OGH 13Os44/14s

OGH13Os44/14s22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Raphael P***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 22. August 2013, GZ 23 Hv 40/13h‑19, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A/I/a und A/II/, in dem auf das betrügerische Veranlassen der Konzeption eines Mietvertrags bezogenen Teil des Schuldspruchs A/I/b/, ferner in der Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB und nach § 148 zweiter Fall StGB und in der zum Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch und im Privatbeteiligtenzuspruch ebenso aufgehoben wie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Raphael P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 (richtig nur:) Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen teils verleitet, teils dies versucht, die diese oder einen Dritten am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, wobei er schweren Betrug in der Absicht beging, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und durch die Taten einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar

A./ in K***** durch die Vorgabe seiner Bereitschaft zur Erfüllung der sich aus dem von ihm erteilten Vermittlungsauftrag an die C***** GmbH für die Anmietung eines Chalets in H*****, und den Kauf einer Liegenschaft (US 4:) des Roland Pf***** in *****, sowie aus dem Abschluss eines Mietvertrags mit Peter E***** betreffend dessen Chalets in H*****, ergebenden Pflichten

I./ von 21. November 2012 bis 2. Dezember 2012 Andreas B***** als Mitarbeiter der C***** GmbH sowie zu Punkt A/I/b/ auch Roland Pf*****:

a./ zur Erbringung von Vermittlungsleistungen im „Betrag“ von 750.000 Euro;

b./ zur im Weg der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Clemens W***** durchgeführten Konzeption eines Mietvertrags und eines Kaufvertrags betreffend die genannten Liegenschaften im Wert von insgesamt 16.189 Euro;

II./ am 25. November 2012 Andreas B***** als Mitarbeiter der C***** GmbH zur Überlassung der Liegenschaft des Peter E*****, von 27. Dezember 2012 bis 3. Jänner 2013, wodurch ein Schaden in Höhe der Mietkosten von 77.000 Euro eintreten sollte, wobei die Tat beim Versuch blieb;

B./ am 26. Februar 2013 in S***** Elfriede N***** als Mitarbeiterin der Raststation S***** durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Mieter zu sein, zur Überlassung von vier Dreibettzimmern in der Nacht zum 1. März 2013, wodurch mangels Entrichtung der Mietkosten ein Schaden in Höhe von 283,80 Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie ist zum Teil berechtigt und gibt auch Anlass zu amtswegigem Vorgehen.

1. Soweit sich die Beschwerde ‑ mangels ausdrücklicher Einschränkung ihrer Anfechtungserklärung ‑ auch gegen den Schuldspruch B./ wendet, diesen jedoch inhaltlich unbekämpft lässt, versäumt sie die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) Nichtigkeit begründender Umstände. In diesem Umfang war auf sie daher keine Rücksicht zu nehmen.

2. Nach den zu Schuldspruch A/I/b/ getroffenen Urteilsannahmen trat der Angeklagte ‑ mit Täuschungs‑, Schädigungs‑ und Bereicherungswillen (US 7) ‑ gegenüber B***** und Pf***** als „zahlungskräftiger Käufer“ auf, für den der „Kauf des Objektes U***** […] samt anfallender Nebenkosten“ „kein Problem“ wäre und der zur Erfüllung der „angeführten sich ergebenden Pflichten“ bereit sei, und „veranlasste“ die Genannten dadurch ‑ mit Erfolg (US 5) ‑ „zur von der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Clemens W***** durchgeführten Konzeption“ (auch) eines Kaufvertrags, wodurch dieser Rechtsanwalt „im Wert der Vertragserrichtungskosten am Vermögen geschädigt“ wurde (US 7).

Mit der Behauptung, (auch) diese Tat wäre beim „Versuch“ geblieben, der zudem „absolut untauglich“ gewesen sei, setzt sich die Rechtsrüge (der Sache nach insoweit Z 9 lit a) über diese Feststellungen hinweg. Weshalb der Umstand, dass nicht der Angeklagte selbst es war, der Dr. W***** mit der „Vertragserstellung“ beauftragte (US 7), die rechtliche Unterstellung seines Verhaltens nach § 146 StGB hindern sollte, lässt die Beschwerde im Dunkeln. Damit bringt sie den geltend gemachten (materiellen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0099810, RS0116565) und war daher auch in diesem Punkt schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

3. Wie die Rüge (Z 10, inhaltlich Z 9 lit a) dagegen zu Recht aufzeigt, ist die erstgerichtliche Annahme, durch die zu Schuldspruch A/I/a/ beschriebene Tat sei ein Betrugsschaden in Höhe (eines Verdienstentgangs der C***** GmbH) von 750.000 Euro entstanden, rechtlich verfehlt.

Der Tatbestand des Betrugs erfasst nämlich nur den durch die täuschungsbedingte Vermögensverfügung unmittelbar bewirkten Vermögensschaden, nicht aber bloß mittelbar herbeigeführte (Folge‑)Schäden (12 Os 175/80, SSt 52/20; RIS‑Justiz RS0094410; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 71; Kert SbgK § 146 Rz 265).

Der dem genannten Maklerunternehmen nach Ansicht des Erstgerichts entstandene Vermögensnachteil in Höhe der (entgangenen) Provision, die bloß als Folge des rechtswirksamen Abschlusses eines Geschäfts gebührt hätte (§ 7 MaklerG; RIS‑Justiz RS0128478), dann von beiden Vertragspartnern im Ausmaß von je 3 % des Verkaufspreises zu entrichten gewesen wäre und sich vorliegend auf (insgesamt) 750.000 Euro belaufen hätte (US 6), resultierte aber gerade nicht aus der (aufgrund des täuschungsbedingten Irrtums vorgenommenen) „Vermögensverfügung“ des Andreas B***** (als Mitarbeiter der C***** GmbH) in Gestalt der Durchführung von Besichtigungen, von der dieser Provisionsanspruch (auch der Höhe nach) gar nicht abhing.

Den Arbeitsleistungen, zu denen der Makler den Urteilsannahmen zufolge (US 7, 11, 13) durch Täuschungen des Angeklagten (unmittelbar) verleitet wurde, käme nur dann die Bedeutung eines ‑ dessen Vermögen mehrenden und jenes des Maklerunternehmens mindernden, demnach als Betrugsschaden in Betracht kommenden ‑ Wirtschaftsguts zu, wenn sie unter Umständen erbracht worden wären, die nach den Gepflogenheiten des Geschäftslebens (an sich bereits) eine vermögenswerte Gegenleistung (des Angeklagten gegenüber dem Maklerunternehmen) bedingen würden (RIS‑Justiz RS0094204; JBl 1980, 605; Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 146 RN 133; Kert SbgK § 146 Rz 221; vgl Perron in Schönke/Schröder dStGB29 § 263 Rz 96; Tiedemann in LK11 § 263 Rz 138 f), wozu das angefochtene Urteil jedoch keine Feststellungen enthält.

4. Die Schuldsprüche A/II/ und A/I/b/ (Letzterer, soweit er sich auf das betrügerische Veranlassen der Konzeption eines Mietvertrags bezieht) sind mit ‑ vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter ‑ materieller Nichtigkeit nach der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO behaftet, die zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Anlass gibt:

Zu Schuldspruch A/II/ nahm das Erstgericht an, der Angeklagte habe gegenüber B***** erklärt, er „werde“ das besichtigte Mietchalet für den Zeitraum 27. Dezember 2012 bis 3. Jänner 2013 mieten (US 5), doch sei es zu einer „Einmietung […] naturgemäß nicht mehr“ gekommen (US 6; vgl insoweit den Spruch zu A/ [„aus dem Abschluss eines Mietvertrages mit Peter E*****“] US 2), weiters, der Angeklagte habe „versucht“, B***** (und nicht etwa den Eigentümer E*****) zur Überlassung des Mietobjektes zu verleiten (US 7). Zur abschließenden rechtlichen Beurteilung ausreichende Konstatierungen in Betreff des entscheidenden Täuschungsakts (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 124 ff), die angesichts des damit angesprochenen mehrstufigen Tatgeschehens geboten gewesen wären, sind dem Ersturteil jedoch nicht zu entnehmen.

Ebensowenig wird aus den Feststellungen zu Schuldspruch A/I/b/ deutlich, über welche ‑ seine Bereitschaft, (auch) die Kosten der Errichtung eines Mietvertrags zu übernehmen, betreffenden ‑ Tatsachen der Angeklagte B***** und Pf***** (also den Eigentümer nicht des in Aussicht genommenen Mietobjekts, sondern der vom Angeklagten vorgeblich zu kaufen gedachten Liegenschaft in *****; vgl US 4) in für deren Vermögensverfügung kausaler Weise getäuscht haben soll.

5. Dies führte schon bei nichtöffentlicher Beratung zur Aufhebung wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 285e StPO). Nicht durch Feststellungen geklärt ist, ob der Betrugsschaden hinsichtlich der Konzeption eines Kaufvertrags für sich allein den Betrag von 3.000 Euro übersteigt. Nach dem Dargelegten ist somit nicht nur der Qualifikation nach § 147 Abs 3 StGB, sondern auch jener nach § 148 zweiter Fall StGB die Grundlage entzogen.

Das übrige Beschwerdevorbringen hat damit auf sich zu beruhen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die genannte Aufhebung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird entsprechend § 29 StGB die Subsumtionseinheit betreffend aller dem Angeklagten (letztlich) zur Last liegenden Betrugstaten neu zu bilden sein (RIS‑Justiz RS0116734; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 10).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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