OGH 7Ob217/14h

OGH7Ob217/14h10.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der H***** F*****, vertreten durch den Verein gemäß § 8 Abs 2 HeimAufG VertretungsNetz - Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung, *****, (Bewohnervertreterin Mag. E***** G*****), dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, über dessen außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. Oktober 2014, GZ 15 R 473/14f‑17, womit der Rekurs des Vereins gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 26. September 2014, GZ 42 HA 3/14v‑10, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00217.14H.1210.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

 

Begründung:

Am Ende der im zweiten Rechtsgang erfolgten weiteren Erstanhörung vom 26. 9. 2014 verkündete das Erstgericht den Beschluss auf Abweisung des Antrags des Vereins im Einzelnen angeführte Medikamentenverabreichungen als freiheitsbeschränkend für unzulässig zu erklären. Mit Schriftsatz vom 16. 10. 2014 beantragte der Bewohnervertreter Beschlussausfertigung und erhob gleichzeitig Rekurs gegen die Abweisung seines Antrags.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Beschlusses vom 26. 9. 2014 ab. Anträge auf gerichtliche Überprüfung einer Freiheitsbeschränkung nach den §§ 11 ff HeimAufG seien abzuweisen, wenn die zu überprüfende Maßnahme gar keine Freiheitsbeschränkung im Sinn des § 3 HeimAufG darstelle. Im Rahmen der Erstanhörung sei dieser Beschluss lediglich mündlich zu verkünden. Es sei keine schriftliche Ausfertigung und keine Zustellung vorgesehen; der mündlich verkündete Beschluss sei aber mindestens schlagwortartig zu begründen und zu protokollieren. Da der Beschluss vom 26. 9. 2014 anlässlich der Verkündung ausreichend begründet worden sei, bestehe kein Recht auf eine schriftliche Beschlussausfertigung.

Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht als verspätet zurück. Das Erstgericht habe neuerlich eine Erstanhörung im Sinn des § 13 HeimAufG durchgeführt und im Rahmen dieser Tagsatzung den Beschluss auf Abweisung des Antrags auf Unzulässigerklärung der Medikation gefasst. Komme ein Gericht ‑ wie hier ‑ zum Ergebnis, dass die von ihm überprüfte Maßnahme keine Freiheitsbeschränkung im Sinn des § 3 HeimAufG sei, habe es den Antrag abzuweisen. Der Beschluss sei mündlich zu verkünden und zu protokollieren. Eine schriftliche Ausfertigung und Zustellung sehe das Gesetz nicht vor. Der Beschluss sei bereits durch die mündliche Verkündung erlassen und erlange Wirksamkeit. Angesichts der mündlichen Beschlussverkündung am 26. 9. 2014 sei der Rekurs vom 16. 10. 2014 verspätet.

Das Rekursgericht erklärte gemäß § 62 Abs 1 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handle und keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen sei.

Dagegen erhebt der Verein im Namen der Bewohnerin außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, den Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben und diesem aufzutragen, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über das Rechtsmittel zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil die unrichtige Zurückweisung eines Rekurses als verspätet eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS-Justiz RS0041365 [T4]; 10 Ob 5/13b mwN; 7 Ob 56/09z); er ist auch berechtigt.

Nur wenn das Erstgericht die Voraussetzungen der Freiheitsbeschränkung verneint und diese deshalb für unzulässig erklärt, gilt für die Heimleitung die 3‑tägige Rekursfrist ab Verkündung.

Hier liegt aber weder ein Fall des § 13 Abs 1 HeimAufG noch ein solcher nach § 13 Abs 2 HeimAufG vor, sondern ein den Antrag abweisender Beschluss. Wie aus den von Barth/Engel (Heimrecht [2004] in § 13 Anm 1 [letzter Absatz]) zitierten, jeweils die Parallelbestimmung des § 20 UbG betreffenden Belegstellen klar ersichtlich ist, behandeln diese Bestimmungen den Fall der Abweisung eines Überprüfungsantrags jeweils nicht .

Da der in der Tagsatzung zur Erstanhörung vom 26. 9. 2014 mündlich verkündete Beschluss somit schriftlich auszufertigen gewesen wäre (§ 38 Satz 2 AußStrG iVm § 11 Abs 3 HeimAufG), hätte die Rekursfrist erst mit Zustellung der schriftlichen Ausfertigung zu laufen begonnen (§ 46 Abs 1 Satz 2 AußStrG iVm § 11 Abs 3 HeimAufG). Entgegen dem Zurückweisungsbeschluss wurde der Rekurs nicht verspätet eingebracht.

Nach ständiger Rechtsprechung sowohl zu den Bestimmungen des AußStrG als auch zu jenen der ZPO ist die Einbringung eines Rechtsmittels noch vor Zustellung der Entscheidungsausfertigung ab dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Bindung des Gerichts an seine Entscheidung eingetreten ist (RIS-Justiz RS0041679, RS0041748, RS0006939). Das Gericht ist im außerstreitigen Verfahren an seine Beschlüsse mit deren mündlicher Verkündung gebunden (§ 40 AußStrG). Ab diesem Zeitpunkt kann daher ein Rechtsmittel wirksam erhoben werden (7 Ob 147/11k [zu einem vergleichbaren Fall nach dem UbG])

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs aufzutragen.

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