OGH 11Os139/14x

OGH11Os139/14x13.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2015 den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kazbek K***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. September 2014, GZ 12 Hv 17/14a‑30, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den gemäß § 494a StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00139.14X.0113.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kazbek K***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach (richtig:) §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 28. Februar 2014 in Wien fremde bewegliche Sachen, nämlich Feigen im Wert von 19,95 Euro, Gewahrsamsträgern der Supermarktkette B***** mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat durch die Verkäuferin Tatjana Mil***** dadurch, dass er diese fest an den Oberarmen packte und wegzudrängen versuchte, Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, die Tatvollendung jedoch aufgrund des Einschreitens eines weiteren Mitarbeiters und eines Kunden des Kaufhauses unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit c und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Tatrichter haben (ersichtlich auch) ihre Annahme, der Angeklagte habe das Diebsgut zum Zeitpunkt der Gewaltanwendung (weiterhin) in seinem Besitz gehabt (vgl Fabrizy, StGB11 § 131 Rz 2), aus der von ihnen als glaubhaft erachteten „Aussage der Zeugin Mil*****“ (US 6), jene der auf die Sacherhaltung gerichteten Absicht jedoch ‑ in unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandender Weise (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671) ‑ aus dem „äußeren Geschehensablauf“ (US 7) abgeleitet.

Weshalb diese Schlussfolgerungen angesichts der ‑ durch den Vortrag des entsprechenden Protokollinhalts (ON 29 S 17) in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) ‑ eindeutigen Schilderung des Tathergangs durch die genannte Zeugin in der polizeilichen Vernehmung (ON 2 S 15 verso) „den Denkgesetzen widersprechen“ sollten (der Sache nach Z 5 vierter Fall), sagt die Beschwerde nicht.

Die ‑ vom Nichtigkeitswerber insoweit eingewandte ‑ Mangelhaftigkeit nach dem letzten Fall der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099492 [T2]; Fabrizy, StPO12 § 281 Rz 61). Wurde jedoch die von der Rüge relevierte Passage einer Zeugenaussage (vorliegend die Angabe der Zeugin Mil***** in der Hauptverhandlung, sich nicht mehr daran zu erinnern, wo sich die Feigen befanden, als der Angeklagte auf sie zugelaufen kam [ON 29 S 11 f]) ‑ wie hier ‑ im Urteil gar nicht angesprochen, sondern bloß pauschal auf diese verwiesen, scheidet Aktenwidrigkeit von vornherein aus (RIS‑Justiz RS0099431 [T9]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468).

Indem das übrige, zur Mängel‑ (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) undifferenziert erstattete Rechtsmittelvorbringen aus den Bekundungen der Zeugin in der Hauptverhandlung und aus einzelnen Teilen der Verantwortung des Angeklagten diesem günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, erschöpft es sich in eigenständigen Beweiswerterwägungen („typischerweise ist davon auszugehen“; „lebensnah und realistisch“; „entsprechen auch der allgemeinen Lebenserfahrung“) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Damit gelingt es ihm weder, prozessförmig formale Begründungsmängel aufzuzeigen (Fabrizy, StPO12 § 281 Rz 46 ff), noch, erhebliche Bedenken gegen Feststellungen entscheidender Tatsachen (RIS‑Justiz RS0099674) zu wecken.

Mit dem Einwand, das Erstgericht gehe „rechtsirrig davon aus, dass jegliche Form der Anwendung von Körperkraft bereits tatbestandsmäßige Gewaltanwendung im Sinne des § 131 StGB“ darstelle, und der nach Wiedergabe von Fallbeispielen aus der Judikatur aufgestellten Behauptung, der Angeklagte habe „also“ „keine Gewalt“ geübt, argumentiert die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht auf Basis des (eingangs erwähnten) Urteilssachverhalts (US 7) und verfehlt solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Das auf jener prozessordnungswidrigen Kritik aufbauende, (aus Z 10) die rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch erfassten Tat als Vergehen der Entwendung nach §§ 15, 141 Abs 1 StGB reklamierende und (nominell aus Z „9c“, inhaltlich aus Z 9 lit b; vgl RIS‑Justiz RS0096043, RS0099893; Fabrizy, StPO12 § 281 Rz 85) das Fehlen einer diesbezüglichen Ermächtigung des Verletzten zur Strafverfolgung (§ 141 Abs 2 StGB; §§ 4 Abs 2 zweiter Halbsatz, 92 Abs 1, Abs 2 StPO) einwendende weitere Beschwerdevorbringen hat schon deshalb auf sich zu beruhen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei bemerkt, dass dem Gewaltbegriff des § 131 StGB jeder (nicht völlig unerhebliche) Einsatz physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermeintlichen Widerstands genügt; eine besondere Kraftanstrengung ist ebensowenig erforderlich wie eine Intensität der aufgewendeten physischen Kraft, die eine zur Willensbrechung beim Opfer geeignete Schwere erreicht (RIS-Justiz RS0093597, RS0093602; 14 Os 4/11m; Jerabek in WK2 StGB § 74 Rz 35; anders die ‑ sich allerdings in bloßer Rechtsbehauptung erschöpfende ‑ Ansicht von Bertel in WK2 StGB § 131 Rz 3). Dass der Angeklagte den tatrichterlichen Feststellungen zufolge die Zeugin Mil***** ‑ mit (auch) darauf, diese „durch die Anwendung von Körperkraft beiseite zu schieben“, gerichteter Absicht (US 4) ‑ unter Aufbietung „erheblicher Körperkraft“ (US 6) an den Oberarmen „packte“ und „versuchte, sie vom Eingangsbereich wegzubewegen“ (US 4), erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte