Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen und zwar die Erstklägerin 1.152,60 EUR (darin 192,10 EUR USt), der Zweitkläger 862,94 EUR (darin 143,82 EUR USt), der Drittkläger 431,47 EUR (darin 71,91 EUR USt) und der Viertkläger 120,36 EUR (darin 20,06 EUR USt).
Begründung
Die Kläger erwarben über Vermittlung von Versicherungsmaklern Genussscheine einer Aktiengesellschaft, welche diese unter anderem damit beworben hatte, dass sie über sehr positive „Ratings“ der Beklagten verfüge. Grundlage für diese Anlageentscheidungen war neben den „Ratings“ der Beklagten auch die in Aussicht gestellte hohe Rendite und die Liquidität der Anlage. Nach dem Konkurs der Emittentin sind die Wertpapiere wertlos.
Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsauskunftei und erstellt aus eigenem ‑ also ohne diesbezüglichen Auftrag ‑ sogenannte „Businessreports“ über Unternehmen, die anderen Unternehmen eine Entscheidungsgrundlage zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen und Informationen, auch zur Bonität der begutachteten Unternehmen, bieten sollen. Diese enthalten auch ein „Rating“. Die Beklagte bedient sich eines Computerprogramms, das öffentlich zugängliche Daten, etwa aus dem Firmenbuch oder dem Gewerberegister, verwendet und automatisiert, in der Regel ohne menschlichen Eingriff, unter anderem das „Rating“ erstellt. Dieses wird mit anderen zum Unternehmen erfassten Daten, etwa der Bilanzanalyse, auf Plausibilität überprüft und im Zweifelsfall allenfalls manuell korrigiert. Diese Berichte können von Interessierten bei der Beklagten entgeltlich erworben werden, betroffene Unternehmen erhalten einmal jährlich kostenlos einen Bericht, wenn sie ihr Recht nach § 26 DSG in Anspruch nehmen. Die Berichte enthalten den Hinweis, dass die darin enthaltenen Daten nur der Information des Empfängers dienen und nicht weitergegeben werden dürfen.
Die Beklagte erstellte auch zur Emittentin der von den Klägern erworbenen Genussscheine derartige Berichte, die „Ratings“ enthielten. Diese waren bis 2008, als Malversationen in der Unternehmensgruppe der Emittentin bekannt wurden, durchgehend sehr positiv.
Weder die Kläger noch die Emittentin der Genussscheine kauften die Berichte der Beklagten. In der Unternehmensgruppe der Emittentin wurde man jedoch 1999 auf die in Medien puplizierten „Ratings“ eines mit der Emittentin verbundenen Unternehmens und auf die Beklagte aufmerksam und begann in der Folge, die kostenlosen Eigenabfragen zu nützen und der Beklagten ungefragt auch Bilanzen der Unternehmensgruppe zuzusenden. Die aus den Berichten entnommenen „Ratings“ verwendete die Emittentin der Genussscheine auch in ihrem Internetauftritt und sonstigen Werbeunterlagen für die Genussscheine. Dies war aber der beklagten Wirtschaftsauskunftei nicht bekannt. Nach allgemeinem Bekanntwerden der Malversationen in der Unternehmensgruppe der Emittentin und auch Bekanntwerden der Verwendung der Bewertungen zu eigenen Werbezwecken durch die Emittentin untersagte die Beklagte der Emittentin die weitere Verwendung der „Ratings“.
Die Vorinstanzen wiesen die im Wesentlichen darauf, dass die von der Beklagten zu Werbezwecken zur Verfügung gestellten „Ratings“ sorgfaltswidrig fehlerhaft gewesen seien, gestützte Schadenersatzklage mit der Begründung ab, der Beklagten sei die Verwendung der „Ratings“ zu Werbezwecken nicht bekannt gewesen. Überdies sei nicht ersichtlich, woher der Beklagten diese Verwendung ‑ entgegen dem Verbot in ihren Berichten ‑ bekannt gewesen sein hätte müssen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Haftung für unbestellte („unsolicited“) Ratings in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „nicht eindeutig geklärt sei“.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Kläger, mit der sie ihre Schadenersatzansprüche weiter verfolgen, nicht zulässig.
Nach § 1300 erster Satz ABGB besteht eine Haftung dann, wenn „gegen Belohnung“ aus Versehen ein nachteiliger Rat erteilt wird. Die Erteilung einer Auskunft ist der Ratserteilung gleichzuhalten (RIS‑Justiz RS0026527). Nach neuerer Rechtsprechung und herrschender Lehre ist „gegen Belohnung“ dahin zu verstehen, dass der Rat nicht selbstlos erfolgte; eine solche Haftung tritt also auch dann ein, wenn keine vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen besteht. Entscheidend ist nur, dass der ‑ wenn auch bloß einmalige ‑ Rat nicht selbstlos erfolgte (9 Ob 49/09k mwN; RIS‑Justiz RS0026596, RS0044121). Die grundlegende Wertung besteht gerade darin, jene Auskunftgeber einer strengeren Haftung zu unterwerfen, die sich von der Preisgabe der Auskunft einen Vorteil erwarten, als jene, die lediglich aus Gefälligkeit beraten. Die von der Rechtsprechung geforderte „Sonderbeziehung“ zwischen den Beteiligten wird also auch dadurch begründet, dass der Rat „gegen Belohnung“ erteilt wird. Eine Vertragsbeziehung kann vorliegen, ist aber für die Haftung nach § 1300 erster Satz ABGB nicht Voraussetzung (9 Ob 49/09k mwN).
Mehrfach hat der Oberste Gerichtshof in jüngerer Zeit ausgesprochen, dass den Sachverständigen eine objektiv‑rechtliche Sorgfaltspflicht zugunsten eines Dritten trifft, wenn er damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für dessen Disposition bilden werde (RIS‑Justiz RS0106433, vgl RS0026552).
Darüber hinaus hielt der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen fest, dass auf allgemeinem Zivilrecht beruhende Haftungsansprüche bestehen, wenn durch ein nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken, etwa an der Gestaltung von Werbebroschüren, ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (4 Ob 90/14k mwN; vgl RIS‑Justiz RS0107352).
Sowohl die Beurteilung der Auskunft als „gegen Belohnung“ iSd § 1300 erster Satz ABGB gegeben, als auch die Beurteilung der konkreten Mitwirkung an dem Vertrauenstatbestand als Grundlage der Haftung zu Gunsten des Dritten hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, weshalb auch hier die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen (vgl 9 Ob 49/09k mwN). Die vom Berufungsgericht seiner die Klage abweisenden Entscheidung zugrundegelegte Auffassung, dass die Haftung der Beklagten schon daran scheitert, dass sie von der widmungswidrigen Verwendung ihrer Berichte nichts wusste und ihr dies auch nicht als sorgfaltswidrig angelastet werden kann, steht daher im Einklang mit den Grundsätzen der referierten Rechtsprechung. Dass die Beklagte im Hinblick auf das den entgeltlichen Erwerbern ihrer Berichte auferlegte Weitergabeverbot nicht zu einer aktiven Beobachtung der Geschäftstätigkeit der Genussscheinemittentin verpflichtet war, ist jedenfalls vertretbar. Es bedeutete eine Überspannung der von den Klägern ins Treffen geführten „Verkehrssicherungspflicht“, wollte man die Beklagte dazu verpflichten, über die ausdrückliche Verwendungsbeschränkung hinaus ihre grundsätzlich automatisierte Datenerfassung durch eine manuelle Überprüfung zu ergänzen, was die von ihr begutachteten Unternehmen mit den ihnen alljährlich in Erfüllung der datenschutzrechtlichen Informationspflicht zur Verfügung gestellten Berichten machen, insbesondere ob sie diese etwa verbotswidrig zur Kundenwerbung verwenden.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, haben ihr die Kläger ‑ je nach ihrem Anteil am Gesamtstreitwert ‑ die Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung gemäß §§ 41, 50 iVm § 46 Abs 1 ZPO zu ersetzen.
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