European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00035.15Y.0217.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die klagende Partei verfügt über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mittels Automaten nach dem oberösterreichischen Glücksspielautomatengesetz.
Der Beklagte betreibt in ***** ein Gasthaus und hat für diesen Standort eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe. Er verfügt über keine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten, hat aber zwei solche Geräte aufgestellt. Das Spiel wird als Ausspielung durchgeführt, wobei der Spieler den Einsatz pro Spiel mit mindestens 20 Cent und höchstens 10,50 EUR festlegen kann. Der Sachverhalt weist keinen Auslandsbezug auf.
Die klagende Partei beantragte, dem Beklagten mit Urteil zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in seinem Gasthaus, solange er oder der Dritte, dem er die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglichen, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügen. Mit dem Unterlassungsbegehren verband sie einen Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.
Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da der Beklagte über keine solche Bewilligung verfüge, betreibe er ein illegales Glücksspiel. Dadurch verstoße er gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).
Der Beklagte wandte ein, die Verbotsbestimmungen des GSpG seien unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei. Er verwies auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑390/12, Pfleger, wonach Art 56 AEUV einer nationalen Beschränkung des Glücksspiels entgegenstehe, sofern diese nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolge und nicht tatsächlich dem Anliegen entspreche, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen. Der Beklagte brachte dazu erkennbar vor, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Wegen der verfassungsrechtlich verbotenen Inländerdiskriminierung könne auch er sich auf die Unionsrechtswidrigkeit berufen. Jedenfalls sei seine Rechtsansicht vertretbar; daher bestehe kein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Mit den Automaten im Gasthaus des Beklagten würden Glücksspiele bzw Ausspielungen veranstaltet. Da die Automaten Einsätze von mehr als 10 EUR ermöglichten, unterlägen diese Ausspielungen nach § 3 GSpG dem Glücksspielmonopol des Bundes. Mangels Konzession greife der Beklagte in dieses Monopol ein. Eine Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols sei nicht festgestellt. Ein allfälliger Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit erfasse nur Sachverhalte mit einem transnationalen Element, das hier nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung 4 Ob 145/14y ging das Berufungsgericht davon aus, dass der vom Beklagten erhobene Einwand der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols samt der Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung im Hauptverfahren zu erörtern sei. Es seien Feststellungen zur Frage zu treffen, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt. Im Ersturteil fehlten Feststellungen zu diesem vom Beklagten erhobenen Einwand.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass zu der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht noch keine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Hauptverfahren vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der von der klagenden Partei erhobene Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch in den Ausführungen im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan:
1. Bereits in der vom Berufungsgericht zitierten und ein Sicherungsverfahren betreffenden Entscheidung 4 Ob 145/14y hat der erkennende Senat ausdrücklich festgehalten, dass die in der Entscheidung zur Rechtssache C‑390/12, Pfleger, vom EuGH angeführten tatsächlichen Umstände, von deren Vorliegen die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols abhängt, im Hauptverfahren zu prüfen sind. Im Rahmen des Hauptprozesses sind daher Feststellungen darüber zu treffen, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols „wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und [...] tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“. Nach 4 Ob 145/14y kann die mögliche Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung bewirken.
2. In den jeweils im Hauptverfahren ergangenen Entscheidungen 4 Ob 200/14m, 4 Ob 231/14w und 4 Ob 244/14g wurde diese Rechtsansicht bestätigt und zur hier interessierenden Frage jeweils ua Folgendes ausgeführt:
„Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht [...] als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer [...] Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen ‑ wie hier ‑ sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers [...] gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier die Beklagten die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RIS‑Justiz RS0106638; RS0109287). Da allerdings die Geltung oder Anwendbarkeit eines Gesetzes letztlich nicht von Behauptungen oder Beweisanboten einer Partei abhängen kann, wird das Erstgericht dann, wenn es aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Unionsrechtskonformität des Glücksspielrechts haben sollte, auch von Amts wegen entsprechende Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen. Verbleiben letztendlich Zweifel über die zu prüfenden Tatsachen, liegt also ein non liquet vor, geht das zu Lasten der damit beweisbelasteten Beklagten (RIS‑Justiz RS0037797).
Erweisen sich die Regelungen des Glücksspielrechts aufgrund von deren tatsächlichen Auswirkungen als unionsrechtswidrig, bestünden wegen der dann drohenden Inländerdiskriminierung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielmonopols. Dies müsste zu einer Anfechtung der relevanten Bestimmungen [...] beim Verfassungsgerichtshof führen. Nach einer stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts stünde den Beklagten zudem ein Parteiantrag auf Normenkontrolle iSv Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG offen. [...]“
3. An den referierten Grundsätzen ist auch im hier zu prüfenden Fall festzuhalten. Die Argumente im Rekurs bieten keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzugehen.
3.1 Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, dass im Zusammenhang mit dem vom Beklagten erhobenen Einwand der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols bzw der Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung Feststellungen darüber zu treffen seien, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolge, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
3.2 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts verstößt entgegen der im Rekurs vertretenen Meinung auch nicht gegen die Parteienmaxime, zumal ein umfassendes Vorbringen des Beklagten zur Unionsrechtswidrigkeit bzw zur Inländerdiskriminierung vorliegt.
3.3 Schließlich ist für die klagende Partei auch aus der Entscheidung 4 Ob 86/14x nichts zu gewinnen, weil der dort zu beurteilende Sachverhalt nicht von der Anwendbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols abhing und die Entscheidung zudem im Sicherungsverfahren erging.
Der Rekurs ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.
4. Da der Beklagte nicht auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen und demgemäß auch nur beantragt hat, „den Revisionsrekurs abzuweisen“, hat er keinen Anspruch auf Honorierung seiner Rekursbeantwortung (RIS‑Justiz RS0035979 [insb T15, T18, T23]; RS0035962 [insb T18, T29]).
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