre sie zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Betroffenen auf Z 5, „9“ und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Weshalb es für die rechtliche Beurteilung relevant sein und nur solcherart eine entscheidende Tatsache ansprechen sollte, ob die Betroffene das Gewehr gegen den Kopf (US 6) oder ‑ wie das Tatopfer anlässlich der Tatrekonstruktion ausführte (ON 22 S 18) ‑ in Richtung seines Kopfes gerichtet hat, ist dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider nicht nachvollziehbar.

Gegenstand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz

RS0099810).

Diesen Kriterien wird die Beschwerde, die mit dem Argument, Nora I***** habe bloß eine einläufige Schrotflinte verwendet, die „Immanenz“, im Ergebnis wohl aber die Besorgniseignung einer qualifizierten gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 2 StGB bestreitet (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I 3 § 107 Rz 15 iVm § 106 Rz 4 und § 105 Rz 33; Jerabek in WK 2 StGB § 74 Rz 26; RIS‑Justiz RS0092687), schon deshalb nicht gerecht, weil sie übergeht, dass tatsächlich die Benützung eines kombinierten Kipplaufgewehrs mit einem Schrotlauf und einem darunter liegenden Büchsenlauf konstatiert wurde (US 4).

Dass die „Abgabe eines Schusses in die Luft und Absenken (Richten) des Laufes gegen den Kopf des Opfers nach der Schussabgabe“ nicht geeignet sein sollte, die Qualifikation zu erfüllen, wird von der Rüge bloß

begründungslos behauptet, nicht jedoch ‑ wie geboten (vgl RIS‑Justiz RS0116569, RS0116565) ‑

methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet.

Das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall), das Schöffengericht habe zu befürchtende Prognosetaten „nicht mit entsprechender Sicherheit zum Ausdruck gebracht“, hält nicht am gesamten Wortlaut der entsprechenden Konstatierungen fest, wonach auch künftig ein hohes Risiko dafür besteht, dass „Nora I***** ob ihrer erhöhten Aggressionsbereitschaft auch künftig wieder Handlungen mit gravierenden Nachteilen für andere begehen wird. Zu erwarten sind dabei vor allem Delikte gegen die körperliche Integrität mit durchaus hoher Intensität und entsprechend schweren Verletzungsfolgen aber auch bei entsprechend wahnhafter Motivlage Tötungsdelikte, denen Nora I***** jedenfalls keinen ausreichenden inneren Widerstand mehr entgegensetzen kann“ (US 10). Damit wird jedoch zweifelsfrei jedenfalls die hohe Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung vorsätzlich begangener Körperverletzungsdelikte mit schweren Verletzungsfolgen konstatiert.

Die Prognosetat ist zwar ihrer Art nach näher zu umschreiben (RIS‑Justiz RS0113980 [insb T8], RS0118581; Ratz in WK2 StGB § 21 Rz 26), der vom Beschwerdeführer geforderten Annahme einer bestimmten Tatbegehung bedarf es hingegen nicht.

Dass sich die zu befürchtende strafbare Handlung, die schwere Folgen nach sich zieht, aus der Anlasstat ergeben müsse (vgl jedoch Ratz in WK 2 StGB § 21 Rz 25; Leukauf-Steininger Komm 3 § 21 Rz 12), wird im Übrigen ebenso begründungslos behauptet wie der Einwand, Fahrlässigkeitsdelikte stellten jedenfalls keine Prognosetaten im Sinn des § 21 Abs 1 StGB dar (demgegenüber RIS‑Justiz RS0108487; Ratz in WK 2 StGB § 21 Rz 26).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Stichworte