OGH 1Ob162/13z

OGH1Ob162/13z19.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. C***** G*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Kucera Rechtsanwälte GmbH in Hard, wegen 16.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Juni 2013, GZ 2 R 81/13y‑19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 6. Februar 2013, GZ 4 Cg 58/12w‑15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00162.13Z.0919.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der beklagte Rechtsanwalt war von 2000 bis 2008 Sachwalter einer (vermögenden) Betroffenen. Er sprach für seine Tätigkeit insgesamt zehnmal die gerichtliche Bestimmung von Belohnungen und Entschädigungen an, die ihm jeweils in der beantragten Höhe zuerkannt wurden; die zuerkannten Beträge lagen alle unter 7.000 EUR. Der Beklagte hatte sämtliche Leistungen stets nach den Tarifen des RATG beansprucht. Nachdem die spätere Sachwalterin der Betroffenen für diese Amtshaftungsansprüche geltend gemacht hatte, weil das Pflegschaftsgericht dem Beklagten weitaus überhöhte Ansprüche zuerkannt habe, zahlte die Klägerin (Republik Österreich) aufgrund eines Vergleichs 33.000 EUR an die Betroffene und ließ sich deren allfällige Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten abtreten.

Sie macht nun unter Berufung auf den auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch sowie auf § 896 ABGB die Hälfte davon, also einen Betrag von 16.500 EUR, samt Zinsen geltend. Der Beklagte habe als Sachwalter für seine Tätigkeit widerrechtlich ein ihm nicht zustehendes Entgelt verlangt, nämlich auch solche Leistungen nach dem RATG abgerechnet, die nicht in den Fachbereich eines Rechtsanwalts fielen. Die Verrechnung habe der klaren Rechtslage und Rechtsprechung widersprochen. Eine allfällige Unkenntnis sei ihm als grobes Verschulden anzulasten.

Der Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, es könne ihm keine Interessenwahrungsverletzung vorgeworfen werden. Ihm sei nicht bewusst gewesen, allfällige Ansprüche zu Unrecht verzeichnet zu haben; er sei auch nicht zur Verbesserung aufgefordert worden. Bei der Beantragung seiner Entlohnung habe er nicht im Rahmen seines Wirkungskreises als Sachwalter gehandelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ‑ nach Beschränkung des Verfahrens auf den Anspruchsgrund ‑ ab. Für Schadenersatzansprüche gegen den Sachwalter ordne § 277 Satz 1 ABGB die Anwendung allgemeiner schadenersatzrechtlicher Grundsätze an. Der Betroffenen sei durch die Anträge auf Bestimmung der Entschädigung für seine Mühewaltung und Barauslagen noch kein Schaden entstanden. Dieser sei erst mit dem jeweils gefassten Beschluss des Pflegschaftsgerichts eingetreten. Auch wenn die Antragstellung durch den Beklagten kausal gewesen sei, sei der Kausalzusammenhang aber durch die jeweilige gerichtliche Beschlussfassung unterbrochen worden. Damit seien weitere Ausführungen zu Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schadensminderungspflichten der Betroffenen entbehrlich.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es in einem Zwischenurteil aussprach, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe; weiters erklärte es die ordentliche Revision für zulässig. Zwischen dem Sachwalter und seinem Pflegebefohlenen bestehe ein Sonderrechtsverhältnis, in dessen Rahmen den Sachwalter besondere Fürsorgepflichten treffen. Es sei daher sowohl vor als auch nach Änderung der Rechtslage durch das KindRÄG 2001 unzweifelhaft gewesen, dass es Aufgabe des Sachwalters sei, bei seinen Handlungen auf das Interesse bzw Wohl des Pflegebefohlenen Bedacht zu nehmen. Ein Sachwalter sei auch bei der Bestimmung seiner Belohnung grundsätzlich verpflichtet, nicht nur die eigenen Interessen wahrzunehmen, sondern auch jene des Pflegebefohlenen. Allerdings liege ein schuldhaft rechtswidriges Verhalten nicht bereits deshalb vor, weil ein überhöhter Belohnungsanspruch geltend gemacht werde. Eine Haftung bestehe jedenfalls dann, wenn der Sachwalter, an den als Rechtsanwalt der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB anzulegen sei, seinen Anspruch ohne gesetzliche Grundlage oder entgegen der ständigen Rechtsprechung geltend gemacht habe. Weder nach der alten noch nach der neue Rechtslage habe ein Anspruch auf Abgeltung „nicht fachlicher“ Leistungen nach dem RATG bestanden. Die Kenntnis dieser Bestimmungen bzw der dazu ergangenen Rechtsprechung sei beim Beklagten im Sinne des § 1299 ABGB vorauszusetzen. Für ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs reiche es aus, wenn feststeht, dass in dem im Zeitraum 2001 bis 2008 gestellten Anträgen zumindest auch Leistungen nach dem RATG geltend gemacht wurden, obwohl tatsächlich diesen Ansprüchen keine fachlichen Leistungen zugrunde gelegen seien.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da sich der Oberste Gerichtshof bislang nicht mit der Frage befasst habe, ob ein Sachwalter dem Betroffenen gegenüber wegen überhöhter Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen schadenersatzpflichtig werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten erweist sich als unzulässig.

Nach § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 4.000 EUR nicht übersteigt. Eine Zusammenrechnung mehrerer in einer Klage erhobenen Einzelforderungen hat nach § 55 Abs 1 Z 1 JN nur stattzufinden, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0042741). Sind mehrere, jeweils den Betrag von 5.000 EUR nicht übersteigende, Einzelforderungen nicht zusammenzurechnen, ist die Revision absolut unzulässig (vgl § 55 Abs 4 JN).

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin die Hälfte der von ihr an die Betroffene geleisteten Zahlungen geltend. Zu den einzelnen (insgesamt zehn) Schadensfällen hat sie ein (insoweit unbestrittenes) Vorbringen erstattet, aus dem sich die Höhe der dem Beklagten vom Pflegschaftsgericht jeweils zuerkannten Beträge ergibt, wobei kein Einzelzuspruch einen Betrag von 7.000 EUR erreicht. Selbst wenn man davon ausginge, dass einer dieser Beschlüsse des Pflegschaftsgerichts zur Gänze unberechtigt gewesen sein sollte, könnte daraus kein höherer Schadenersatzanspruch der Betroffenen resultieren, der allerdings im vorliegenden Verfahren nur im Ausmaß von 50 % geltend gemacht wird (und zwar offenbar, weil sie sich ein Fehlverhalten eines Organs zurechnete), also in keinem Fall von mehr als 3.500 EUR. Dass die klagende Partei eine Pauschalsumme geltend macht, nämlich die Hälfte des von ihr erstatteten Schadenersatzes, ändert nichts daran, dass dieser Pauschalsumme mehrere ‑ von ihr ohnehin näher aufgeschlüsselte ‑ Einzelansprüche zugrunde liegen, die aus unterschiedlichen Handlungen des Beklagten abgeleitet werden. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN liegen nicht vor. Der bloße Umstand, dass alle Forderungen des Beklagten im Rahmen der ihm übertragenen Sachwalterschaft gestellt wurden, reicht nicht aus, sind doch zehn unterschiedliche Anträge an das Pflegschaftsgericht zu beurteilen, die sich auf jeweils in unterschiedlichen Zeiträumen erbrachte Leistungen als Sachwalter beziehen. Schadenersatzansprüche aus verschiedenen Schadensereignissen sind aber nicht zusammenzurechnen (1 Ob 89/99s).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 40 Abs 1 ZPO. Die Revisionsgegnerin hat auf die absolute Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sich ihr Schriftsatz nicht als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme darstellt, weshalb ihr dafür kein Kostenersatz gebührt.

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