OGH 1Ob205/14z

OGH1Ob205/14z27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 10.467,45 EUR sA (3 Cg 14/13p) und 13.968,45 EUR sA (3 Cg 15/13k), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Juli 2014, GZ 4 R 111/14t‑29, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 18. April 2014, GZ 3 Cg 14/13p, 15/13k‑24, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00205.14Z.1127.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 757,20 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin macht Amtshaftungsansprüche geltend, die sie aus neun rechtswidrigen Entscheidungen einer Bezirkshauptmannschaft ableitet, die in neun Verwaltungsstrafverfahren ergangen seien. Die Höhe der den einzelnen Verfahren zugeordneten Ersatzansprüche beläuft sich (ohne Berücksichtigung der von der Beklagten bereits geleisteten Zahlungen) auf Beträge zwischen 2.824,55 EUR und 4.652,20 EUR.

Das Erstgericht verband die zugrundeliegenden Verfahren 3 Cg 14/13p und 3 Cg 15/13k zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und gab nachfolgend dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von 10.222,30 EUR sA an die Klägerin verpflichtete und das Mehrbegehren von 14.213,60 EUR sA abwies. Es erklärte zunächst die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO für jedenfalls unzulässig. Über Antrag der Klägerin ließ es gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich die ordentliche Revision zu. Die Klägerin bringe beachtliche Argumente vor, dass die einzelnen Ansprüche doch zusammenzurechnen seien, womit der Wert des Entscheidungsgegenstands „EUR 15.000“ übersteige. Aufgrund behaupteter schwerwiegender Fehlbeurteilungen erscheine die Zulassung der Revision geboten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den klagsabweisenden Teil des Berufungsurteils gerichtete Revision der Klägerin ist nach § 502 Abs 2 ZPO absolut unzulässig. Daran ändert der Ausspruch des Berufungsgerichts, das nachträglich die Revision zuließ, nichts (1 Ob 23/13h; vgl RIS‑Justiz RS0043025 [T10]).

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt. Hat das Berufungsgericht über mehrere Entscheidungsgegenstände entschieden, deren Werte nicht zusammenzurechnen sind, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (§ 55 Abs 4 JN). Eine Zusammenrechnung der einzelnen Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN käme nur in Frage, wenn diese in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0042741). Ein solcher liegt nur vor, wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RIS‑Justiz RS0037905).

Dieses Kriterium ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, leitet die Klägerin ihre Ersatzansprüche doch aus Verfahrensfehlern in neun unterschiedlichen verwaltungsstrafbehördlichen Verfahren ab, die jeweils gesondert zu beurteilen sind (vgl RIS‑Justiz RS0037899). In diesem Sinn wurde etwa im amtshaftungsrechtlichen Zusammenhang judiziert, dass der Tatbestand des § 55 Abs 1 Z 1 JN nicht erfüllt ist, wenn die geltend gemachten Ersatzansprüche auf jeweils unterschiedlichen Verwaltungsverfahren beruhen, mögen diese auch ähnliche Gegenstände zum Inhalt haben (vgl insofern 1 Ob 63/08h; ähnlich 1 Ob 148/09k). Auch mehrere gerichtliche Beschlüsse in einem Pflegschaftsverfahren, mit denen jeweils Belohnungen und Entschädigungen des Sachwalters festgesetzt wurden, wurden als nicht im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenhängende Rechtsgründe angesehen, auch wenn dem Gericht jeweils ein vergleichbares Fehlverhalten vorgeworfen wurde (1 Ob 162/13z = RIS‑Justiz RS0042741 [T21] = RS0037648 [T21] = RS0037905 [T29] = RS0037899 [T17] = RS0110872 [T6]). Gleiches gilt auch für Schadenersatzansprüche aus dem Rechtstitel der Amtshaftung, die aus Verfahrensfehlern in insgesamt fünf unterschiedlichen gerichtlichen Verfahren abgeleitet werden (1 Ob 110/14d).

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin den Ersatz der ihr entstandenen anwaltlichen Vertretungskosten in neun Verwaltungsstrafverfahren geltend, in denen ihrem Geschäftsführer unterschiedliche Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes vorgeworfen wurden. Alle neun Verwaltungsstrafverfahren endeten mit der Aufhebung der Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft und der Einstellung der Verfahren durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Zu den einzelnen (insgesamt neun) Schadensfällen erstattete die Klägerin Vorbringen, aus dem sich die Höhe der von der Beklagten begehrten Beträge ergibt, wobei kein Einzelanspruch 5.000 EUR erreicht.

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN liegen nicht vor. Dass die Amtshaftungsansprüche „alle auf Grundlage des § 1 Abs 1 AHG geltend gemacht“ werden, begründet ‑ entgegen der Ansicht der Klägerin ‑ keinen rechtlichen Zusammenhang. Weder ein rechtlicher noch ein tatsächlicher Zusammenhang wird dadurch behauptet, dass die „einheitliche Abfertigung“ von sieben Straferkenntnissen am selben Tag erfolgte. Die Verwaltungsstrafverfahren betrafen unterschiedliche Vorfälle. Schadenersatzansprüche aus verschiedenen Schadensereignissen sind aber nicht zusammenzurechnen (1 Ob 162/13z mwN). Ein mit dem Sachverhalt der Entscheidung 5 Ob 660/79 (= RZ 1980/64, 271) vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die absolute Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte