OGH 4Ob26/15z

OGH4Ob26/15z17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Michael Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. J***** L*****GmbH, *****, 2. A***** L*****, 3. B***** H*****, 4. Dr. W***** N*****, Italien, 5. T***** AG, *****, Italien, alle vertreten durch Dr. Harald Burmann und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 213.977,45 EUR sA (erstbeklagte Partei) und Kosten (zweit‑ bis fünftbeklagte Parteien), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2014, GZ 2 R 199/14b‑130, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00026.15Z.0217.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist ‑ nach rechtskräftiger Teilstattgabe und Teilabweisung im ersten Rechtsgang und Klagseinschränkung im zweiten Rechtsgang ‑ ein Schadenersatzanspruch nach § 16 Abs 1 UWG gegen den Erstbeklagten, der früher im Unternehmen der klagenden Partei beschäftigt war und durch wettbewerbswidrige Handlungen das Konkurrenzunternehmen L*****GmbH gründete und ihm Kunden der klagenden Partei zuführte. Auf die im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 36/13t wird verwiesen.

Die Vorinstanzen sprachen der klagenden Partei im zweiten Rechtsgang für das Jahr 2007 unter Anwendung des § 273 ZPO 88.000 EUR sA an Schadenersatz zu und wiesen das Mehrbegehren von 125.977,45 EUR sA ab, wobei die Abweisung im Umfang von 33.977,45 EUR sA und der stattgebende Teil bereits in Rechtskraft erwachsen sind.

1. Die Ausführungen in der außerordentlichen Revision, dass das Berufungsgericht bei der Anwendung des § 273 ZPO und der Berechnung der Schadenshöhe den Ermessensspielraum eklatant überschritten habe, begründen keine erhebliche Rechtsfrage.

2. Der bei Anwendung des § 273 ZPO vom Gericht nach freier Überzeugung vorzunehmenden Schätzung kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0121220). Auch die von den Vorinstanzen geprüfte Frage der Bemessung des durch lauterkeitswidrige Eingriffe erlittenen Schadens und das Ergebnis der ‑ zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten unbedenklich herangezogenen (vgl 3 Ob 417/53 = SZ 26/189; 4 Ob 119/04k; 4 Ob 74/05v; RIS‑Justiz RS0040378) -Schadensschätzung nach § 273 ZPO betreffen typisch den Einzelfall, weshalb sich keine allgemeinen Regeln aufstellen lassen (vgl 4 Ob 119/04k; RIS‑Justiz RS0040378 [T1]).

3. In der von den Vorinstanzen ihrer Schadensberechnung nach § 273 ZPO zugrundeliegenden Methode, den Deckungsbeitrag des halben Umsatzes der L*****GmbH mit den Kunden der klagenden Partei („gemeinsame Kunden“) heranzuziehen, ist jedenfalls keine krasse Ermessensüberschreitung zu erblicken, die einer höchstgerichtlichen Korrektur bedarf. Die Vorinstanzen konnten bei der vorgenommenen Halbierung des Umsatzes den Umstand, dass dem Erstbeklagten zahlreiche der gemeinsamen Kunden ohnedies persönlich bekannt bzw in Einkaufsvereinigungen organisiert waren und manche auf Vertreterlisten aufschienen, ebenso berücksichtigen wie die aus einer natürlichen Kundenfluktuation resultierenden Unsicherheiten. Sie sind daher jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass nicht der gesamte Umsatz der L*****GmbH mit den gemeinsamen Kunden auf die unlauteren Handlungen des Erstbeklagten zurückzuführen ist.

4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht auch in keinem Widerspruch zu der von der klagenden Partei zitierten höchstgerichtlichen Judikatur.

4.1 Nichts zu gewinnen ist für die Revisionswerberin aus der Entscheidung 4 Ob 49/98d, in der klargestellt wurde, dass ein Umsatzrückgang des Geschädigten wohl als maßgeblicher Faktor für die Ausmittlung nach § 273 ZPO herangezogen werden darf, der Rückgang aber nicht notwendig mit Ertragseinbußen verbunden ist. Die angefochtene Entscheidung steht dazu nicht im Widerspruch, zumal sich entsprechende Erwägungen des Berufungsgerichts auch im Zusammenhang mit dem Umsatzeinbruch der klagenden Partei finden. Aufgrund der Feststellungen konnte das Zweitgericht aber vertretbar davon ausgehen, dass die Umsatzverluste der klagenden Partei im relevanten Zeitraum in erheblichem Maße nicht auf den Marktauftritt der L*****GmbH zurückzuführen sind.

4.2 Insoweit die klagende Partei unter Berufung auf die Entscheidung 4 Ob 319/62 vertritt, dass dem Schädiger kein Vorteil verbleiben dürfe, übersieht sie, dass sich aus dieser Entscheidung eine solche Aussage nicht ergibt, zumal die Schadenshöhe im dortigen Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen war. Davon abgesehen, berücksichtigt die Berechnungsmethode der Vorinstanzen durch die Heranziehung des Deckungsbeitrags (= Differenz zwischen dem Erlös und den variablen Kosten eines Guts, die zur Deckung aller anderen Kosten und als Gewinn verbleibt) bei der Schadensbemessung die mit dem unlauteren Handeln des Erstbeklagten verursachten Vorteile der L*****GmbH (in diesem Sinn auch 4 Ob 182/13p = RIS‑Justiz RS0129252). Der im Rechtsmittel erhobene Vorwurf, dieser Gesellschaft würden aus den Wettbewerbsverletzungen Vorteile verbleiben, weil ihre gesamten Umsätze auf die Lauterkeitsverstöße des Erstbeklagten zurückzuführen seien, entfernt sich von den Feststellungen, zumal eine derartige, ausschließliche Kausalverknüpfung gerade nicht festgestellt wurde.

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