OGH 10ObS8/15x

OGH10ObS8/15x24.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. November 2014, GZ 10 Rs 115/14a‑27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 2. Juni 2014, GZ 4 Cgs 60/13m‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00008.15X.0224.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der am 19. Juli 1954 geborene Kläger, der von 1. Juli 1969 bis 30. Juni 1972 den Beruf eines Tischlers erlernt hat, erwarb in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. 8. 2012) insgesamt 26 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, davon drei Beitragsmonate nach dem GSVG. Gesundheitlich ist der Kläger noch in der Lage, körperlich leichte und bis zu drittelzeitig mittelschwere Arbeiten unter Ausschluss bestimmter Arbeitshaltungen zu verrichten. Er kann Arbeiten unter durchschnittlicher psychischer Belastung verrichten; ausgeschlossen ist dauernd besonderer Zeitdruck. Mit diesem Leistungskalkül könnte der Kläger noch als Tagportier oder als Hilfskraft in der Leichtwarenverpackungsbranche arbeiten.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2012 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 17. Juli 2012 auf Gewährung der Invaliditätspension ab, weil Invalidität nicht vorliege.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Zuerkennung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag gerichtete Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger genieße keinen Berufsschutz, weil er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag keine 90 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe. Eine Rahmenfristerstreckung wegen Langzeitarbeitslosigkeit komme nicht in Betracht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

In seinem Rechtsmittel wiederholt der Kläger seine Argumentation, dass eine Verlängerung des Rahmenzeitraums von 15 Jahren auch im Fall einer Langzeitarbeitslosigkeit ‑ in analoger Anwendung der in § 255 Abs 2 letzter Satz ASVG genannten Versicherungsmonate ‑ vorzunehmen sei, um eine Diskriminierung aufgrund des Alters und ein gleichheitswidriges Ergebnis zu vermeiden.

Dem ist zu erwidern:

1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 ObS 50/12v (SSV‑NF 26/33) festgehalten, dass es nicht unsachlich erscheint, „dass der Gesetzgeber für die Erlangung des Berufsschutzes grundsätzlich auf das Vorliegen einer bestimmten Mindestversicherungszeit einer qualifizierten Erwerbstätigkeit in einem bestimmten Rahmenzeitraum … abstellt“.

2. Seit 1. 1. 2011 ist für die Erlangung eines Berufsschutzes nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG grundsätzlich erforderlich, dass ein Versicherter 7,5 Jahre der Ausübung eines qualifizierten Berufs innerhalb von 15 Jahren vor dem Stichtag nachweisen kann. Motiv des Gesetzgebers war es, nur noch eine längere Ausübung des qualifizierten Berufs zu schützen. Bei Überprüfung des Überwiegens werden alle Zeiten einer qualifizierten Tätigkeit zusammengerechnet, also alle einschlägigen Arbeiter‑ und Angestelltenberufe berücksichtigt. Liegen in dem Rahmenzeitraum auch Zeiten der Kindererziehung, des Wochengeldbezugs, des Präsenz- oder Zivildienstes, so kommt es zu einer entsprechenden Rahmenfristerstreckung (10 ObS 12/14h; 10 ObS 63/14h; 10 ObS 144/14w).

3. Eine Analogie ermöglichende planwidrige Lücke des Gesetzes ist nicht zu sehen. Die Argumentation des Klägers läuft darauf hinaus, dass im Fall von (Langzeit‑)Arbeitslosigkeit der Zugang zur Invaliditätspension erleichtert wird, indem die entsprechenden Zeiten den gesetzlichen Rahmenzeitraum verlängern. Genau dies liegt aber nicht dem gesetzgeberischen Konzept zugrunde, das Versicherte länger im Erwerbsleben halten will. Die unzweifelhafte Ausdrucksweise des Gesetzes in seinem wörtlichen Verständnis ‑ wonach Zeiten der Arbeitslosigkeit die Rahmenfrist nicht zu erstrecken vermögen ‑ produziert keine offenbaren Wertungswidersprüche. Zutreffend hat das Berufungsgericht auf die Unterschiede zwischen Zeiten des Bezugs einer befristeten Invaliditätspension bzw von Übergangsgeld einerseits und dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung andererseits hingewiesen: Während des Bezugs von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe muss der Versicherte ‑ anders als im Fall der Invalidität ‑ grundsätzlich arbeitsfähig sein. Aus diesem Grund überzeugen die in Richtung einer unsachlichen Ungleichbehandlung gehenden verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht. Auch eine Diskriminierung im Hinblick auf das Alter ist nicht erkennbar.

Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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